Woody Allen zum 80. Geburtstag

Meister der Neurosen

Woody Allen
Woody Allen mit Klarinette © dpa / picture alliance / epa Okten
Von Kai Clement · 01.12.2015
Gern kokettiert Filmregisseur Woody Allen damit, ein typischer Vertreter der New Yorker Mittelschicht zu sein. "Wenn ich verrückt wäre, wäre ich vielleicht besser", hat er mal über sich gesagt. Bleibt nur die Frage: Wie hat es der Mann zu vier Oscars gebracht?
Mal wippt ein Bein im Takt, mal hat er sie sogar überschlagen. Seine Augen hinter der markanten Brille hält Woody Allen geschlossen. Er spielt Klarinette, im Luxus-Hotel Carlyle, auf der gediegenen Upper East Side. Und das mit großem Enthusiasmus.
Seine Filme aber hasse er alle, hat Woody Allen einmal erklärt. Da hat er viel zu tun – über 50 Mal Regie. Über 70 Drehbücher. Alles unbefriedigend, so der selbst erklärte "Imperfektionist" und Faulpelz über seine vielen Fehler.
Kürzer treten, nicht mehr jedes Jahr ein Film – auch das keine Lösung.
"Das würde nicht helfen. Gar nicht. Ich habe ja nicht das Gefühl, oh, wenn ich mehr Zeit hätte, oder Geld, dann würde es besser laufen. Nein. Ich muss mit meinen Mängeln zurechtkommen, denen meiner Begabung, meines Charakters."
Wohl keiner flirtet so hingebungsvoll, so andauernd und so charmant mit Selbstzweifeln wie Woody Allen. Mit Versagensängsten. Und auch sonst Ängsten jeder Art. Ob sexuellen oder Beziehungsängsten oder der, einfach zu normal zu sein. Mittelschicht eben.
"Wenn ich verrückt wäre, wäre ich vielleicht besser. Bin ich aber nicht. Ich führe ein sehr vernünftiges Leben. Stehe morgens auf. Arbeite. Bringe die Kinder zu Schule. Steige aufs Laufband. Übe Klarinette. Es ist wirklich ein echtes Mittelschicht-Leben."
Mittelschichts-Dasein mit vier Oscars
Der Flirt mit dem Understatement gehört eben auch zu Woody Allen wie der Stadtneurotiker zu New York. Das vermeintliche Mittelschichts-Dasein beinhaltet schließlich vier Oscars, Auszeichnungen in Cannes und Berlin, mehrere Golden Globes.
Außerdem inzwischen drei Ehen, Beziehungen mit den Schauspielerinnen Diane Keaton und Mia Farrow und schließlich das Verhältnis mit einer Adoptivtochter von Mia Farrow – seit 18 Jahren ist er mit Soon-Yi Previn verheiratet. Ganz normale Mittelschicht eben. Immerhin ist die Arbeit erträglich.
"Sie ist keine öde Pflicht. Wenn man um sieben Uhr morgens beim Dreh ist. Und da sind Scarlett Johannson oder Emma Stone. Interessante Männer und schöne Frauen. Das ist angenehm. Aber ich nehme kein Heroin, um ekstatische Höhen zu erreichen."
Ein Sechsteiler für Amazon
Der Mann, der Verlässlichkeit schätzt, auf Reisen lieber verzichtet und für den schon ein neues Restaurant eine Zumutung ist, probiert rechtzeitig zum 80. dennoch etwas Neues. Ein Sechsteiler für Amazon. Ende nächsten Jahres soll die fertig werden. Ohne Vorgaben. Hauptsache Woody Allen. Klar ist: er kann – wie immer – nur scheitern. Peinlich dürfte es für seine Auftraggeber werden, erklärt der Berufspessimist.
Im diesem Stil der milden Verzweiflung sind von Woody, eigentlich Allen Stewart Konigsberg aus Brooklyn, noch viele Filme zu erwarten. Sein Vater wurde immerhin 100 Jahre alt.
Auch übrigens: Auch das Klarinettenspiel betreibe er zwar mit großer Begeisterung, doch nur geringem Talent, sagt er.
"Vor Jahren habe ich mal meine Klarinette zur Reparatur gebracht. 'Werde ich besser klingen', habe ich gefragt. Ja, sagte er, das werden sie, aber nicht so sehr wie sie wollen. Das ist eben die Wahrheit: Man bekommt nicht das, was man möchte."
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