Wuppertal

Tod des Ensembles

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Der Wuppertaler Opernintendant Toshiyuki Kamioka vor dem Opernhaus in Wuppertal. © picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd
Von Stefan Keim · 14.03.2014
Die Wuppertaler Oper wird in der nächsten Saison ohne fest angestellte Sänger arbeiten, also ohne eigenes Ensemble. Die Stadt Wuppertal hatte das dementiert. Und gelogen: Für jedes Stück werden jetzt Gäste engagiert.
Es gibt auch keine Kapellmeister mehr, denn die hätten gar keine Arbeit. Der neue Opernchef Toshiyuki Kamioka dirigiert drei von fünf Neuproduktionen selbst, für die anderen beiden hat er Gastdirigenten engagiert. Auch hinter der Bühne wird das Personal reduziert. Wenige Leute sollen in Zukunft alles machen. Marketing, Pressearbeit, Betriebsbüro, Schulkontakte, Vermittlungsangebote. Eine Hausdramaturgie gibt es auch nicht mehr.
Die Wuppertaler Oper orientiert sich an der Organisationsform von Musiktheatern in Belgien und den Niederlanden. Dort gibt es im künstlerischen Bereich nur fest angestellte Chorsänger und Orchestermusiker. Das hat den Vorteil, dass für die einzelnen Stücke Spezialisten engagiert werden, was das musikalische Niveau steigern könnte. Doch hier geht es nicht um die Kunst. Wenn Sänger nicht vor Ort leben, leidet der Kontakt in die Stadt. Bisher hat die Oper Wuppertal versucht, Themen zu finden und Stücke zu entwickeln, die auch mit der Umgebung zu tun haben. Toshiyuki Kamioka dreht das Rad nun zurück. Er präsentierte heute einen Opernspielplan ohne eigenen Charakter.
Spielplan mit Schrumpfensemble
Die Stücke zählen fast alle zum eisernen Repertoire des Spielplans. Puccinis "Tosca", Mozarts "Don Giovanni", Wagners "Parsifal", die "Salome" von Richard Strauss. Eine szenische Aufführung der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach gilt woanders als normal, für Kamioka ist das ein Wagnis. Auf die Frage, warum er so einen mutlosen Spielplan vorlegt, antwortet der neue Intendant, er müsse einfach das Haus füllen. Sicherheit sei ihm wichtiger als Experimente. Das entspricht den Vorgaben des Wuppertaler Stadtrats. Auch die neue Schauspielintendantin Susanne Abbrederis, die ihren Spielplan Anfang Mai vorlegen wird, muss mit einem Schrumpfensemble 75 Prozent Platzauslastung erreichen.
Aufregende Regisseure sind nun auch in der Oper nicht gefragt, sondern Routiniers und Handwerker. Im Vergleich zur bisherigen Intendanz Johannes Weigand, der viele Uraufführungen, Raritäten und Projekte gezeigt hat, ist das besonders bitter. Eine Peinlichkeit immerhin wurde in letzter Sekunde abgewendet. Kamioka wollte für die Weihnachtszeit ein bereits vorhandenes Musical einkaufen, das die Produktionsfirma seines neuen Stellvertreters Joachim Arnold heraus gebracht hat. Das wurde von Gewerkschaften und vielen anderen als zumindest zweifelhaft kritisiert. Oberbürgermeister Peter Jung, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Wuppertaler Bühnen ist, zog die Reißleine und sagte das Musical ab.
Stadttheater könnten ins Wanken geraten
Ein Opernstudio mit sechs bis sieben jungen Sängern, die frisch aus der Ausbildung kommen, ist neu in Wuppertal. Sie sollen kleine Rollen übernehmen, sind aber auch nicht fest angestellt. Es klingt alles sehr billig, langweilig und feige. Kamioka und Arnold zerstören die Strukturen eines Stadttheaters, nicht um künstlerische Freiheiten zu bekommen, sondern ausschließlich um Geld zu sparen. Mit einem ähnlichen Spielplan im Stil der 50er-Jahre hat schon vor einigen Jahren Christine Mielitz in Dortmund versucht, die Zuschauerzahlen zu steigern.
Sie ist grässlich gescheitert. Man kann nur hoffen, dass Toshiyuki Kamioka wirklich ein hohes musikalisches Niveau erreicht. Sonst versinkt die Wuppertaler Oper vollständig in der Bedeutungslosigkeit. Inhaltlich ist sein Spielplan eine glatte Nullnummer. Doch nicht nur für Wuppertal droht Gefahr: Wenn die Ensemblelosigkeit wirtschaftlich Erfolg hat, könnten andere Städte in Finanznot dieses Sparmodell kopieren. Und dann könnt e das zu Recht so gerühmte deutsche Stadttheater wirklich ins Wanken geraten.
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