Wirtschaftssoziologe: Kräftige Lohnerhöhungen notwendig

29.01.2011
Gerhard Bosch, geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen, hat vor Beginn der großen Tarifrunden in diesem Jahr deutlich höhere Löhne gefordert. "Die deutsche Wirtschaft brummt, und eigentlich sagen alle Ökonomen, (...) dass in Deutschland kräftige Lohnerhöhungen notwendig sind", so Bosch.
Mit den niedrigen Lohnerhöhungen der vergangenen Jahre sei nicht nur die Binnennachfrage in Deutschland ruiniert worden, "sondern wir haben die anderen Länder auch sehr unter Wettbewerbsdruck gesetzt und haben riesige Exportüberschüsse entwickelt. Und die anderen Länder sagen, das geht nicht so weiter, in Deutschland muss man mal etwas für die Löhne tun", sagte der Professor für Arbeits- und Wirtschaftssoziologie an der Universität Duisburg-Essen.

Er verstehe im Moment überhaupt nicht, warum Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt auch für 2011 vor zu kräftigen Lohnerhöhungen warne. "Im Jahr 2009 und 2010 konnte ich das sehr gut nachvollziehen. Niemand wusste, wie die Wirtschaft sich entwickelt", so der Wirtschaftssoziologe. Nun aber seien Lohnsteigerungen vor allem im Dienstleistungssektor und bei den Minijobs notwendig.

6,7 Millionen Menschen in Deutschland, so Bosch, verdienten weniger als acht Euro in der Stunde, sehr viele von ihnen auch nur fünf Euro. "Wir haben mal ausgerechnet, wenn wir einen Mindestlohn einführen würden von 7,50 Euro, dann würden die Sozialkassen von heute auf morgen Beiträge zusätzlich bekommen in Höhe von 4,2 Milliarden Euro. Das würde so manche Finanzkrise der Krankenversicherung und der Rentenversicherung beseitigen", sagte Bosch.

Die hohen Lohnforderungen der Gewerkschaften vor Beginn der Tarifverhandlungen bezeichnete Bosch allerdings als "das übliche Getöse". Die Forderungen nach sechs Prozent werden seiner Ansicht nach nicht durchgesetzt werden: "Ich halte ein Tarifergebnis in den Branchen, wo die Gewerkschaften stark sind, von drei Prozent pro Jahr für durchaus realistisch", so Bosch.

Das vollständige Gespräch mit Gerhard Bosch können Sie mindestens bis zum 29.6.2011 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
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