Yiddish Summer Weimar 2015

Hochkarätiges Festival der jüdischen Kultur

Die deutsche Schauspielerin Juliette Schenkel (l) und die italienische Schauspielerin Silvia Sassetti stehen am 18.07.2015 während der Fotoprobe für das Stummtheater "Golem" in Weimar (Thüringen) hinter einer Leinwand auf der Bühne.
Zwei Schauspielerinen während der Fotoprobe für das Stummtheater "Golem" in Weimar © picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert
Von Wolfram Nagel · 31.07.2015
Der Yiddish Summer in Weimar ist inzwischen eine feste Größe im internationalen Festival-Kalender geworden. Seit 15 Jahren gibt es das vier Wochen dauernde Lern- und Konzert-Festival - deshalb lautet das Motto auch "Yiddishkayt Revisited".
Mittagspause in der Musikschule Ottmar Gerster in Weimar. Die im Kreis aufgestellten Stühle in der Aula sind leer. Ein Mann sitzt am Flügel und spielt, ganz für sich. Es ist Ilya Schneyveys aus Riga, Dozent für traditionelle Klezmer-Musik. Schon als Kind kam er mit der jiddischen Sprache in Berührung.
"Also von meinem Großvater und meiner Mutter. Ich verstehe Jiddish, weil ich hab sehr viel jiddische Musik gespielt, nicht so viel gesungen, aber viel begleitet. Ich bin beschäftigt mit jiddischer Musik seit 12 Jahren, so was."
Seit 2006 kommt Ilya jedes Jahr nach Weimar, um zu unterrichten und um selbst zu lernen.
Religiös ist er nicht, gibt er freimütig zu.
"Aber die kulturelle Seite der jüdischen Tradition fasziniert mich schon seit Jahren."
Die Aula füllt sich. Etwa dreißig Schüler finden sich zum Workshop ein. Es geht um das jiddische Lied. Dozentin Sasha Lurje spielt einen traditionellen jiddischen Gesang ein. Die Schüler ahmen die Stimme nach.
Kummer und Sehnsucht auszudrücken
Es gehe um den riesigen Stimmumfang der traditionellen Sänger und Sängerinnen, um Stimmbildung, Kopf und Bruststimme, um die Möglichkeit, Gefühle wie Kummer und Sehnsucht auszudrücken, sagt Sasha.
"Wie sie ihre Stimme benutzen und was wir können daraus nehmen. In diesem Workshop, in diesem Festival jetzt hier, unsere große Frage ist: Was macht ein Lied richtig jiddisch?"
Was ist ein jiddisches Lied?
Sasha Lurje kommt ebenfalls aus Lettland. Sie ist in allen Musikformen und im Theater zu Hause. Mit ihrer Band Forshpil tourt sie durch ganz Europa, aber auch durch Russland und Kanada. Der Yiddish Summer in Weimar ist ohne sie kaum vorstellbar.
"Diese unbegleitete Ballade, die ist ein sehr wichtiger Teil von jiddischer Kultur, der noch nicht sehr erforscht ist. ... die Lieder sind unglaublich schön. Die sind Lieder über Leute und Gefühle, über Liebe, Familienbeziehungen oder so was. Über menschliche Beziehungen und die bleiben immer dieselben für alle Leute gleich."
Lernwerkstatt für jiddische Kultur
Der Yiddish Summer ist kein Bühnenfestival wie bspw. das Folk-Festival in Rudolstadt. Vielmehr hat sich in Weimar eine Lernwerkstatt für jiddische Kultur etabliert, wie es sie wohl kaum noch einmal auf dieser Welt gibt, sagt Teilnehmer Olaf Ruhl aus Berlin, ein evangelischer Theologe.
"Was so das künstlerische und wissenschaftliche Niveau angeht, ist Weimar, ich würde sogar sagen weltweit absolut top."
Gründer des Weimarer Festivals ist Alan Bern. Der jüdische Musiker aus den USA lebt schon lange in Berlin und beeinflusst mit seinem Charisma die Jiddisch- und Klezmerszene in ganz Deutschland.
"Es gibt inzwischen so was wie die Weimarer Schule."
Längst sei der Yiddish Summer ein Leitfestival für jiddische Musik und Kultur in Europa geworden, ist sich der promovierte Philosoph sicher. In diesem Sommer möchte er zurück blicken auf das, was sich in Weimar entwickelt hat.
"Ich meine, wir sind hier schon seit 15 Jahren. Es kommen jedes Jahr über 200 Teilnehmende, und über 40 oder 50 DozentInnen, und noch andere Bands, also noch mal 50 oder 60 Künstler, und ich weiß nicht, was man noch machen muss, um zu zeigen, dass wir schon ein zentrales Festival sind, außer, dass wir die finanzielle Unterstützung, die wir eigentlich brauchen, nicht haben."
Mehr Fuß in den Gemeinden fassen
Auch in der jüdischen Welt der Synagoge ist der Yiddish Summer bisher kaum angekommen, zumindest nicht in Deutschland, bedauert Alan Bern. Versuche, bspw. in den Gemeinden mehr Fuß zu fassen, scheiterten bisher.
"Es kann sein, dass wir jetzt gerade dabei sind, etwas mehr Anerkennung und Unterstützung von der jüdischen Welt hier in Deutschland zu bekommen, das internationale Ansehen genießen wir seit zehn Jahren, wir bekommen auch Mittel von Kanada und von den USA, wir haben auch Mittel von der Europäischen Union bekommen, auch von jüdischen Stiftungen, Rothschild - Foundation usw., aber eine richtige, produktive Beziehung auf Augenhöhe zwischen uns und jüdischen Einrichtungen in Deutschland gibt es noch nicht. Hoffentlich sind wir auf dem Weg dahin. Das ist auf jeden Fall mein Wunsch, dass so was entsteht."
Swetlana Kundish: "Die jüdische Welt ist leider sehr konservativ, so war das immer und so bleibt es auch heute."
Swetlana Kundish gehört zu den musikalischen Lichtgestalten von Weimar. Die in Israel aufgewachsene Jüdin aus Russland studiert seit drei Jahren am Abraham Geiger Kolleg. Ihr Kantoren-Praktikum absolviert sie in der jüdischen Gemeinde Braunschweig. Nach Weimar kam sie als Schülerin. Nun ist sie gefragte Dozentin.
Inspiriert von Alan Bern oder Joshua Waletzky
"Hier habe ich am meisten gelernt und alles was ich sonst im Leben mache, auch meine Kantorenausbildung, alles hat Wurzeln hier in Weimar. Und die Leute, die hierher kommen, um zu unterrichten sind die besten Profis, die es in diesem Bereich auf der Welt gibt."
Demnächst erscheint Swetlanas erste CD mit "Voices of Ashkenaz", eine Band, die sie zusammen mit der amerikanischen Geigerin Deborah Strauss, dem bekannten Gitarristen Andreas Schmitges und dem Bassisten Thomas Fritze gegründet hat. Auch andere Gruppen wie "Alpenklezmer" gehen auf den Yiddish Summer zurück.
"Natürlich gibt es hier viele Freunde und Kollegen und dieser Austausch ist mir auch sehr wichtig. Aber vor Allem komme ich her zu lernen, immer neue Lieder in mein Repertoire zu holen und mich weiter zu entwickeln."
Inspiriert von Musikern wie Alan Bern oder Joshua Waletzky, ein amerikanischer Filmemacher und Schöpfer neuer jiddischer Lieder.

Yiddish Summer Weimar - bis zum 16. August. Vom 11. bis 15. August wird unter anderem auch eine Dokumentarfilmreihe mit Filmen von David Kaufmann gezeigt. Am letzten Abend des Yiddish Summer tritt der "Jüdische Chor Wien" in Weimar auf. Und erstmals finden zwei Konzerte in den Museen Alte und Kleine Synagoge Erfurt statt.

Die CD "Crossing the Shadows" von Joshua Waletzky kann unter der Mailadresse josh.waletzky@yahoo.com bestellt werden und kostet 15 US-Dollar plus Versandkosten.

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