Wo die Toleranz aufhört

Von Michael Hollenbach · 25.06.2011
Wie die evangelische Kirche mit schwulen Pfarrern und lesbischen Pfarrerinnen umgeht, ist sehr unterschiedlich. In einigen Landeskirchen gibt es noch große Ablehnung, in anderen dürfen die Partner sogar mit im Pfarrhaus wohnen.
"Nach dem Römerbrief gehört gleichgeschlechtliches Zusammenleben zu den gottwidrigen Verhaltensweisen, denen die Offenbarung des Zorngerichts Gottes gilt. Wo Menschen anstelle der natürlichen Lebensweise des Verkehrs von Mann und Frau in einer widernatürlichen Lebensweise des Verkehrs von Frauen mit Frauen und Männern mit Männern leben, da verlassen sie die gute Ordnung des Schöpfers."

So steht es in einem offenen Brief, den acht Alt-Bischöfe Anfang des Jahres veröffentlichten. Mit diesem Brief wollten und wollen sie verhindern, dass die Synoden der einzelnen Landeskirchen sich dafür entscheiden, homosexuelle Paare ins Pfarrhaus einziehen zu lassen.

"Es geht dabei um nichts Geringeres als um die Frage, ob evangelische Kirchen darauf bestehen, dass die Heilige Schrift die alleinige Grundlage für den Glauben und das Leben ihrer Mitglieder und für den Dienst und die Lebensführung ihrer ordinierten Pfarrerinnen und Pfarrer bleibt."

Einer der Alt-Bischöfe ist Ulrich Wilckens, einst Oberhirte in der Nordelbischen Kirche. Zu dieser Landeskirche gehört auch die lesbische Pastorin Britta Stender aus Elmshorn:

"Ich habe vor elf Jahren hier in der Kirchengemeinde angefangen und habe es dem Kirchenvorstand gleich gesagt. Im Kirchenvorstand war das kein Thema. Der damalige Propst hat dann, als ich weg war aus der Kirchenvorstandssitzung, gefragt, ob es nicht doch ein Problem geben könnte, und ist dann von der ältesten Kirchenvorsteherin ausgezählt worden und hat dann nicht mehr nachgefragt."

Der offene Brief der Alt-Bischöfe – das seien die alten Auseinandersetzungen aus den 90er Jahren, die nun noch mal aufgekocht würden. In Nordelbien, in der Luthergemeinde in Elmshorn, würde sich kaum jemand daran stören, dass die Pastorin mit ihrer Partnerin im Pfarrhaus lebt, sagt Kirchenvorsteher Claus Buchberger:

"Es sind 11.000 Gemeindemitglieder, und das sind zwei Hände voll, die vielleicht bedenklich den Kopf schütteln, aber es gibt keine militanten Gegenargumente."

Und dass die Partnerschaft von Britta Stender und ihrer Freundin den kirchlichen Segen erhalten hat, war auch kein Thema:

"Es war eine sehr schöne Feier in der Lutherkirche, es war eine Feier mit vielen Teilnehmern aus dem Kirchenvorstand, aus dem Gospelchor, einschließlich Propst waren alle Gäste sehr begeistert."

Dass andere Landeskirchen wie die bayerische, die badische oder die pommersche noch immer große Probleme mit Homosexuellen im Pfarrhaus haben, kann der Kirchenvorsteher nicht nachvollziehen:

"Ich bin schon ziemlich alt und von der Grundausrichtung konservativ, aber konservativ heißt ja nicht, dass man sich nicht den neuen Gegebenheiten anpassen kann. Ich habe dabei überhaupt keine Berührungsängste. Ich habe über zehn Jahre in meiner Bischofszeit den Beschluss mitgetragen, dass das nicht möglich ist."

Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich erläutert, warum er bislang gegen ein homosexuelles Paar im Pfarrhaus war:

"Weil ich genau das Gefühl hatte, es wird von Teilen unserer Landeskirche nicht verstanden, und es bringt Unfrieden in die Landeskirche. Ich habe aber immer ein schlechtes Gefühl dabei gehabt. Wir haben ja eigentlich in der EKD schon im Jahr 2000 gesagt, wir wollen Verlässlichkeit und Verantwortung stärken, das haben wir aber dann genau bei Pfarrerspaaren nicht gemacht. Das ist kein Beitrag zu Verlässlichkeit, wenn man sie nicht im Pfarrhaus wohnen lässt."

Und genau deshalb heißt es im neuen Pfarrdienstgesetz:

"Pfarrerinnen und Pfarrer sind in ihrer Lebensführung im familiären Zusammenleben und in ihrer Ehe an die Verpflichtungen aus der Ordination gebunden. Hierfür sind Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung maßgebend."

"Familiäres Zusammenleben" – darunter versteht die EKD auch eingetragene homosexuelle Partnerschaften. Dieser Sicht folgen die Landeskirchen in Sachsen, Braunschweig, Kurhessen-Waldeck und Pommern nicht. Hier dürfen homosexuelle Paare nicht ins Pfarrhaus ziehen. Andere setzen auf eine Prüfung im Einzelfall.

Als der Landeskirchenrat in Bayern sich dazu durchrang, die Pfarrhäuser vorsichtig für homosexuelle Paare zu öffnen, geschah dies auch nur unter Vorbehalten. Berit Scheler, lesbische Pfarrerin in der Münchener Markus-Gemeinde, erläutert die Bedingungen, unter denen ein homosexuelles Paar ins Pfarrhaus einziehen darf - den sogenannten Magnus Consensus:

"Da müssen dann verschiedene Gremien damit einverstanden sein, zunächst einmal der Kirchenvorstand, und der Dekan, und dann kommt noch dazu der Landeskirchenrat und der Regionalbischof müssen dem zustimmen. Es ist schon ein komisches Gefühl, sein privates Leben vor so vielen Gremien offen legen zu müssen."

Ihre nordelbische Kollegin Britta Stender kann das Procedere dieses Magnus Consensus nicht so recht nachvollziehen:

"Weil ich nicht verstehe, dass man Menschen aufgrund ihrer Sexualität beurteilt. Ich finde es sowieso schon schwierig, dass Kirche als Dienstvorgesetzter so viel Einfluss nehmen will auf das Privatleben, und ich finde auch, dass Pastoren ein Recht auf Privatleben haben, und was beurteilt werden sollte, ist die Arbeit. Wenn die Arbeit gut ist, sollte man nicht gucken, was privat passiert."

Doch selbst der Magnus Consensus, bei dem der Einzug homosexueller Paare ins Pfarrhaus erst von vielen Ebenen abgesegnet wird, stieß bei konservativen Christen auf Proteste. Bischof Johannes Friedrich:

"Es hat mit der Frömmigkeitsstruktur zu tun, aber die ist regional sehr unterschiedlich, es ist ein regionales Problem."

Vor allem aus Oberfranken und Mittelfranken gab es Protestbriefe von konservativ-lutherisch geprägten Pfarrern, die sich auf einschlägige Bibelstellen gegen die Homosexualität berufen. Diese Bibelstellen würden oft aus dem Zusammenhang gerissen und absolut gesetzt, kritisiert Berit Scheler. Sie will diesen Protesten entgegenwirken und versuchen, Missverständnisse und Ängste abzubauen. Bislang gibt es in der bayerischen Landeskirche noch keinen Antrag eines homosexuellen Paares, in ein Pfarrhaus einzuziehen. Auch Berit Scheler lebt zwar schon seit Jahren mit ihrer Partnerin in der Gemeinde – allerdings nicht in einem klassischen Pfarrhaus:

"Ich habe das Glück, dass zu meiner Dienstwohnung noch ein Apartment gehört, sodass wir das so lösen konnten, dass meine Freundin in dem Apartment, das ich ihr untervermieten konnte, lebt, denn im Pfarrhaus, als ich angefangen habe mit dieser Stelle, war das nicht möglich, zusammenzuwohnen. Uns beiden war es sehr wichtig, wenn wir uns auf eine neue Stelle bewerben, dass wir geoutet sind, sowohl gegenüber der Gemeinde als auch gegenüber der Landeskirche."

Denn nicht nur für Berit Scheler und Britta Stender gehören Lesben und Schwule genauso ins Pfarrhaus wie jeder andere Pastor.

Britta Stender: "Ich glaube, auch Pastorinnen und Pastoren sind ein Spiegelbild der Gesellschaft, und bei uns gibt es genauso Geschiedene, Noch-nicht-Verheiratete, es gibt Alleinerziehende und alle möglichen Spielarten, und ich glaube, dass gehört auch so. Es kommt auf die inhaltliche Gestaltung an: Wie gehen Menschen miteinander um."

Probleme im Umgang mit homosexuellen Pfarrern haben aber nicht nur die Südlichter Bayern und Baden, sondern auch – hoch im Nordosten – die Pommersche Kirche. Bislang weigert sich deren Bischof Abromeit sogar, homosexuelle Pastoren zu ordinieren. Schwule und lesbische Theologen müssen ins Exil – zum Beispiel in die nordelbische Kirche. Doch im kommenden Jahr fusionieren die Nordelbische, die Mecklenburgische und die Pommersche zur Nordkirche. Britta Stender:

"Ich persönlich habe ein deutliches Problem damit, nachher einen Bischof zu haben mit Herrn Abromeit, der sagt, er würde keine Homosexuellen ordinieren. So einen möchte ich nicht als Bischof meiner Kirche haben."
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