"Ziemlich Beste Freunde"

Von Jörg Taszman · 03.01.2012
In Frankreich wurde "Ziemlich Beste Freunde" zum erfolgreichsten Film des Jahres 2011. Die Komödie um den reichen, aber gelähmten Industriellen und seinen ungebildeten Pfleger könnte auch in Deutschland ein Hit werden.
Eigentlich wären sich diese Beiden nie begegnet: der Großindustrielle Philippe, der mitten in Paris in einer Luxuswohnung mit viel Personal lebt und der aus der Pariser Banlieue, stammende Driss, der soeben aus dem Gefängnis kommt und nun beim Amt nachweisen soll, dass er sich um Arbeit bemüht. Der nach einem Unfall an den Rollstuhl gefesselte, querschnittsgelähmte Philippe sucht mal wieder einen Pfleger.

Einer der Bewerber ist der Schwarze Driss. Philippe gefällt, mit welcher unbekümmerten Art Driss das Leben sieht. Er will kein Mitleid mehr. Das zwischen beiden Welten liegen, bleibt dabei immer klar. Schon wenn es um Musik geht. Philippe mag Klassik und Driss am liebsten Hip Hop. Auch ein Museumsbesuch ist für beide sehr aufschlussreich:

Driss: "Seit 'ner Stunde starren Sie darauf. Wir sollten das Programm wechseln."
Philippe: "Dieses Gemälde hat eine Heiterkeit, die sich sofort überträgt. Aber auch etwas Gewalttätiges. Ich finde es sehr bewegend."
Driss: "Was ist denn daran bewegend? Rote Flecken auf weiß? Und was kostet der Schinken?"
Philippe: "Ich glaube 30 000. Aber ich kann gerne nachgucken, wenn Sie möchten."
Driss: "Gucken Sie lieber nochmal nach. Da hängen ein paar Nullen zu viel dran. Sie kaufen das Gekleckse doch nicht etwa für 30 000 Euro. Das ist doch völlig absurd."
Philippe: "Soviel verlangt man am Markt."
Driss: "Da hat irgendein Typ Nasenbluten und verlangt 30 000 Euro?"
Philippe: "Sagen Sie Driss, warum interessieren sich die Leute ihrer Meinung nach für Kunst?"
Driss: "Keine Ahnung, weil es ein Geschäft ist vielleicht."
Philippe: "Nein. Weil es die einzige Spur ist, die unser Dasein auf der Erde hinterlässt."
Driss: "Warten Sie, Phlippe. Für 50 Euro geh ich in den Baumarkt und zeige Ihnen, welche Spuren mein Dasein hinterlässt. Ich pack noch Blau drauf, wenn Sie wollen."

Ganz bewusst wollten die beiden Regisseure aus dem Stoff eine Komödie machen und keinen melodramatischen Film. Mit viel Humor erzählen Eric Tolédano und Olivier Nackache ein moderneres "Buddy Movie" mit großartigen Hauptdarstellern. Der TV-Komiker Omar Sy trifft auf François Cluzet, der bisher in über 80 Filmen mitspielte und kürzlich als Choleriker in "Kleine Wahre Lügen" für viele Lacher sorgte.

In Frankreich waren schon diese beiden so gegensätzlichen Schauspieler auf einem Kinoplakat eine kleine Sensation. Vom Erfolg des Films sind auch die beiden Regisseure überrascht. Allerdings haben die beiden sich durchaus eine originelle Werbekampagne ausgedacht wie Eric Toledano erklärt:

"Zusammen mit dem Verleiher haben wir uns gesagt; bei diesem Film bringt es nichts, nur Ausschnitte zu zeigen. Den müssen wir bereits vor dem Kinostart flächendeckend in Vorpremieren etwa 30 000 bis 40 000 Zuschauern zeigen. So haben wir überall in Frankreich zwischen dem 25. August und dem 1. November eine "Tour de France" in 42 Städten organsiert. Jeden Abend bis auf das Wochenende waren wir in einer großen französischen Stadt und gleichzeitig auch in einer Kleinstadt.

Und in Großstädten wie Lyon oder Marseille spielten wir den Film gleichzeitig in vier Sälen. Dabei zeigten wie den Film immer im Stadtzentrum und in der Banlieue, also im Vorort. Der Film erzählt ja von Beiden, von den Leuten die im Zentrum leben und denen, die in den Vorstädten zuhause sind. Dabei wurde uns sehr schnell klar, dass das Publikum sehr stark mit dem Film mitgeht. Die Zuschauer klatschten am Ende, wollten mit uns diskutieren. So sahen den Film vor dem Kinostart bereits 80 000 Zuschauer. Sehr viel mehr als wir planten. Da spürten wir schon, dass wir mit diesem Film etwas sehr starkes haben."

Vor allem das Spiel der beiden Hauptdarsteller Omar Sy und François Cluzet trägt den Film, macht seinen Charme aus. Für den 56-jährigen Francois Cluzet ist es nach "Kleine Wahre Lügen" bereits der zweite, große Kinohit in nur 12 Monaten. Ein Millionenpublikum dieser Größenordnung hatte er vorher nie erreicht. Cluzet gilt durchaus als schwieriger Schauspieler, als einer der immer wieder nachfragt, reflektiert, sich ständig verbessern will.

In "Ziemlich Beste Freunde", einem Film der auf einer wahren Geschichte beruht, musste er nicht nur einen querschnittsgelähmten Mann spielen, sondern auch jemanden, den es wirklich gibt. Es handelt sich um die Verfilmung einer echten Freundschaft. Das Buch des realen Philippe Pozzo di Borgo ist in Frankreich ein Bestseller:

"Zuerst gab es die Herausforderung jemanden zu spielen, der wirklich existiert. Das ist immer sehr interessant. Man erhält eine Art Verantwortung. Dadurch entsteht jedoch kein Druck, eher positive Energie. Wie wollen sie jemanden spielen, der wirklich existiert? Sie können dieser Figur nur ihren Körper zur Verfügung stellen und sich gleichzeitig gewisse Charakterzüge ausleihen.

In diesem Fall war es sogar noch interessanter, weil Philippe Pozzo di Borgo wirklich ein ganz außergewöhnlicher Mensch ist. Er strahlt. Er lacht viel und verfügt über viel Esprit. Er ist ein sehr warmherziger Mensch. Er erklärt es damit, dass jemand in seiner Verfassung schon einmal á priori nicht sehr attraktiv aussieht. Würde er nun außerdem ständig schlecht gelaunt herum laufen und dauernd eine Fresse ziehen, dann so sagte er mir, würden ja alle nur noch vor ihm fliehen."

Natürlich haben Philippe Pozzo di Borgo und sein ehemaliger Pfleger Abdel Sellou, der übrigens Nordafrikaner und kein Schwarzer ist, den Film auch gesehen. Und wieder betonen beide Filmemacher, mit welchem typischen Humor beide den Film kommentierten. Eric Tolédano beschreibt die Reaktion von Philippe und Olivier Nakache erinnert sich an die von Abdel:

Eric Tolédano: "Philippe mit seinem typischen Humor meinte nur, ich klatsche mit beiden Händen! Dabei kann er ja nicht einmal seine Arme bewegen."

Olivier Nakache: "Und Abdel sagte: Oh, ich habe gerade herausgefunden, dass ich Schwarzer bin. Das wusste ich gar nicht."
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