Wohnungsmarkt

Investoren werden sich zurückziehen

"Hier entstehen exklusive Eigentumswohnungen" steht auf einem Werbebanner im Bezirk Mitte in Berlin.
Werbebanner für Eigentumswohnungen im Berliner Bezirk Mitte © picture alliance / dpa / Foto: Wolfram Steinberg
Michael Voigtländer im Gespräch mit Dieter Kassel · 10.07.2014
Gegen steigende Mieten soll eine Mietpreisbremse helfen. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln sieht diese jedoch skeptisch. "Alle internationalen Erfahrungen zeigten, dass Vermieter sich dann aus dem Markt zurück zögen", so Voigtländer.
Dieter Kassel: Die Bundesregierung plant ein Gesetz, das dafür sorgen soll, dass die Mieten in besonders begehrten Wohnregionen in Deutschland nicht mehr so lange steigen können, bis es irgendwann einfach der Markt nicht mehr hergibt – eine Mietpreisbremse also. Und die Fronten sind klar: Die Mieterverbände sind überraschenderweise dafür, die vier Vermieterverbände überraschenderweise überwiegend dagegen. Die beiden Seiten treffen sich heute zusammen mit Vertretern der Länder und Kommunen, mit Bundesbauministerin Barbara Hendricks. Und wir nehmen das zum Anlass, um mit Michael Voigtländer zu reden, Leiter des Kompetenzfelds Immobilienökonomik beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Schönen guten Morgen, Herr Voigtländer!
Michael Voigtländer: Guten Morgen!
Kassel: Spannende Frage jetzt an Sie: Sind Sie dafür oder dagegen?
Voigtländer: Ich bin dagegen, ganz klar, weil das Problem ist letztlich, wir haben eine echte Knappheit im Wohnungsmarkt, gerade in den Großstädten, weil immer mehr Menschen leben. Sie ziehen dorthin wegen guter Jobs, guter Ausbildung, vielem drumherum, der ganzen Infrastruktur. Das Bauangebot kommt nicht hinterher, und solche Knappheiten lassen sich einfach nicht wegdefinieren, das zeigen alle internationalen Erfahrungen.
Kassel: Das heißt, Sie meinen, wenn es eine Mietpreisbremse gibt, dann wird noch weniger gebaut als jetzt?
"Investoren ziehen sich zurück"
Voigtländer: Das ist zu erwarten, vor allem ziehen sich Investoren zurück, sie sind verunsichert, und es gibt natürlich auch das falsche Preissignal an die Haushalte. Dann suggeriert man, dass die Preise letztlich niedrig sind, man sucht nicht nach Alternativen, und das würde diese Knappheit letztlich noch verstärken. Und es zeigt sich immer wieder, dass es dann Ausweichreaktionen gibt. Das heißt, wenn die Vermieter dann nicht den Marktpreis durchsetzen können, dann werden sie, ja, alternative Preise einfordern, beispielsweise für eine Küche dann viel mehr verlangen, für den Parkplatz deutliche Aufschläge nehmen. Das heißt, irgendwo findet der Markt da immer ein Ventil.
Kassel: Wobei, das ist zwar wahrscheinlich, wenn das Gesetz ungeschickt gemacht wird, legal, aber ja trotzdem am Rande der Trickserei. Man kann natürlich auch ein Gesetz machen, dass dann auch sagt, Parkplatz darf ich nicht irgendwie 40 Prozent der Wohnungsmiete kosten und Regelungen für Abschlagszahlungen, das meinten Sie gerade mit der Küche, gibt es ja eigentlich auch jetzt schon, man kann das ja alles regeln.
"Entsteht ein Hase-und-Igel-Spiel zwischen Investoren und Regierung"
Voigtländer: Man kann das alles regeln, genau, da entsteht letztlich ein Hase-und-Igel-Spiel zwischen Investoren und Regierung. Das wird man sehen, wie das aussieht. Aber umso komplizierter es wird, umso hoch regulierter es wird, umso unattraktiver wird es nachher für Vermieter, überhaupt in den Markt zu gehen. Und alle internationalen Erfahrungen zeigen letztlich, dass die Folge einer solchen Regulierung ist, dass sich die Vermieter dann ganz aus dem Markt rausziehen und an die Gruppe verkaufen, die eben von solchen Regulierungen nicht betroffen sind, und das sind dann die Selbstnutzer. Wir wundern uns ja manchmal, warum Spanien oder Großbritannien solche hohen Wohneigentumsquoten haben von 65 Prozent oder in Spanien sogar von 80 Prozent, und das ist in der Regel die Folge der Mietpreisregulierungen gewesen, weil nämlich dann sich die Investoren eben peu à peu aus dem Markt zurückgezogen haben.
Kassel: Aber wenn das nun bedeuten kann, also ich weiß nicht, ob das der einzige Grund ist in Spanien und Portugal, die haben auch diese Kultur, die wir in Deutschland gar nicht haben, dass es eigentlich logisch ist, dass man in etwas wohnt, was einem gehört. Wenn das in Deutschland sich so entwickelt, wenn dadurch vielleicht auch die Preise für Eigentumswohnungen und Häuschen sinken, das wäre ja auch nicht unbedingt nur negativ.
Voigtländer: Ja, natürlich entwickelt sich die Kultur oder die Kultur entwickelt sich natürlich auch aufgrund dieser gesetzlichen Regelung. Also es war tatsächlich so, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Wohneigentumsquote in Spanien schon deutlich niedriger war, und auch in Großbritannien hatten wir nicht immer eine hohe Wohneigentumsquote, sondern das sind letztlich Folgen der 60er- und 70er-Jahre gewesen, wo man sehr stark reguliert hat, also in Spanien etwa einen Mietstopp vereinbart hat, und man durfte oftmals Modernisierungskosten gar nicht weitergeben an die Mieter. Und das hat letztlich dazu geführt, dass man sich aus diesem Markt verabschieden musste, und so entwickelt sich natürlich auch die Kultur so langsam. Man wundert sich ja manchmal, dass die Spanier so lange zu Hause bleiben, oft 30-Jährige noch zu Hause bei ihren Eltern leben – das war lange Folge letztlich, dass es keine Angebote gab und dass man warten musste, bis man überhaupt sich eine Immobilie leisten konnte.
Kassel: Aber wenn man zu Hause bleiben muss in Deutschland, weil man sich eine Mietwohnung nicht mehr leisten kann, ist auch nicht besser.
Voigtländer: Das ist richtig. Allerdings, wir haben in Deutschland ja noch viele Ausweichmöglichkeiten. Also wir schauen ja im Moment auf einen sehr kleinen Teil des Marktes. Die begehrten Lagen in den Großstädten, die sind relativ teuer geworden, aber gerade wenn man sich Berlin anschaut oder auch andere Großstädte in Deutschland, man kann letztlich noch ausweichen, man kann an den Stadtrand gehen, man kann in die Umlandgemeinden gehen, die oftmals ja auch relativ gut angebunden sind ans Verkehrsnetz, also da gibt es schon noch Möglichkeiten. Das Problem ist einfach, dass die Großstädte derzeit oder dass wir jetzt die Situation haben seit einigen Jahren, dass einfach viel mehr Menschen in den Großstädten leben wollen. Vor zehn, 15 Jahren hatten wir noch die Tendenz zum Häuschen im Grünen, wo auch viele Wohlhabende und Leute aus dem Mittelstand nach draußen ziehen wollten – das hat sich jetzt einfach gedreht, und dadurch ist die Konkurrenz heute in den Großstädten einfach viel größer.
Kassel: Man könnte natürlich all das, was Sie als Kritik vorgebracht haben, in das Gesetz – das sollte eigentlich im April fertig sein, davon ist jetzt keine Rede mehr –, man könnte das in das Gesetz irgendwann aufnehmen und versuchen, all die Fallstricke zu beseitigen, wie man jeden Einzelfall regelt. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, genau davor habe ich Angst, dass da wieder ein so kompliziertes Gesetz entsteht, dass es eigentlich nur neue Einkünfte für Rechtsanwälte bringt.
"Kann es tatsächlich zu einer Klagewelle kommen"
Voigtländer: Ja, und die Gerichte wahnsinnig beschäftigen wird. Ein ganz großes Problem sehe ich noch darin, an dem Anknüpfungspunkt. Der Anknüpfungspunkt für die Mietpreisbremse soll der Mietspiegel sein, das heißt, man darf nur noch zehn Prozent über dem Mietspiegel liegen. Und der Mietspiegel, wenn man sich das mal genauer anschaut, hat eigentlich nicht diese Rechtssicherheit in Deutschland. Der wird teilweise nur ausgehandelt zwischen Interessenvertretern, der beruht teilweise auf sehr alten Daten, und da gibt es viele Verzerrungen. Und da müsste man eigentlich erst mal eine transparente Datenbasis schaffen, damit man tatsächlich auch eine Rechtssicherheit hat. So ist zu erwarten, wenn die Mietpreisbremse einfach eingeführt wird, ohne einheitliche Mietspiegelrichtlinien zu erlassen, dann kann es tatsächlich zu einer Klagewelle kommen.
Kassel: Sagt Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Herr Voigtländer, vielen Dank fürs Gespräch!
Voigtländer: Sehr gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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