Wirtschaftsrechtler Brönneke

Lebensdauer von Produkten transparenter machen

ComBase-Mitarbeiter repariert am Montag in der Handy-Reparaturwerkstatt in Bocholt ein Mobiltelefon.
Manche Handys und Smartphones sind so hergestellt, dass sie sich nicht reparieren lassen. © dpa / picture alliance / Bernd Thissen
25.06.2015
Der Wirtschaftsrechtler Tobias Brönneke fordert transparente Angaben zur Lebensdauer von Produkten. Der Gesetzgeber müsste steuernd eingreifen, um Praktiken zur künstlichen Verkürzung auszuschließen, sagte Brönneke.
Nach Überzeugung des Professors für Verbraucher- und Umweltrecht der Hochschule Pforzheim sollten Verbraucher wissen, wie lange ein Gerät hält: "So ähnlich wie beim Mindesthaltbarkeitsdatum bei Lebensmitteln, (...) so könnte man sich das bei Gebrauchsgütern auch vorstellen. Eine Pflicht, das anzugeben, würde doch wirklich weiterhelfen."
Man könne sogar noch einen Schritt weiter gehen und bei bestimmten Produktgruppen einen "Preis pro Nutzungseinheit" angeben: zum Beispiel die Kosten für 100 ausgedruckte Seiten bei einem Drucker oder für einen durchschnittlichen Waschgang einer Waschmaschine. "Das wäre schon eine sehr wichtige Information", sagte Brönneke.
Verbrauchern rät er, sich schon jetzt an der Haltbarkeitsgarantie eines Herstellers zu orientieren. Dies sei ein verlässliches Kriterium für den Kauf. Auch Langzeittests der Stiftung Warentest seien hilfreich, sagte Brönneke. Heute lädt das Umweltbundesamt zur Konferenz "Wider die Verschwendung II: Strategien gegen Obsoleszenz".

Das vollständige Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Es gibt so gefühlte Wahrheiten. Erinnern Sie sich an die Euro-Einführung, an den "Teuro"? Alle hatten das Gefühl, mit der Währungsumstellung haben viele Geschäfte eine heimliche Preiserhöhung verbunden. Hatten sie de facto nicht, also der Statistik nach.
Eine andere gefühlte Wahrheit, die ist aber wirklich wahr: Das Gefühl, dass elektronische Geräte, dass Fernseher, Kühlschränke oder Waschmaschinen immer schneller kaputt gehen, das stimmt. Das Bundesumweltamt hat intensiv geforscht und herausgefunden, dass heute mehr Haushalts- und Elektrogeräte innerhalb von fünf Jahren defekt sind als noch vor zehn Jahren. Ist das Zufall oder kühle kapitalistische Berechnung? Das besagte Umweltbundesamt lädt ab heute zu einer Tagung, die sich mit diesem Phänomen befasst, das übrigens auch einen Fachbegriff hat: Obsoleszenz. Und dabei sein wird der Mann, mit dem wir jetzt sprechen: Tobias Brönneke, Professor für Verbraucher-und Umweltrecht an der Hochschule Pforzheim und Herausgeber eines gerade erschienenen Buches zur Obsoleszenz. Einen schönen guten Morgen!
Tobias Brönneke: Einen schönen guten Morgen!
Korbinian Frenzel: Sind Geräte heute qualitativ schlechter, also ist es eher Pfusch oder wirklich Berechnung der Unternehmen, damit wir schneller wieder neu einkaufen müssen?
Tobias Brönneke: Ja, also, es gäbe ökonomische Gründe dafür, an gesättigten Märkten, wo also im Grunde genommen jeder schon die Sachen hat, die Lebenszeit herabzusetzen, geplant herabzusetzen. Das wird die Industrie aber unbedingt abstreiten. Und ich würde jetzt aus Verbraucherschutzsicht sagen, da kommt es am Ende überhaupt nicht drauf an. Auf jeden Fall gibt es keine positiven Anreize für die Industrie, konsequent auf lange Lebensdauer die Produkte auszulegen. Und von daher würde ich von fahrlässiger Obsoleszenz oder einfach von Obsoleszenz, von verkürzter Lebensdauer also sprechen und diesen Aspekt beiseitelassen.
Der Gesetzgeber müsste steuernd eingreifen
Korbinian Frenzel: Aber es gibt ja diese Vermutung, diesen Verdacht, dass es so richtig bewusste Obsoleszenz-Manager gibt. Also, die in Geräten quasi meistens genau die zwei Jahre, die man Garantie hat, im Blick haben. Und eben, ja, kurz danach eben dann den Geist aufgeben lassen.
Tobias Brönneke: Also, was sicher Faktum ist, ist dass die Industrie sich über die Lebensdauer Gedanken machen muss. Das muss schon wegen des Produktsicherheitsrechts so sein, damit ein Produkt über die ganze Lebensdauer sicher ist. Und ich denke, man müsste hier von außen, also der Gesetzgeber müsste da steuernd eingreifen, um solche Praktiken, die das künstlich verkürzen, einfach auszuschließen.
Korbinian Frenzel: Darüber würde ich gleich gerne noch mit Ihnen sprechen, aber erst mal vielleicht die Perspektive wechseln. Denn man könnte ja auch sagen – ich habe vorhin dieses Beispiel gebracht mit den Smartphones, die ja nicht so lange leben, andererseits gibt es ja auch bei uns Verbrauchern, bei vielen die Tendenz, immer das Neueste haben zu wollen – man könnte ja auch sagen, es ist fast schon ressourceneffizient, dass die Unternehmen Geräte so bauen, dass sie auch nicht so lange halten, weil man sie eh austauscht.
Tobias Brönneke: Ja, wenn man ein Gerät ohnehin kürzer nur nutzt, das ist bei Handys anders als bei Waschmaschinen, dann ist es sicherlich einfach auch ökonomisch, das auf die Lebensdauer hin zu entwickeln. Also, da muss man auch von den Produktgruppen her das differenziert anschauen. Aber ich als Verbraucher werde doch auch so ein bisschen veräppelt, wenn ich das gar nicht weiß. Also, nicht jeder Verbraucher will nach jedem Jahr ein neues Handy haben ...
Korbinian Frenzel: Veräppelt ist da ein gutes Stichwort.
Tobias Brönneke: Ja. Wohl wahr. Mit den verklebten Akkus ...
Korbinian Frenzel: Aber ich meine, es ist ja schon spannend, ich habe mal dieses Beispiel gehört der Bohrmaschine, die angeblich nach 500, 600 Bohrvorgängen dann nicht mehr funktioniert. Da denkt man erst: Um Gottes Willen, kann man doch nicht machen! Andererseits, wenn man weiß, wie selten man die Bohrmaschine zu Hause im Privatgebrauch wirklich rausholt, das reicht ja eigentlich auch, oder?
Tobias Brönneke: Ja, also von daher, auch da ist einfach richtig, wenn man meinetwegen eine Bosch-Maschine kauft, wenn man die grünen kauft, die sind für den Heimwerkerbedarf, sind deutlich billiger. Und wenn man wirklich langlebige haben will, dann muss man eine blaue kaufen. Das kostet ein bisschen mehr. Wenn man das so nach außen auch klar machen würde, wäre das, meiner Meinung nach, aus Sicht des Verbraucherschutzes in Ordnung.
Was kosten 100 Blatt ausgedruckt bei einem Drucker?
Korbinian Frenzel: Okay. Also, schauen wir einmal an, wer was tun muss. Sie haben gerade schon gesagt, der Staat oder die diejenigen, die die Regularien schreiben, müssten was tun. Was müssten die denn tun? Müssen die genaue Bauvorschriften machen?
Tobias Brönneke: Ich glaube das nicht. Das würde den Wettbewerb unterminieren. Ich glaube, nötig wäre einfach Transparenz zu schaffen. Man sollte wissen, was so ein Gebrauchsgut, was jetzt nicht nur für den dreitägigen Gebrauch ist, also, was für einen längeren Gebrauch ist, wie lange das jetzt hält. So ähnlich wie wir ein Mindesthaltbarkeitsdatum bei Lebensmitteln haben, so könnte man sich das bei Gebrauchsgütern auch vorstellen. Eine Pflicht, das angeben zu müssen, würde doch wirklich weiterhelfen.
Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und kann sagen, bei bestimmten Produktgruppen, das geht nicht überall, aber zum Beispiel bei Druckern, wäre doch auch interessant, jetzt einen Preis pro Nutzungseinheit zu haben. Also, zum Beispiel: Was kosten jetzt 100 Blatt ausgedruckt bei einem Drucker? Oder was kostet denn der durchschnittliche Waschgang einer Waschmaschine? Das hat viele Voraussetzungen, da muss man ein Prüfungssetting dafür im Hintergrund anlegen, aber so etwas kann machen. Dazu gibt es Normungsvorgänge, um so etwas technisch genormt zu ermitteln. Und das wäre schone eine sehr wichtige Information.
Es gibt keine direkte Verbindung zwischen Preis und Haltbarkeit
Korbinian Frenzel: Und da sind wir ja eigentlich auch schon bei der Frage, was die Verbraucher machen können. Wenn wir diese Information hätten, könnten wir anders einkaufen. Nun ist es im Moment so, dass man das ja idealerweise am Preis auch absehen kann. Sie haben die Bohrmaschinen erwähnt, da weiß ich natürlich, eine Bosch kostet mehr als – jetzt nenne ich das andere Produkt mal nicht – , aber gibt es da eine direkte Verbindung? Je teurer ein Produkt, desto langlebiger?
Tobias Brönneke: Leider gar nicht. Also, das kann man nicht sagen. Also, man kann vielleicht so sagen: Geiz ist nicht immer geil. Also, es gibt eine Unterkante an Kosten, wo man nicht mehr sinnvoll ein Produkt haltbar konstruieren kann. Das heißt, wenn das nicht eine Werbemaßnahme ist, wo das quersubventioniert ist, sind so ganz, ganz ultra-billige Geräte und so einfach nicht haltbar. Aber davon abgesehen kann man das nicht.
Man kann aber als Kunde durchaus schauen, ob denn eine Garantie dabei ist, eine wirkliche Haltbarkeitsgarantie. Die wird der Hersteller dann schon einhalten. Also, das ist so ein bisschen ein verlässlicheres Kriterium. Und ja, ansonsten kann man sich natürlich bei bestimmten Sachen an Stiftung Warentest orientieren, die ja auch Langzeittests, beispielsweise für Waschmaschinen, machen. Und dann findet man schon raus, was haltbarer ist und was nicht so sehr.
Korbinian Frenzel: Tobias Brönneke, Professor für Verbraucher- und Umweltrecht an der Hochschule Pforzheim und Herausgeber eines gerade erschienen Buches zur Obsoleszenz. So heißt das nämlich, worüber wir gesprochen haben, die Kurzlebigkeit von Geräten. Vielen Dank für das Gespräch!
Tobias Brönneke: Vielen Dank auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema