ZDF-Film

"Herr Hitler hätte das sofort unterbunden"

Die Schauspieler Gisela Schneeberger, Edgar Selge, Iris Berben, Udo Samel und Jeff Burrell präsentieren den ZDF-Film "Das Zeugenhaus", der am 24. November ausgestrahlt wird.
"Das Zeugenhaus" im ZDF mit (von links) Gisela Schneeberger, Edgar Selge, Iris Berben, Udo Samel und Jeff Burrell © dpa / picture alliance / Jörg Carstensen
Von Svenja Petzel · 24.11.2014
Heute zeigt das ZDF den Film "Das Zeugenhaus" über die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Berliner Schüler haben ihn vorab gesehen - eine etwas andere Geschichtsstunde mit schockierenden Momenten.
Etwas müde sitzen die Mädchen und Jungs an diesem Vormittag in dem kleinen Klassenzimmer des Archenhold-Gymnasiums in Berlin-Schöneweide. Die Zehntklässler haben in den letzten Wochen gemeinsam mit ihrer Lehrerin im Unterricht das Thema Nationalsozialismus behandelt. Deshalb fanden alle die Idee gut, den Film "Das Zeugenhaus" anzusehen, bevor er heute Abend im ZDF läuft.
(Filmszene) "In ein paar Wochen machen wir den größten lebenden Kriegsverbrechern den Prozess. Dafür brauchen wir Zeugen. Von den Zeugen hängt alles ab. – Und die Zeugen sollen hier wohnen? – Hier werden einige Menschen wohnen, von denen wir uns Informationen erhoffen über das, was geschehen ist. Informationen, die wir dringend brauchen. Ohne diese Informationen gibt es keine Urteile und keine Gerechtigkeit."
"Das Zeugenhaus" erzählt eine wahre Geschichte, von der jahrzehntelang kaum jemand wusste. Der Film beruht auf dem gleichnamigen Buch von Christiane Kohl aus dem Jahr 2005. Während der Nürnberger Prozesse waren die geladenen Zeugen alle in einem Haus untergebracht. Insgesamt logierten hier über 100 Menschen in den Jahren 1945 bis 1948. Opfer saßen neben Tätern, NS-Kriegsverbrecher neben Auschwitz-Überlebenden am Abendbrottisch. Die Gespräche, die dabei zwangsläufig entstanden sein müssen, stellt der ZDF-Spielfilm eindrucksvoll nach. Und manchmal sind sie nur schwer auszuhalten:
(Filmszene) "Und wie erklären Sie sich bitte, dass Herr Hitler von all dem keine Kenntnis hatte? – Natürlich hatte er Kenntnis. Er war zu jedem Zeitpunkt genauestens informiert. – Das ist ausgeschlossen. Herr Hitler hätte das sofort unterbunden. Grausamkeit entsprach gar nicht seiner Natur. Er konnte ja nicht einmal Blut sehen."
Ungebrochene naive Hitlerverehrung
Hitlers Leibfotograf, gespielt von Udo Samel, gehört zu den Zeugenhaus-Bewohnern, die sich unverbesserlich am NS-Regime festklammern. Ebenso seine Tochter, dargestellt von Rosalie Thomas. Vor allem ihre Herrenmenschen-Attitüde, ihre Überheblichkeit gegenüber den Opfern, ihre naive Hitlerverehrung bereiten dem Zuschauer fast Übelkeit. Trotzdem bleiben die Figuren auch menschlich, findet Edgar Selge, der im "Zeugenhaus" einen KZ-Überlebenden spielt:
"Wenn ich den Film sehe, dann bin ich erstaunt, erschrocken, dass die Menschen unmittelbar nach der Katastrophe eigentlich nur überleben können, indem sie sich an ihren Lügen festhalten. Dass der Film das zeigen kann, ohne sie moralisch zu verurteilen, ohne moralisch zu werten, sondern die Wertung ganz beim Zuschauer lässt, das finde ich eigentlich das Ergreifendste an diesem Film."
Schillernd ist auch die zentrale Figur der Gräfin Belavar, die als Hausdame im Auftrag der Amerikaner das Zeugenhaus managt. Iris Berben spielt diese Dame aus altem Adel überzeugend mit winzig kleinen Gesten und minimalistischer Mimik, was manchmal beim Drehen nicht ganz leicht war:
"Ich habe schon hin und wieder gedacht: Bewegt sich eigentlich irgendetwas bei mir? Obwohl man natürlich die ganze Zeit vor Ort ist und man hofft, dass es möglich ist, natürlich das auch in den Augen zu lesen, in winzig kleinen Momenten einer Körperbewegung. Aber es war eine Herausforderung. Ja."
Ein bisschen wenig Aktion
"Das Zeugenhaus" würde auch als Theaterstück funktionieren, als Kammerspiel. Die meiste Zeit spielt der Film im heute noch existierenden Haus in der Nürnberger Novalisstraße 24. Für die Schüler der zehnten Klasse ein bisschen wenig Aktion, wie sie sagen. Nach hundert Minuten brauchen die Jugendlichen dringend eine Pause. Lehrerin Katrin Hahn, die seit 25 Jahren Geschichtsunterricht gibt, ist dagegen richtig bewegt:
"Ich finde aber auch, weil ich dachte, ich weiß schon alles, diese Aussage von Marie, wenn kein Gas mehr da ist, dann werden die wirklich bei lebendigem Leib verbrannt, da ist mir auch dieses ‚oh Gott' entfahren. Trotz Film und Klasse, aber das war für mich völlig schockierend."
Nach 20 Minuten Pause trudeln die Zehntklässler nacheinander im Klassenzimmer ein. Der etwas andere Geschichtsunterricht geht an diesem Vormittag weiter. Alle sollen sagen, wie ihnen der Film gefallen hat:
(Schüler 1) "Man konnte sich besser vorstellen, als im Unterricht vielleicht der Fall gewesen wäre. Aber ein bisschen Vorwissen sollte man schon vorher haben, damit man so den Hintergrund versteht. Ich fand den so ein bisschen auch in die Länge gezogen."
(Schüler 2) "Ich fand den Film sehr gut, da er viele Konflikte ineinander hatte, dass eine Person oder ein Charakter vorgestellt wurde, der dann im Nachhinein doch nicht der genannte Charakter war und verschiedene Geheimnisse hatte. Dadurch fand ich den sehr spannend."
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