Workoholic mit schwarzem Humor

Von Martin Becker · 06.01.2011
Nicht nur in Israel, sondern auch international, ist Assaf Gavron ein sehr erfolgreicher Autor: Sein Roman "Ein schönes Attentat" hat ihn in Deutschland bekannt gemacht. Gavron schreibt aber nicht nur. Seine Band "Mouth and Foot" genießt in seiner Heimat Kultstatus.
"Zum Fußballspieler hat es bei mir nicht gereicht, obwohl ich später sogar Spieler in der israelischen Autorennationalmannschaft geworden bin. Aber der Wunsch, Popstar zu werden, hat sich gehalten. Bis wir kapiert haben, dass wir dafür einfach nicht die richtige Musik spielen."

Mit seiner Spaßpopband "Mouth and Foot" macht Assaf Gavron als Sänger und Songwriter nach wie vor Musik: Seit dem Gründungsjahr 1989 sind vier Alben erschienen, alle sechs Jahre eines. Statt Popstar ist er allerdings doch Schriftsteller geworden. Er sitzt im Zimmer seiner dreijährigen Tochter mit Blick auf einen typischen Berliner Hinterhof. Im ersten Moment wirkt der schlaksige 42-Jährige etwas müde – er arbeitet viel und ist vor kurzem zum zweiten Mal Vater geworden. Auf dem pinkfarbenen Kinderstuhl, auf dem er in Jeans und legerem Hemd sitzt, verbreitet er eine sympathische Mischung aus Ironie und Gelassenheit.

"Mir gefällt der realistische Roman, aber in seinen Grenzen spiele ich gern mit unterschiedlichen Genres. Das mag ich als Leser und als Schreibender. Ich versuche immer, mich über die konventionellen Erwartungen und Regeln von Genres hinwegzusetzen. Ich finde es spannender so."

Assaf Gavron hat nie geplant, Schriftsteller zu werden. Ihm fiel einfach nach dem dritten Buch auf, dass er nun einer war. Seine Bücher sind Bestseller, trotz sperriger, düsterer Themen wie dem Nahostkonflikt, Terrorismus, ökologischen Katastrophen. Er benutzt schwarzen Humor, um von schweren Themen leichtfüßig zu erzählen. In Israel, sagt er, habe man auch keine andere Wahl, als im Angesicht des Schreckens dennoch zu lachen. So wie man dort auch keine andere Möglichkeit habe, als politisch zu schreiben.

"Israel ist immer politisch. Du kennst deine Meinung, die Meinung deiner Eltern. Ich weiß noch, schon als Kinder haben wir über Politik gestritten. Links, Rechts. Frieden, Krieg."

Aufgewachsen ist er als Sohn englischer Einwanderer in Jerusalem. Nichts Ungewöhnliches für einen Israeli in seinem Alter, sagt Assaf Gavron. Doch habe er sich geschämt, für den hartnäckigen Akzent seiner Eltern, den sie bis heute nicht abgelegt haben. Nach Schule und Armee studierte er Medienwissenschaften in England, wurde Journalist, schrieb für eine Jerusalemer Lokalzeitung Falafel-Kritiken. Schon die wurden zusehends literarischer. Und irgendwann setzte er sich hin und begann einfach, eine Geschichte zu schreiben: seinen ersten Roman, "Eis". Anschließend hat er noch drei weitere Romane und eine Sammlung mit Short Storys veröffentlicht. Und er übersetzt aus dem Englischen, etwa Philip Roth oder J. D. Salinger.

"In letzter Zeit habe ich nicht soviel übersetzt, weil ich nicht mehr muss. Ich habe es auch aus finanziellen Gründen getan. Aber wenn es von Zeit zu Zeit ein interessantes Projekt gibt, dann mache ich es."

Eine Weile hat Assaf Gavron sein Geld in einem Technologieunternehmen verdient und morgens vor der Arbeit geschrieben. Mittlerweile kann er vom Schreiben allein leben: Die Auslandslizenzen seiner Romane verkaufen sich gut, und er bekommt Stipendien. Normalerweise lebt er mit seiner Familie in Tel Aviv. Seit Februar 2010 verbringt er im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms des DAAD ein Jahr in Berlin.

"Es ist cool und groß, und es gibt Millionen Dinge zu tun. Ich führe hier ein Familienleben und arbeite, wann ich kann, zu Hause. Soviel komme ich nicht herum. Ich genieße das Jahr wirklich, aber länger werde ich nicht bleiben."

In England, wo Assaf Gavron insgesamt zehn Jahre verbracht hat, fiel es ihm leichter: Dort beherrschte er die Sprache. Seine kleine Tochter, erzählt er lachend, spricht inzwischen besser Deutsch als seine Frau und er. Allerdings nur in ihrem deutsch-israelischen Kindergarten und niemals zu Hause – das sieht sie nicht ein. Seine zweite Tochter ist in Berlin zur Welt gekommen. Sein Verhältnis zu Deutschland ist ziemlich entspannt.

"Meine Eltern waren vor zwei Wochen zu Besuch. Für meine Mutter war es das erste Mal in Deutschland. Sie haben sich sehr jüdisch gefühlt, sagten sie. Ich denke nicht viel darüber nach. Anders als viele Israelis bin ich in keiner Holocaustfamilie aufgewachsen. Meine Eltern sind Engländer und haben den Holocaust nicht erlebt."

Nur wenn er sehr alte Menschen im Bus sieht, fragt sich Assaf Gavron manchmal, auf welcher Seite sie wohl im Dritten Reich standen. Aus reiner Neugierde. In seinem Jahr in Deutschland kommt er viel herum, liest in verschiedenen deutschen Städten, in Buchhandlungen und auf Literaturfestivals. Zuletzt ist "Alles Paletti" auf Deutsch erschienen, ein Roman über israelische Umzugshelfer in New York, ausnahmsweise kein explizit politisches Buch. Assaf Gavron steht vom pinkfarbene Plastikstuhl auf und verabschiedet sich freundlich. Gleich muss er seine kleine Tochter aus dem Kindergarten abholen.

"So bin ich, ich entspanne mich nie. Das ist wohl meine Art. Ob ich nun Student oder Familienvater oder Vollzeitautor oder Schriftsteller und Technologie-Manager bin: Ich arbeite immer zu viel. Und träume von der Zeit, in der ich gar nichts mehr tun muss."

Service:
Am heutigen 6. Januar liest Assaf Gavron in der "Anderen Buchhandlung" in Rostock aus seinem Roman "Alles Paletti". Beginn ist um 20 Uhr.