Zeitgeschichte

Eine revolutionäre Behörde

Gespräch mit dem Redakteur Winfried Sträter · 12.02.2014
Erst hieß sie im Volksmund Gauck-, dann Birthler- und heute Jahn-Behörde. Im Winter 1989/90 forderten DDR-Bürgerrechtler die Offenlegung der Akten von "Horch und Guck". Dem Autor Gerald Endres ist es für seine Zeitreisen-Sendung gelungen, unter anderen den letzten Chef der DDR-Hauptabteilung Aufklärung zu befragen.
Ein Gespräch mit dem "Zeitreisen"-Redakteur und Historiker Winfried Sträter:
Wie ist die Idee für die Sendung über den Kampf um die Stasi-Akten entstanden?
Winfried Sträter
Winfried Sträter© privat
Die Idee ist bei einem Gespräch des Autors mit DDR-Bürgerrechtlern und Historikern entstanden. Da kamen Themen zur Sprache, über die Bürgerrechtler heute nicht mehr so gerne reden. Einige waren in den unruhigen Wochen des Winters 1989/90 durchaus nicht für eine Öffnung der Stasi-Akten, weil man Selbstjustiz befürchtete. Und heute erinnert man sich nicht so gern daran, dass man damals Angst vor der Offenlegung der Akten hatte.
Und dann gibt es noch diesen Komplex, der nicht in Vergessenheit geraten sollte: Auch die Bundesregierung wollte ja eigentlich nicht die Offenlegung der Akten. Die HVA, die Hauptabteilung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit, besaß brisantes Material aus Telefonmitschnitten von Regierungsmitgliedern. Das war für die Bundesregierung eine heikle Situation. Aber am Ende ist bemerkenswert, wie entschlossen die Volkskammer der DDR im Sommer 1990 darauf bestanden hat, dass die Unterlagen offen gelegt werden.
Wer ist der Autor?
Gerald Endres und seine Frau Ute Bönnen beschäftigen sich schon sehr lange mit dem Thema "Staatssicherheit". Sie sind beide Journalisten und drehen gemeinsam Dokumentarfilme, die man auf ihrer Website findet. Sie stammen aus Westdeutschland und leben heute bei Berlin. Gerald Endres hat außerdem langjährige Erfahrungen als Radio-Autor, auch im Deutschlandradio.
Was ist der aktuelle Anlass für diese Sendung?
In dieser Legislaturperiode will der Bundestag einen Beschluss darüber fassen, ob die Stasi-Unterlagenbehörde geschlossen werden soll und die Materialien ins Bundesarchiv übergehen. Vor diesem Hintergrund haben wir überlegt, dass die Entstehungsgeschichte der Stasi-Unterlagenbehörde noch einmal in Erinnerung gerufen werden sollte. Den wenigsten ist heute bewusst, wie sehr die Offenlegung der Akten damals umkämpft war und dass dies eine revolutionäre Errungenschaft ist, die ihresgleichen sucht.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Blühende Bäume im Winter am ehemaligen Berliner Grenzübergang Bornholmer Straße.© Deutschlandradio - Cornelia Sachse
Was denken Sie persönlich: Sollte die Stasi-Unterlagenbehörde geschlossen werden?
Entscheidend ist, dass die Akten dauerhaft öffentlich zugänglich bleiben. Unter dieser Voraussetzung ist der Gedanke, sie ins Koblenzer Bundesarchiv zu überführen, natürlich nicht falsch. Wie man in der Sendung hören kann, gibt es ja zu viele Klagen darüber, dass die Aktenverwaltung in der Stasi-Unterlagenbehörde nicht so funktioniert, wie man das von einem Archiv erwartet. Insofern gibt es organisatorischen Handlungsbedarf. Aber, wie gesagt, die öffentliche Zugänglichkeit der Akten darf nicht in Frage gestellt werden.
Das Gespräch führte Cornelia Sachse

Programmtipp: Die Sendung "Wir haben keine Freude daran und spätere Historiker auch nicht" - Der Kampf um die Stasi-Akten von Gerald Endres läuft am Mittwoch, 12.2.2014, um 19:30 Uhr.