YouTube

"Unangemessene Ausnutzung der hiesigen Marktstellung"

Das Logo des Videoportals YouTube ist auf einem i-Phone zu sehen, aufgenommen am 23.08.2012 in Berlin.
Das Logo des Videoportals YouTube © picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert
Reinher Karl im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 18.09.2014
YouTube will einen Streaming-Dienst starten, stößt aber auf den Widerstand unabhängiger Musikunternehmen. Die Google-Tochter habe den Labels einen inakzeptablen Vertrag vorgelegt, sagt Reinher Karl vom Branchenverband VUT.
Stephan Karkowsky: In Hamburg, da läuft seit gestern das Reeperbahn-Festival. Das nutzen auch Indie-Bands gern zum Live-Kontakt mit dem Publikum und natürlich zur Selbstdarstellung ihrer Label, also ihrer Plattenfirmen. Parallel wird auf Panels diskutiert über die Zukunft der Musikbranche, auch über Streaming, denn ein Großteil der Musik kommt mittlerweile aus dem Netz – was wiederum völlig neue Bezahlmodelle erfordert.
Damit die Indie-Künstler dabei nicht leer ausgehen, verhandelt ihr Dachverband für alle gemeinsam mit den Streaming-Konzernen. Und wie das abläuft, das kann uns der Hamburger Rechtsanwalt Reinher Karl verraten. Erst ist Justiziar des VUT, des Verbandes unabhängiger Musikunternehmen. Herr Karl, guten Tag!
Reinher Karl: Guten Tag!
Karkowsky: Die Streaming-Platzhirsche sind bekannt, die heißen Spotify, Simfy oder Napster, aber auch YouTube hat schon lange einen Streaming-Dienst angekündigt, den YouTube Music Key. Nun las ich unlängst im "Guardian", vor allem die harte Haltung der Independent-Label habe den Start bislang verzögert. Worüber streiten sie sich denn mit YouTube?
Karl: Erst mal würde ich sagen, da haben Sie nicht alle Artikel des "Guardian" gelesen, da standen nämlich auch noch Artikel, in denen durchaus Verständnis für die Haltung der Independents geäußert wurde gegen eine ziemlich, wie wir finden, grobe Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Es geht um Folgendes: YouTube ist ziemlich spät dran mit einem Streaming-Service. Wie Sie erwähnt haben, Spotify, Deezer Audio gibt es schon in diversen Territorien, und die bieten ihren Nutzern gegen eine Gebühr von in der Regel zehn Euro oder Dollar an, Musik hören zu können, und zwar den gesamten Weltkatalog, so lange sie wollen, so oft sie wollen, so lange dieses Abo besteht, unter anderem Downloads. So etwas plant offensichtlich Google auch mit YouTube, nur dass YouTube die Sache verknüpft hat und den Independents, nachdem sie mit den Major-Labels – die Major-Labels bezeichnen wir die großen drei Konzerne ...
Karkowsky: Sony, Universal und ...
Karl: Warner ... Und alle anderen sind die Independents, also eine Vielzahl, die von Merlin sich oft vertreten lassen in Verhandlungen.
Karkowsky: Merlin ist?
Karl: Merlin ist eine Agentur, würde ich sagen, die gegründet wurde im Interesse der Nutzer und der Services auch, um eben aus einer Hand vorzuverhandeln, weil es andererseits natürlich sehr schwer wäre oder sehr aufwändig für einen Service, mit der Vielzahl an Independents – weltweit gibt es Tausende von Labels – verhandeln zu müssen.
Karkowsky: Da sind Sie dabei nun – mit den Majors hat sich YouTube sehr schnell geeinigt, warum nicht mit Ihnen?
Karl: Weil offensichtlich YouTube nicht bereit war, überhaupt in die Verhandlungen in erforderlichem Umfang einzutreten, sondern es lief anders. Es wurde den Independent-Labels, und zwar den einzelnen, ein Vertrag vorgelegt, den sie unterschreiben sollten, der mehr oder weniger nicht verhandelbar war. Und dann haben wir mitbekommen beziehungsweise die Associations der Independents – also deutschlandweit, europaweit und weltweit gibt es auch einen Verband –, dass immer mehr nicht bereit waren, den zu unterschreiben, weil die Konditionen schlichtweg aus ihrer Sicht nicht akzeptabel waren.
Karkowsky: Waren das schlechtere Konditionen als für die Major-Labels?
Karl: Ich kenne jetzt nicht die Konditionen der Major-Labels, aber offensichtlich waren sie das. Entscheidend war, dass sie nicht verhandelbar waren, dass sie wahrscheinlich ungünstiger waren als die Angebote der Mitbewerber, mit denen man zusammenarbeitet, und deswegen wollte man den nicht unterschreiben und hat dann, was durchaus normal ist, freundlich abgelehnt und gesagt, unter diesen Bedingungen werden sie ihre Rechte und Lizenzen nicht zur Verfügung stellen.
"Ein schlimmer Einschnitt für die Independents"
Karkowsky: Gut, das heißt dann, dass die Indie-Labels nicht gespielt werden künftig auf YouTube?
Karl: Das heißt, dass die Indie-Labels von sich aus verzichtet haben und gesagt haben, diesen Service werden wir nicht lizenzieren. Und dann ist aber etwas passiert, was die Sache relevant machte eben in kartellrechtlicher Hinsicht, weil YouTube den Druck dadurch erhöht hat, dass sie gesagt haben, wenn ihr hier nicht mitmacht und auf unsere Bedingungen nicht eingeht, dann sperren wir euch bei unserem bekannten YouTube-Video-Streamingservice, den jeder kennt, YouTube, das kostenlose. Das ist natürlich für die Independents und für jedes Label ein, ja, ein schlimmer Einschnitt, den sie eigentlich nicht akzeptieren können.
Karkowsky: Weil YouTube nicht ganz unwichtig ist, 150 Millionen Zuschauer, gerade für die virale Verbreitung von Musik spielt das eine zentrale Rolle. Ich setz jetzt mal die Hörner auf und frage: Sollte nicht jede Indie-Band froh sein über ein solches Marketinginstrument?
Karl: Selbstverständlich. Die Independents und alle Indies, die arbeiten seit Langem schon und völlig reibungslos mit YouTube zusammen und nutzen das natürlich gerne, die brauchen das auch, haben sich dran gewöhnt, und diese Beziehung ist eigentlich völlig unbelastet, das ist nicht das Problem, das Problem ist ein anderes. Das Problem ist, was passiert, wenn YouTube – wie wir alle wissen, eine Tochter von Google –, sagt, wenn ihr nicht unseren anderen Service zu unseren Konditionen akzeptiert, dann sperren wir euch aus unserem zweiten Service, der für euch ja, wie wir wissen, sehr wichtig ist.
Karkowsky: Nur habe ich gehört, dass YouTube aber wieder am Tisch sitzt mit den Independent-Labels – stimmt das und wie ist das erreicht worden?
Karl: Das stimmt. Tatsächlich war das, glaube ich, die erste Aktion, an die ich mich erinnern kann, in der wirklich die Independents übergreifend, nicht nur europäisch, sondern auch weltweit zusammengerückt sind und dann diesen Umstand öffentlich gemacht haben mit diversen Presseerklärungen und so den öffentlichen Druck zumindest auf YouTube dadurch erhöht haben, dass sie diesen Umstand als klaren Kartellrechtsverstoß oder vor allem als wirklich unangemessene Ausnutzung der hiesigen Marktstellung, die YouTube hat, angeprangert hat. Es gab Pressekonferenzen und so weiter.
Karkowsky: Nur ist YouTube eine Tochterfirma von Google, Google hat einen eigenen Streaming-Dienst namens Google Play, da wird auch Musik drüber abgespielt – waren die Verhandlungen denn da ähnlich schwierig?
Karl: Ich kann jetzt über die direkten Verhandlungen wenig sagen. Ich gehe nicht davon aus, dass dieser Service eben bedient wird und wahrscheinlich nicht von allen, aber von vielen, jedenfalls wurden da Einigungen erzielt.
Karkowsky: Was glauben Sie denn, wie am Ende alles ausgehen wird? Wird man sich einigen mit YouTube, weil noch ist er ja nicht, wie sagt man, online, der Musikkanal?
Karl: Also ich gehe davon aus, dass eine Einigung erzielt werden wird, weil man inzwischen, glaube ich, die Erkenntnis gewonnen hat, dass kein Service sich am Markt etablieren kann, wenn er auf das Repertoire der Independents verzichtet.
Karkowsky: Dann können wir nur hoffen, dass in die Streaming-Szene jetzt Bewegung kommt. Mit YouTube will sich bald auch die größte Musikvideoplattform einmischen. Über die doch wohl schwierigen Verhandlungen mit dem Giganten sprachen wir mit Reinher Karl, er ist Justiziar des VUT, des Verbandes unabhängiger Musikunternehmen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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