Zampano der Ausstellungsmacher

Von Carsten Probst · 26.07.2006
Bekannt geworden ist der Ausstellungsmacher Jan Hoet bereits durch große PR-Aktionen, beispielsweise für die documenta in Kassel. Auch stieg schon er in den Boxring, um so angeblich für die Kunst zu kämpfen. Und er hatte die Erkenntnis, dass man Kunstausstellungen wie die Bundesliga und Waschmittel bewerben kann. Ohne Jan Hoet, könnte man zugespitzt sagen, gäbe es keine Straßenfeger-Ausstellungen wie das "MoMA" in Berlin.
Spätestens seit der 9. documenta in Kassel war Jan Hoet der große Zampano der Ausstellungsmacher, die Verkörperung von so genannter "U-" und "E"-Kultur und allem, was damals, 1992, als postmodern "hip" galt, ohne Scheu vor Geschmacksgrenzen. Es war die erste documenta nach der Wiedervereinigung, und alle Welt fragte sich, wie würde diese größte Kunstschau der Welt mitten in der deutschen Provinz wohl auf diese politischen Weltereignisse reagieren.

Schließlich war die documenta selbst ja in ihren Anfängen so etwas wie ein Produkt des Kalten Krieges. Die Antwort also der documenta auf die Wiedervereinigung lautete schlicht und ergreifend: nichts ist. Keine Reaktion. Jan Hoet als künstlerischer Leiter ist ein erklärter Gegner politischer und theoretischer Überfrachtung der Kunst schlug allen kunstfremden Erwartungen ein Schnippchen und nutzte die Gunst der Stunde lieber für ein Plädoyer in die andere Richtung: Die Menschen sollen Kunst wieder genießen können, Kunst dürfe sich nie vom Leben entfernen, sondern müsse mitten darin stehen. Der Belgier, den man daraufhin wechselweise schon als den "Rudi Carrell" oder auch als "Mick Jagger unter den Kunstkuratoren" bezeichnet hat und der jüngst seinen siebzigsten Geburtstag beging, bekannte sich damals wollüstig zur Spektakelgesellschaft. Weil sie, seiner Meinung nach, eben die Realität war.

Um neues Publikum in die als elitär verschrieene Kasseler Großausstellung zu locken, startete er noch größere PR-Aktionen, stieg unter anderem in einen Boxring, um so angeblich für die Kunst zu kämpfen. Eigentlich begründete Jan Hoet damals die Erkenntnis bei vielen Museumsleuten, dass man Kunstausstellungen wie die Bundesliga oder wie Waschmittel bewerben kann, und es funktioniert. Ohne Jan Hoet, könnte man heute zugespitzt sagen, gäbe es keine Straßenfeger-Ausstellungen wie "Das MoMA in Berlin".

Aber vielleicht war ja das die eigentliche Botschaft von Jan Hoets documenta in Zeiten der politischen Großereignisse: Vielleicht war das Ende des Kalten Krieges noch allzu unfassbar damals, und jetzt hieß es erst einmal, den Augenblick zu genießen. Es war die Zeit, in der Kunst selbst mitunter von Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr zu unterscheiden war. Jonathan Borowskis miserable Großskulptur eines Mannes, der einen schrägen Pfahl in den Himmel hinaufläuft, steht seit damals immer noch vor dem Kasseler Hauptbahnhof, weil sie den Stadtvätern bei der Aufbesserung des Kasseler Provinz-Images hilft.

Nach fast 25 Jahren des Kampfes konnte Jan Hoet schließlich 1999 endlich auch sein eigenes Museum in seiner Heimatstadt Gent eröffnen. Von da an war er als Gründungsdirektor von Festivals oder Museen ein gefragter Mann. 2001 wurde er an das neu zu schaffende Museum für zeitgenössische Kunst, das sogenannte "MARTa" in Herford berufen, das letztes Jahr eröffnet wurde. Irgendwie liebt er die Provinz. Hier lassen sich mit Kunst noch kleine Aufreger und Skandale inszenieren, wie 2004 mit dem Norweger Bjarne Melgaard, der mit seiner Installation angeblich gegen das Jugendschutzgesetz verstieß. Solche Kämpfe sind Jan Hoet wohl immer noch die liebsten.