Zeitloses Design für die breite Masse

Von Anna Bilger · 01.06.2011
Heute beginnt in Berlin das Designfestival DMY. Renommierte und junge Designer stellen neue Produkte, Prototypen und experimentelle Konzepte vor - einer von ihnen ist Le van Bo. Er hat Möbel entworfen, die jeder günstig nachbauen kann.
Le van Bo will die Welt verbessern, indem er sie verschönert: mit Stühlen, Sesseln und Sofas.

"Ich hab, glaub ich, so ne Krankheit - ich weiß gar nicht, wie die heißt - ich habe das ganz große Bedürfnis Räume zu gestalten!"

Schon als Jugendlicher hat der drahtige Typ mit den raspelkurzen schwarzen Haaren den Gemeinschaftsraum einer Jugendherberge umgeräumt.

"Wenn ich im Wartezimmer beim Arzt sitze, dann ist es doch schade, dass die Stühle im Kreis angeordnet sind, da redet doch eh keiner, aber da ist so ein schönes Fenster mit Blick auf nen Baum, dann guck ich schnell, ob mich jemand sieht und dann stelle ich das um."

Le van Bo steht in der Werkstatt des Beta-Hauses in Berlin-Kreuzberg und sucht nach einer Verlängerungsschnur. Der 34-Jährige, in Jeans und lila T-Shirt, gibt heute einen Workshop. Er wird erklären, wie man einen Schrank baut, den er entworfen hat und "Beta Block" nennt.

"Es ist ein Workshop, was wir heute machen und das, was ich kann, würde ich euch gerne zeigen ..."

Der Beta-Block ist ein rechteckiger Holzkasten auf Rollen. Mit drei kleinen Fächern unten und einem großen Fach oben. So stabil, dass man sich hineinsetzen kann. Und so flexibel, dass man ihn vielseitig nutzen kann. Sechs junge Menschen sind gekommen, um zu lernen, wie man ihn baut.

Der Schrank ist Teil der "Hartz-IV"-Möbelserie: Dazu gehören bereits ein Hocker, ein Sessel, ein Tisch und ein Bettsofa – der Architekt hat sich vom Bauhaus inspirieren lassen. Zeitloses Design für eine breite Masse.

" Das heißt, alle Menschen, unabhängig vom Einkommen, sollen die Möglichkeit habe, eine schöne Wohnung zu haben, schöne Möbel und meine Antwort liegt im Selberbau."

Die Baupläne verschickt Le van Bo kostenlos. Knapp 2000 Menschen aus der ganzen Welt haben sie angefordert. Selber bauen macht glücklich - das merkt Le van Bo vor 2 Jahren bei einem Tischlerkurs an der Volkshochschule:

"Und als ich dann nach 24 Stunden einen Sessel gebaut hatte, war ich so stolz, dass ich diese Details auch hinbekommen habe, wofür man eine Tischlerausbildung braucht, und dieses Gefühl - das würde ich gerne vielen Menschen geben, die deprimiert sind oder resigniert."

Ich kann alles schaffen – diese Erfahrung hat Le van Bo immer wieder gemacht. Er war schon Kellner, Schauspieler, Radiomoderator, initiierte soziale Projekte. Jetzt ist er Architekt und arbeitet in einer internationalen Designagentur. Und will etwas zurückgeben.

"Das klingt vielleicht schnulzig, aber ich bin diesem Land total dankbar: Ich bin ein Fan von Deutschland. Ich finde die Infrastruktur toll, dass ich in die Schule gehen durfte, dass ich studieren durfte und sogar noch Geld bekommen habe. Irre!"

Le van Bo ist ein Flüchtlingskind: In seinem Geburtsjahr 1977 verlassen seine Eltern aus Angst vor dem Kommunismus ihre Heimat Laos. Le van Bo wächst in Berlin-Wedding auf, sein Vater arbeitet als Gabelstapler-Fahrer, seine Mutter in einem Chemiekonzern. Und der Sohn?

"Ich habe gesprüht und gerappt, um meiner Person eine Stimme zu geben, um ein Zeichen zu setzen, im wahrsten Sinne des Wortes, habe Tags gesetzt, um meinen Namen in der Stadt zu sehen. Ich wollte nicht, dass man mich verschweigen kann, ich wollte jemand sein."

Sein Name damals: Prime, der Erste. Abgeguckt hat er sich den Namen - den er heute noch nutzt - bei einem Helden seiner Kindheit, Optimus Prime, einem Spielzeugroboter, der in der Serie Transformers zu den Guten gehört. Auch Le van Bo will zu den Guten gehören, bringt Straßenmusiker und Opernmusiker für ein Projekt zusammen, versucht mit einem Verein, dass Jugendliche mehr aus ihrem Leben machen.

"Hallo mein Schatz …"

Le van Bo wohnt mit seiner Verlobten in Berlin-Kreuzberg, gemeinsam mit einer großen Sammlung von alten Stühlen und Lampen.

"Ich umgebe mich in meiner Wohnung mit Dingen, die ich gerne habe: Poster, Postkarten, meine Verlobte liebt weiße Punkte auf rot und andersherum, so haben wir viele Kannen und Blumenvasen herumstehen."

Weil der Platz für die Möbelsammlung nicht mehr reicht, hat der 34-Jährige zwei weitere Wohnungen gemietet. Räumt dort immer wieder um, testet, wie die Möbel wirken. Die Wohnungen vermietet er an Touristen.

Hat Le van Bo eine Idee, setzt er sie um. Ruft ein paar Freunde an, schickt eine Mail über seinen großen E-Mail-Verteiler an alle Bekannten. Mit viel Unterstützung ist jetzt auch die Ausstellung für das internationale Designfestival DMY zustande gekommen. Eine Ein-Zimmer-Musterwohnung, ausgestattet mit seinen selbstgebauten Möbeln. Er nennt es durchaus provokant das "Hartz-IV"-Wohnzimmer:

"Die Leute sollen merken: Mit Hartz IV kann man etwas anderes verbinden als das Klischee vom Langzeitarbeitslosen, der zu faul ist einen Job zu haben."

Sein nächstes Projekt hat Le van Bo übrigens längst im Blick: Er will ein ganzes Haus bauen – und den Bauplan dann bald wieder in die Welt verschicken.