"Wir spiel’n nich mehr Heimchen am Herd"

Von Agnes Steinbauer · 19.03.2006
In Berlin versammelten sich rund 45.000 Frauen, weltweit gingen mehr als eine Million Feministinnen auf die Straße – der " Aufschrei der erwachten Frauen nach der Freiheit" war am 19. März 1911 während des ersten Internationalen Frauentages deutlich zu hören. Die demonstrierenden Frauen forderten das Wahlrecht, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Mutterschutz für Arbeiterinnen und den Zehn-Stunden-Tag. Erst 1914 wird der Frauentag auf den 8. März gelegt.
"Liebe Schwestern! Die Frau muss sich vollständig vom Manne emanzipieren! - Wir brauchen keine Männer! Die internationale Frauenbewegung, sie lebe HOCH, HOCH, HOCH!"

Wofür diese Berliner Kabarettistin um 1912 nur beißenden Spott übrig hatte – damit war es vielen ihrer Zeitgenossinnen bitter ernst. Sie wollten endlich die gleichen Rechte wie die Männer – im öffentlichen Leben, in Familie und Beruf.

Im deutschen Kaiserreich hatten Frauen viele Lasten zu tragen. Zu sagen aber hatten sie nichts. Proletarierinnen etwa mussten in der Hochphase der Industrialisierung oft in großer Armut viele Kinder durchbringen, hatten aber weder ein Scheidungs- noch ein Entscheidungsrecht und waren in jeder Beziehung von der Willkür ihres Ehemannes abhängig.

In der Produktion wurden Frauen mit noch schlechteren Löhnen abgespeist als ihre männlichen Kollegen. Zum Dank dafür durften sie weder wählen gehen, noch hatten sie Zugang zu vernünftigen Bildungsmöglichkeiten.

Damit sollte nun Schluss sein. Ende des 19. Jahrhunderts formiert sich gemeinsam mit der immer stärker werdenden Arbeiterbewegung auch eine politische Frauenbewegung; mit der Sozialdemokratin Clara Zetkin an der Spitze.

In ihrer Hauptschrift "Über die Frauen- und Arbeiterinnenfrage" von 1889 bringt die spätere Kommunistin ihre Meinung über das bestehende Geschlechterverhältnis auf den Punkt:

"Wie der Arbeiter vom Kapitalisten unterjocht wird, so die Frau vom Manne."

Für Zetkin war klar: Frauen erreichen ihre Ziele nur innerhalb eines eigenen politischen Flügels. Mit der Radikalität ihrer "Männer-raus-Politik" eckte sie immer wieder an; nicht nur bei Genossen wie August Bebel, dem SPD-Parteivorsitzenden, der mit seiner Schrift "Die Frau und der Sozialismus" von 1879 als erster "Feminist" in die Geschichte eingegangen war.

Auch Mitstreiterinnen wie Hedwig Dohm oder Lily Braun tendierten eher zu einer gemeinsamen "sozialen Bewegung" als zu einer separatistischen Frauen-Bündnispolitik. Unstreitig war allerdings, dass die gesellschaftlichen Veränderungen des Industriezeitalters für die "Sache der Frauen" günstig waren. Clara Zetkin sah in den neuen Möglichkeiten zur Berufstätigkeit das Tor zur Freiheit:

"Die Frau musste als Haussklavin, an ihren engsten Kreis gefesselt bleiben; der Gedanke an Emanzipation konnte nicht aufkommen, bis nicht die Maschine als Heiland auftrat und mit dem Dröhnen und Stampfen ihres Räderwerks das Evangelium von der Menschwerdung, der wirtschaftlichen Verselbstständigung der Frau verkündete."

Was die Frauen nun vor allem brauchten, war Öffentlichkeit. Mit ihren Mitstreiterinnen Käthe Duncker und Lily Braun bereitete Zetkin 1910 auf einer internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen den Weg für die Etablierung eines jährlich wiederkehrenden "Frauentages":

"Der Frauentag ist ein Aufschrei der erwachten und erwachenden Frauen nach der Freiheit – ungefesselt durch die Umstände ihr Menschen- und Weibtum in Harmonie entfalten zu können - und für die Allgemeinheit zur tätigen bereichernden Kraft werden zu lassen."

Am 19. März 1911 war es dann soweit. Arbeiterinnen, Hausangestellte, Mütter und Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung demonstrierten gemeinsam beim ersten Internationalen Frauentag. Sie forderten das Wahlrecht, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Mutterschutz für Arbeiterinnen und den Zehn-Stunden-Tag.

Allein in Berlin versammelten sich rund 45.000 Frauen an über 40 Veranstaltungsorten - weltweit gingen über eine Million Feministinnen auf die Straße – in den USA, in Österreich, der Schweiz und Dänemark.

Chansonette Claire Waldoff singt:
"Ick sach et janz frei, die Zeit is vorbei wir spiel’n nich mehr Heimchen am Herd."

Erst ab dem Jahr 1914 wird der Frauentag auf den 8. März gelegt, auf den Tag, an dem er auch heute noch international gefeiert wird. Die Entscheidung für dieses Datum fiel in Erinnerung an die Textilarbeiterinnen, die am 8. März 1857 in New York auf die Barrikaden gingen, um gegen ihre elenden Arbeitsbedingungen zu demonstrieren.