"Wir haben keine Zeit zu verlieren"

Moderation: Marie Sagenschneider · 27.06.2007
Die Ministerin für Tourismus und Frauen in der palästinensischen Notstandsregierung, Khouloud Daibes, hat vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten gewarnt. Israel müsse die bereits begonnene Unterstützung des Palästinenserpräsidenten Abbas fortsetzen, sagte Daibes.
Marie Sagenschneider: Offenbar hat es eines innerpalästinensischen Konflikts bedurft, damit sich Israelis und Palästinenser wieder an einen Tisch setzen. Das Problem ist nur, dass mit nur mit einem Teil der palästinensischen Politiker verhandelt wird und man so tut als würde die andere Fraktion nicht existieren, nämlich die Hamas. Die hat den ganzen Gazastreifen unter ihrer Kontrolle, während Präsident Abbas, der der Fatah angehört, im Westjordanland eine Notstandsregierung eingesetzt hat. Und plötzlich ist das möglich, was lange Zeit undenkbar war. Israel stärkt Abbas den Rücken und die Verhandlungen kommen wieder in Schwung, erst mit dem Vierergipfel in Sharm el Scheich, gestern dann hatte sich auch das Nahostquartett getroffen. Die Strategie ist klar, man versucht die Hamas weiter zu isolieren. Aber reicht das? Auch darüber wollen wir nun sprechen mit Khouloud Daibes, sie ist Ministerin für Tourismus und Frauen in der palästinensischen Regierung, bis vor kurzem der Einheitsregierung von Fatah und Hamas, und nun seitdem diese zerbrochen ist, gehört sie dem Notstandskabinett an, das Präsident Abbas im Westjordanland berufen hat. Guten Morgen, Frau Daibes!

Khouloud Daibes: Guten Morgen!

Sagenschneider: Israel setzt ja nun tatsächlich Zeichen. Da sollen palästinensische Gelder freigegeben werden, die man bislang gesperrt hatte, auch palästinensische Häftlinge möglicherweise freigelassen werden. Wieso vertrauen Sie darauf, dass Israel Abbas diesmal wirklich nachhaltig unterstützt?

Daibes: Ich glaube, das ist dringend notwendig und es ist an der Zeit jetzt. Wir haben wirklich keine Zeit mehr zu verlieren. Ich glaube, das war der Anfang, ein ganz, ganz kleiner Anfang. Wir müssen in ersten Verhandlungen mit Israel führen oder in ersten Verhandlungen zusammenkommen. Anders wird die Situation schlechter, anders wird es weiter eskalieren. Eigentlich, was im Gaza geschehen ist, ohne das rechtfertigen zu wollen, ist auch ein Soldat der Besatzung der Einsperrung in einem kleinen Fleck, das ist der dicht bevölkertste Fleck auf der Welt. Und wenn Sie zwei Brüder in so einem kleinen Fleck einsperren, dann würden Sie vielleicht auch streiten. Es ist also wirklich die Situation, die politische, soziale, ökonomische Situation für die Palästinenser ist wesentlich schlechter geworden nach dem sogenannten Friedensprozess. Und heute ist es Zeit, dass wir wirklich in erste Verhandlungen kommen, um eine gerechte Lösung für diesen Konflikt endlich herbeizuführen. Und wir sind hoffentlich auf dem richtigen Weg. Aber das ist wirklich nur der Anfang.

Sagenschneider: Also wäre dann zumindest im Anfang der Versuch, im ersten Schritt das Westjordanland zu befrieden. Die Frage ist, was ist mit dem Gazastreifen, denn das beinhaltet natürlich auch den Versuch, die Hamas zu isolieren?

Daibes: Ja, also das ist eine sehr komplexe Situation zurzeit, wo wir gelandet sind, eigentlich weil es keine Perspektive gab für die Palästinenser, weder in Gaza noch in der Westbank. Wie Sie wissen, wir haben unter einem Boykott, einem langmonatigen Boykott gelitten, einfach die Menschen, die ihre Gehälter nicht kriegen konnten, wo wirklich jetzt die Mehrheit unter der Armutsgrenze lebt, dass wir keine eigene Ökonomie führen konnten, obwohl das möglich war, unter der Besatzung auch. Das alles hat dazu geführt, dass jetzt die Situation komplizierter geworden ist. In der Einheitsregierung, wie Sie am Anfang gesagt haben, haben wir drei Monate versucht, zusammenzukommen, zu einem Dialog zu kommen. Aber ich denke auch, die internationale Gemeinschaft hat nicht unbedingt uns dazu verholfen, um zu einer Vereinigung zu kommen.

Sagenschneider: Aber was muss dann, Frau Daibes, passieren, damit die politische Spaltung des palästinensischen Gebiets, und das wäre ja nun das langfristige Ziel, wieder beseitigt wird, also mit eben einer Hamas-Regierung in Gaza, einer Fatah-Regierung im Westjordanland? Wie kann man das überwinden?

Daibes: Ich hoffe, dass wir das überwinden können. Zurzeit sind alle unter Schock, dass man keinen Ausweg sieht. Man kann sich nicht vorstellen, dass man jetzt heute in einen Dialog kommt, ohne erst mal zu verstehen, was in Gaza geschehen ist, ohne dass die Voraussetzungen dafür gestellt werden, auch von Hamas, als Basis für Dialog. Insofern versuchen wir als Notstandsregierung erst mal in der Westbank, obwohl die Legitimität der Regierung ist ja nicht für sich nur auf Westbank begrenzt, auch auf Gaza, und wir beharren darauf, dass es eine Einheit ist, eine geografische, eine politische Einheit ist, obwohl das in der Praxis ganz kompliziert ist. Aber trotzdem glaube ich, wenn wir hier eine Entspannung herbeiführen können, wenn wir in erste Verhandlungen mit Israel kommen, wenn die Palästinenser in der Westbank, aber auch in Gaza sehen, dass eine Zukunftsperspektive für sie da ist, dass man angefangen hat, diesen Konflikt auf der Basis der internationalen Legitimität zu lösen, dann würde auch die Atmosphäre dafür, eine sehr positive Atmosphäre dafür geschaffen, wo wir viele Stimmen dafür gewinnen werden und wo ich glaube, dass auch die Gaza-Leute von sich aus dazu kommen, an diese Regierung zu glauben und an das, um was Präsident Abbas zurzeit sich bemüht, und dass wir eventuell eine Basis finden für einen Dialog. Ohne, wie Sie gesagt haben, ohne eine Vereinbarung mit Hamas, das ist ein Teil. Unsere Leute können so nicht weiter gehen. Aber zurzeit ist das nicht möglich.

Sagenschneider: Das wäre aber nötig, um da sozusagen eine Lösung zu finden. Frau Daibes, ich danke Ihnen.