Wolfgang Thielmann über Heinrich Bedford-Strohm

Ein Kirchenführer der Zukunft

Der neue EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm.
Der neue EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. © picture alliance / dpa / Arno Burgi
05.07.2015
Im Leben des neuen obersten deutschen Protestanten, Heinrich Bedford-Strohm, habe es nach seiner Entscheidung, Theologie zu studieren, keine Brüche gegeben, keine Zweifel am Glauben. Das meint Wolfgang Thielmann, Kenner der Evangelischen Kirche, im Interview.
Philipp Gessler: Der Journalist und Publizist Wolfgang Thielmann ist einer der profundesten Kenner der Evangelischen Kirche in Deutschland. "So geht evangelisch" heißt die neue Biografie. Meine erste Frage an Wolfgang Thielmann war, ob er – angesichts des auf den ersten Blick doch sehr geradlinigen Lebensweges des obersten deutschen Protestanten mit einer astreinen theologisch-wissenschaftlichen und kirchenpolitischen Karriere – irgendwelche Brüche im Leben von Heinrich Bedford-Strohm sieht.
Wolfgang Thielmann: Nein, er hat bei seinem Vater jemand kennengelernt, der absolut glaubwürdig für Menschen da war, und das hat bei ihm früh gezündet. Und dann war das eine Geschichte von Dingen, die er immer wieder neu erlebt hat. Das war das Studium – da war vielleicht ein Bruch, er hat ja zuerst Jura studiert, weil er Sorge hatte, in die Familienfußstapfen zu treten und dann in dritter Generation Pfarrer zu werden. Da kam erst mal Jura, dann kam ihm aber doch die Erkenntnis, sein Ding, sein Weg ist die Theologie, und dann ist er noch mal umgeschwenkt. Und ansonsten stellt sich das Leben so dar als eine Abfolge von Zugewinnen. Dann war das Studium in den USA, das ihm noch mal eine ganz andere Welt erschlossen hat, und so hat er sich die theologische Welt und die der Randgebiete, also auch Wirtschaft und so weiter, erarbeitet. Und ich glaube, dass besonders der Umgang mit Leuten, der begeistert ihn ja fast, dass das für ihn so ein Elixier war, was ihn bewogen hat, immer neue Leute mit immer neuen Interessen kennenzulernen.
Gessler: Diese Freundlichkeit, die Sie auch beschreiben, und diese Fähigkeit, immer wieder in neuen Situationen auch neue Freunde zu gewinnen, das scheint ihn ja – Bedford-Strohm – auszuzeichnen. Diese Freundlichkeit ist nach Ihrem Eindruck nicht professionell, sondern das kommt von ganz innen, oder?
Thielmann: Ja, den Eindruck habe ich, und da ist ein Rätsel, das nicht einmal seine Frau aufklären konnte, dass er aus der Begegnung mit Leuten nicht ermüdet hervorgeht, sondern mit frischen Kräften. Da hatte ich sehr den Eindruck, das ist echt. Also wenn er irgendwo echt ist, dann da – dass er neugierig ist auf andere Menschen, dass er auf Leute zugehen kann und dass er, wo er weggeht, eine Spur von Freunden hinterlässt.
Gessler: Das erinnert auch ein bisschen an Papst Franziskus. Auch dort sagt man immer wieder, die Begegnung mit anderen Menschen, die sind sein Lebenselixier, seine Kraftquelle.
Thielmann: Ja, ich glaube – und das war aber auch das, was ich erlebt habe in den Begegnungen, bei denen ich dabei war, von Bill Gates bis zu den Helfern in einer Kirchengemeinde –, da war von ihm aus so eine Zugewandtheit, eine Zugeneigtheit den Menschen, und das sprang wieder auf die Menschen über, und das hat er anschließend, wenn wir dann im Auto weiterfuhren, auch wieder als Gewinn mitgenommen.
Sein Glaube ist immer nur gewachsen
Gessler: Sie zitieren Bedford-Strohm mit diesem Satz: "Ich weiß, dass ich die Dinge manchmal zu positiv sehe." Das ist ja eigentlich ein seltsamer Satz. Hatten Sie manchmal den Eindruck, dass er sich sozusagen berauscht an seinem Optimismus?
Thielmann: Ich glaube, das ist etwas anderes. Er hat auch berichtet, dass sein Glaube eigentlich bisher eine geradlinige Entwicklung genommen hat, und die meisten Menschen, die an Gott glauben, haben irgendwann mal einen großen Bruch – dann kommt ein existenzieller Zweifel, da kommt etwas, was diesem Glauben einen ziemlichen Rückschlag zufügt –, das hat er nicht erlebt. Und ich habe da so einen Moment des Selbstfragens, ist das okay, dass ich noch keinen Bruch erlebt habe, und deswegen war das so ein Innehalten, ein Sichfragen. Dann aber sagt er wieder: Wenn das so ist, dann ist es so, ich bin da vorbereitet, dass es mal irgendwann kommen kann, weil es bei den meisten kommt, aber bei mir war es noch nicht so. Das andere ist, dass er durchaus Dinge in ein freundliches Licht stellt, auch die, die er auf Anhieb vielleicht nicht ganz so freundlich sieht, weil er mehr die Absicht hat zu ermutigen. Das liegt in seinem Naturell, und ich glaube, da weiß er, dass er manchmal die Dinge etwas freundlicher darstellt, als sie sich sozusagen ihm darstellen, dass er im kleinen Kreis vielleicht anders darüber reden würde. Das, glaube ich, hat er damit angedeutet.
Gessler: Gerade diese Stelle, die Sie erwähnen, ist mir auch aufgefallen. Es ist ja eigentlich toll, wenn jemand sagt, mein Glaube ist immer nur gewachsen, es gab nie den großen Zweifel. Das ist erstens außergewöhnlich, aber auf der anderen Seite fragt man sich: Ist der dann eigentlich der richtige Mann, um ins Gespräch zu kommen mit eben Nicht-Glaubenden und mit den Zweiflern, von denen es ja immer mehr geben wird?
Thielmann: Das habe ich mich auch gefragt. Ich bin dann darauf gestoßen, dass Menschen, die einen Angehörigen etwa verloren hatten und die schwere Krankheiten erlebt haben, dass die wiederum berichtet haben, dass Bedford-Strohm sie unglaublich getröstet hat, indem er einfach da war, indem er dabei war. Das habe ich, muss ich gestehen, etwas bewundert, diese Fähigkeit, bei allem Optimismus doch nicht über die Dinge hinwegzugucken, sondern sich dem auch zu stellen und trotzdem innerlich fröhlich zu bleiben.
Gessler: Er ist jetzt geprägt – das erwähnen Sie ja – unter anderem durch Bonhoeffer, auch durch diese Idee, dass sich die Kirche ändern muss, dass sie vielleicht in einer Art religionslosen Form irgendwie in Zukunft zurechtkommen muss. Glauben Sie, dass er auch für diese neue Phase, die da kommt, der richtige Mann ist?
Thielmann: Ja, ich glaube, dass er die Verbindung von analytischer Schärfe, auch von einem Blick für die Kirche, für den künftigen Standort der Kirche in der Gesellschaft mit so einer menschlich gewinnenden Art verbinden kann. Und ich glaube, dass in ihm eine gute Mischung liegt für die Kirchenführer, die wir in der Zukunft brauchen: Menschen, die einerseits über den Glauben theologisch verantwortet Auskunft geben können, die andererseits eine wissende und glaubende Naivität haben und die das Ganze noch mit einer persönlichen Fröhlichkeit verbinden.
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