"Wir dürfen natürlich Luther nicht zum Nationalhelden stilisieren"

Margot Käßmann im Gespräch mit Anne-Françoise Weber · 21.04.2012
"Schlag nach bei Luther" heißt das Buch, mit dem die Ex-Landesbischöfin von Hannover auf Lesetournee geht. Margot Käßmann hat viele Eindrücke zu den Schriften des Wittenberger Reformators gesammelt, und nicht jeder Aussage stimmt sie zu: Luther habe "mit einem Fuß noch hinten im Mittelalter" gesteckt.
Anne-Françoise Weber: Zwar ist sie offiziell schon seit dem 1. April im Amt, aber erst am kommenden Freitag wird Margot Käßmann feierlich von der evangelischen Kirche in Deutschland in ihr neues Amt eingeführt. Reformationsbotschafterin wird sie jetzt, die frühere Landesbischöfin von Hannover und kurzzeitige EKD-Ratsvorsitzende, die zuletzt an Universitäten in Atlanta und in Bochum gelehrt hat. Im Hinblick auf ihr neues Arbeitsfeld, das bevorstehende Reformationsjubiläum 2017, hat sie nun auch ein Buch herausgebracht: "Schlag nach bei Luther" heißt es und bringt Texte des berühmten Reformators zu Themen wie Gott, Kirche, aber auch zu Krieg und Frieden oder Frauen und Männern.

Ich habe vor der Sendung mit Margot Käßmann gesprochen und sie zunächst gefragt, ob es für sie, die sich ja schon sehr lange mit Martin Luther beschäftigt, bei diesem Buch eigentlich auch einen Überraschungsfund gab, also einen Text, bei dem sie sagt: Das hätte ich jetzt von Martin Luther nicht erwartet.

Margot Käßmann: Für mich waren die schönsten Funde die seelsorglichen Texte von Luther. Und einer hat mich sehr berührt, den er schreibt – den kannte ich nicht bis dahin – an einen Menschen, der daran denkt, Selbstmord zu begehen. Das ist anrührend, wie Luther auf ihn eingeht, das versteht, und ihm dann sagt: Nun schlag drauf rein, du willst doch leben, und das Leben ist doch gut. Lass dich nicht so runterziehen.

Das ist eine anrührende Form zu lesen, wie er mit menschlichen Problemen umgeht, und das ist ein sehr – sage ich mal – Menschen zugewandter, auch zarter Luther. In einem anderen Text habe ich das auch noch mal gefunden, als er jemandem schreibt über den Tod seiner kleinen Tochter Magdalene, und wie er dagegen ankämpft, so traurig zu sein, aber wie er doch immer wieder weinen muss, weil das ein so liebes Mädchen war, das ihm so ans Herz gewachsen ist. Das ist noch mal ein zarterer Luther als der, den wir in anderen Texten kennen.

Weber: Und wie gehen Sie nun mit seinen schwierigen Seiten um, die er ja durchaus auch hat, also die Schriften gegen die Juden, die Haltung zu den revoltierenden Bauern und auch die bisweilen doch recht unfreundlichen Bemerkungen über Frauen – stecken Sie das so achselzuckend weg oder haben Sie manchmal eigentlich auch Lust, ihn anzubrüllen und zu sagen: Was soll das, in deiner Position so etwas zu schreiben?

Käßmann: Wenn ich Luther begegnen würde, würde ich natürlich gerade um diese drei Themen mit ihm heftig gerne ringen, aber wir dürfen natürlich Luther nicht zum Nationalhelden stilisieren, wie das manche Luther-Jubiläen früher getan haben. Wir feiern ein Luther-Jubiläum nach dem Holocaust und müssen sehen, dass gerade die evangelischen Kirchen damals auch versagt haben. Dietrich Bonhoeffer hat ja mal gesagt: Wir können nicht gregorianisch singen und nicht gleichzeitig für die Juden schreien. Und dass die evangelische Kirche das nicht getan hat, ist natürlich auch ein fatales Erbe dieser entsetzlichen Abgrenzung Luthers von den Juden – das muss ein Thema sein, das bei unserem Jubiläum 2017 kritisch gesehen wird.

Außerdem ist es natürlich wichtig, sich auseinanderzusetzen mit seiner Haltung gegenüber Frauen, wobei wir ihn auch immer als Menschen sehen müssen, der – so erlebe ich ihn in dem, was ich lese – mit einem Fuß noch hinten im Mittelalter tief steckt. Hexenprozesse beispielsweise scheinen ihm was ganz Normales zu sein, das ist für mich furchtbar zu lesen zum Teil, aber diesen anderen Schritt schon ganz nach vorne in die Neuzeit geht, das Individuum, die Freiheit eines Christenmenschen, das Einzelgewissen, und in dieser Spannung muss Luther gesehen werden. Das entschuldigt seine Irrtümer nicht.

Weber: In Ihrem Buch lassen Sie ja diese schwierigen Texte weg. Sie sagen, die bräuchten eine Einordnung, die ich mir hier nicht leisten kann, deswegen kommen die nicht vor. Aber kann man das machen? Kann man so einen erbaulichen Luther von einem problematischen Luther trennen, oder ist da nicht die Gefahr, dass das problematische eben für die Eingeweihten nur bleibt, und nur die wissen, was er eben über Hexen geschrieben hat, oder dass er auch vorgeschlagen hat, Synagogen in Brand zu setzen?

Käßmann: Ich habe in dem Vorwort ja sehr deutlich gesagt, dass dies eine kleine Anfangslektüre ist, ein kleines Büchlein, wo Menschen mal anfangen können, sich ein bisschen in Luther und seine Sprache überhaupt hineinzulesen, weil wenige, denke ich, Zugang zu seinen Originaltexten haben. Wenn jetzt die ganze Judenfrage aufgegriffen worden wäre, dann hätten wir ganz anders mit den Texten umgehen müssen, und das Buch hätte anders konzipiert sein müssen. Das ist wirklich, sage ich mal, ein Appetizer, würde man modern wahrscheinlich sagen, so ein bisschen in Luther sich hineindenken, hineinlesen mit kleinen kurzen Texten zu unterschiedlichen Themen.

Ich habe auch weggelassen beispielsweise ziemlich heftige Schimpftiraden gegenüber der römisch-katholischen Kirche, auch das hätte dann eines eigenen Buches, einer eigenen Einführung bedurft, um die zweite Frage an das Jubiläum jetzt zu stellen nach 100 Jahren ökumenischer Bewegung: Wie feiern wir eigentlich ein Reformationsjubiläum, wir können ja keine Trennung mehr feiern, sondern wir müssen eigentlich auch diesen Schmerz der Trennung sehen und uns fragen, wie können wir nach 100 Jahren aufeinander zu, eigentlich über die Reformation miteinander sprechen? Das fehlt in dem Buch auch, er hat wirklich entsetzliche Schimpftiraden gegenüber Rom losgelassen, die möchte ich heute gar nicht zitieren.

Weber: Sie schreiben, es wird keinen Kult um Luther geben. Aber wenn man sich die Rückseite des Buches anguckt, dann steht da: "Eine Idealbesetzung: SIE" – in Großbuchstaben –, "die beliebte ehemalige Bischöfin und mutige Theologin präsentiert als Reformationsbotschafterin IHN" – auch wieder in Großbuchstaben –, "Martin Luther, der nicht nur dem Volk aufs Maul schaut, sondern auch das Evangelium in seine Sprache übersetzt." Ist das nicht doch ein Ansatz von Personenkult um Sie eben so wie um ihn?

Käßmann: Na, jetzt muss ich mal sagen, das ist nicht mein Text, …

Weber: Das weiß ich.

Käßmann: … sondern das ist der Text des Verlages, der das Buch verkaufen möchte. Ich hielte einen Personenkult für absolut unevangelisch. Wenn es einen gibt, dann höchstens um Jesus Christus, der im Zentrum steht, und Luther als Kultfigur ist in der evangelischen Kirche so auch nicht mehr präsent. Also ich muss sagen, dass die Theologie nach 1945 Luther auch sehr kritisch aufarbeitet bis zu heftigen Distanzierungen. Ich erinnere mich, dass es in meiner Theologiestudierendenzeit beispielsweise ein Lied wie "Ein‘ feste Burg ist unser Gott" nicht mehr gesungen wurde. Das sang kein Mensch, weil gesagt wurde, ein solcher martialischer Luther in seinen Formulierungen "Gut, Weib, Ehr, Kind: Lass fahren dahin", so einen Luther wollen wir nicht, und wir distanzieren uns eher von Luther und konzentrieren uns auf den Gelehrten Melanchthon, der weise über die Dinge reden kann, der Lehrer der Deutschen war, und nicht diesen Poltergeist Luther. Also da gab es eher einen Distanzierung – und dann '83, beim Luther-Jubiläum, daran erinnere ich mich noch ganz gut, war auf einmal fast erschreckender, dass er in der DDR nun gefeiert wurde. Er, der sonst immer als der Fürstenknecht eigentlich verachtet wurde, da war Thomas Münzer viel stärker im Mittelpunkt des Gedenkens, und nun war auf einmal Luther derjenige, der ganz stark gefeiert wurde.

Weber: Vordenker einer sozialistischen deutschen Nationalkultur, hieß es damals.

Käßmann: Ja, das wusste ich noch nicht mal, aber ich erinnere mich daran, dass so eine Verwunderung da war, auf einmal wird Luther in der DDR ganz groß geschrieben. Also ich kann nicht sehen, dass es einen Kult um Luther geben wird, aber eine Luther-Rezeption, und die finde ich auch wichtig, weil das muss man mal sagen: Aus Deutschland ist da ein Gedankengut in die Welt gegangen, das hat ja in Wittenberg und in Deutschland nicht aufgehört, sondern diese Freiheit eines Christenmenschen, das Einzelgewissen, das Individuum, ich würde sagen, das geht bis hin zur französischen Revolution, zur Frage: Hat nicht jeder Mensch gleiche Rechte, auch vor der kirchlichen und weltlichen Autorität seine Position zu bestimmen, bis hin zur Demokratie und zu den individuellen Menschenrechten?

Weber: Sie sagen, es ist von Deutschland ausgegangen natürlich mit Luther, aber man muss sehen, die Reformation war eine größere Bewegung, begann auch schon 100 Jahre früher mit Jan Hus in Böhmen. Ist das nicht eine sehr deutsche Art, die Reformation zu feiern, wenn wir sagen, 2017 – also 1517 – ist unser Gedenktag, wir konzentrieren uns auf Martin Luther?

Käßmann: Das ist sicher ein Ansatz, der sehr stark von dem Fixieren auf Wittenberg ausgeht, aber ich möchte noch mal betonen, ich bin auch Botschafterin für das Reformationsjubiläum. Das haben wir bewusst so gewählt, weil wir sagen können, natürlich ist der 31. Oktober 1517 ein Symboldatum. Aber Sie haben Jan Hus schon erwähnt, der in Konstanz hingerichtet wurde. Das hätte Luther auch passieren können, wenn es eine unterschiedliche politische Konstellation zu seiner Zeit gegeben hätte. Und mir liegt schon dran, das Reformationsgeschehen insgesamt zu sehen, also bis hin zum Augsburger Bekenntnis, das ja eigentlich noch mal ein Versuch war, die Kirche zusammenzuhalten. Dass daraus dann auch schreckliche Konfessionskriege entstanden sind, all das ist in der Geschichte auch zu sehen, aber ich finde auch wichtig, die anderen Figuren zu entdecken. Ich möchte beispielsweise auch Wert drauf legen, dass viele Frauen nicht nur Ehefrauen waren, sondern nehmen wir mal Katharina von Bora. Was für ein Wagnis für eine Nonne, einen Mönch zu heiraten und Kinder zu bekommen – in der Zeit wurde ihr ja auch prophezeit, das würden alles Missgeburten, Fehlgeburten werden –, also die Frauen der Reformation beispielsweise zu sehen und die anderen Gestalten bis hin zum Schweizer Zweig der Reformation, zu dem, was sich dann als Reformierte Kirche gegründet hat, das ist mir schon wichtig, den gesamten Prozess zu sehen.

Weber: Sie sind Botschafterin. Wenn man sich Botschafter im politischen Sinne anschaut, dann müssen die sehr viel repräsentieren, die inhaltlichen Entscheidungen und Auseinandersetzungen führen aber eigentlich andere in der Politik. Ist das ein bisschen die Gefahr auch für Sie, dass sie viel repräsentieren und viele Veranstaltungen machen werden, aber doch wenig Zeit zur inhaltlichen Aufarbeitung eben dieser schwierigen Rezeptionsgeschichte, dieser problematischen Seiten von Luther bleibt?

Käßmann: Ganz sicher ist die Rolle Botschafterin gewählt worden nach dem Motto: Die evangelische Kirche in Deutschland trägt natürlich das Jubiläum, die wird auch die Jubiläumsveranstaltung konzipieren und jetzt diese ganze Reformationsdekade inhaltlich führen. Die Botschafterin soll die Botschaft nach außen tragen, das heißt in den säkularen Raum, aber natürlich auch im Kontakt mit anderen Kirchen in der ökumenischen Bewegung, die ich gut kenne aus den ganzen Jahren, die ich im ökumenischen Rat der Kirchen beispielsweise tätig war. Für mich ist das persönlich, muss ich sagen, eine ideale Chance, weil ich soll lesen, reden, schreiben, predigen, Vorträge halten zu diesem Reformationsjubiläum… und das ist natürlich eine wunderbare Aufgabe, ohne dass ich mich in 15 verschiedenen Gremien abarbeiten muss.

Weber: Luther schreibt – das kommt auch in ihrem Buch vor – : "Der böse Geist lässt uns hübsche Kirchen bauen, viel stiften, pfeifen, lesen und singen, viele Messen halten und ein maßloses Gepränge treiben." Wenn deswegen das allgemeine Kirchengebet untergeht, dann habe der böse Geist erreicht, was er suche. Kann denn eigentlich so ein großes Jubiläum, bei dem doch auch viel gepfiffen wird und es viel Gepränge geben wird, kann das in Luthers Sinn sein, oder müssten Sie nicht eigentlich in jede Dorfkirche in Deutschland reisen und da über Luther reden, wäre das nicht eher in seinem Sinne?

Käßmann: Wir müssen ja sagen, dass in den Kirchengemeinden, denke ich, das Jubiläum mehr und mehr Tritt fasst, und ein Bewusstsein dafür da ist, dass dieses Jubiläum kommt. Und ich hatte auch den Eindruck in den letzten Jahren, in denen ich Bischöfin war, dass dieses Bewusstsein, was heißt eigentlich evangelisch sein, was bedeutet evangelisch sein in unserer Zeit, recht groß ist. Was das Gepränge betrifft, glaube ich nicht, dass geplant ist, das hier mit großem Prunk und Gloria zu feiern, das Jubiläum. Aber ich finde es schon richtig, sich das Gedächtnis auch zu erhalten – wir sind so eine unhistorische Zeit, in der immer alles neu und innovativ sein soll –, zu sagen, hier ist eine großartige Tradition, die bis heute Bedeutung für uns hat.

Das halte ich auch für zentral und von Bedeutung, und, ach, Luther würde über manches schimpfen, wenn er unsere Kirche heute sehen würde, das ist mir schon klar. Es gibt nicht nur Kritik von uns an Luther rückwärts gesehen, sondern wenn wir Luther heute sehen würden, würde er wahrscheinlich sagen, warum passiert nicht mehr, warum macht ihr nicht mehr, warum lasst ihr zu, dass so viele Menschen sich abwenden vom Glauben mitten in eurer Gesellschaft, und geht dem nicht mehr nach? Allerdings hat er manchmal in Wittenberg geschimpft, wenn die Kirche nicht gut gefüllt war.

Weber: Dafür wurde er oder wird er ja auch bis heute geschätzt, dass er immer klare Worte gefunden hat. Die katholische Kirche haben Sie schon erwähnt. Es ist nicht ganz einfach zurzeit, muss man doch sagen, trotz der freundlichen Worte des Papstes über Martin Luther. Wie werden Sie die katholische Kirchenspitze davon überzeugen können, dass es wirklich einen Grund zu feiern gibt 2017?

Käßmann: Die Gespräche mit der römisch-katholischen Kirche finden ja schon länger statt, und die Frage "Wollt ihr eine Spaltung feiern?" steht natürlich im Raum. Ich denke aber, wir können doch fragen, ob nicht beispielsweise was 1990 stattgefunden hat in Augsburg, diese Feier, dass wir heute das theologische Verständnis der Rechtfertigung als Laien aus Glauben so formulieren können, dass die Verwerfungen des 16. Jahrhunderts uns nicht mehr treffen, das ist doch ein riesiger Schritt in der Ökumene. Und können wir den feiern, können wir vielleicht auch fragen, was die Reformation in der römisch-katholischen Kirche verändert hat, dass die Messe beim Zweiten Vatikanischen Konzil dann eben nicht mehr in Latein, sondern in der Volkssprache gefeiert werden soll, das ist ja auch, würde ich jedenfalls behaupten, ein langfristiges Ergebnis der Reformation.

Die reformatorischen Kirchen sind keine neuen Kirchen des 16. Jahrhunderts, sondern sind Erben der alten Kirche, die mit ihrem Teil einen anderen Weg gegangen sind im 16. Jahrhundert, und dann noch mal zu fragen, was ist das Gemeinsame, was das Trennende? Natürlich erwarten wir, dass die römisch-katholische Kirche die Kirchen der Reformation als Kirchen im vollen Sinne anerkennt, damit der Weg zum gemeinsamen Abendmahl frei wird, und diese kritischen Diskussionen müssen auch geführt werden. Ich denke, was Papsttum betrifft, Ablass, das sind Themen, die heute genau so strittig sind zwischen evangelischen Kirchen und römisch-katholischer Kirche wie damals.

Weber: Sie wurden in ihren bisherigen Ämtern ja auch für Ihre klaren Worte geschätzt, auch zur Politik – ich sage nur das Stichwort Afghanistan –, können Sie als Reformationsbotschafterin auch noch zu Afghanistan oder Syrien oder was auch immer aktuell ist, sprechen oder könnte Ihnen da vorgeworfen werden, Sie würden jetzt Martin Luthers Andenken irgendwie instrumentalisieren?

Käßmann: Meine primäre Aufgabe wird nicht sein, Politik zu kommentieren. Eine Bischöfin hat da einen ganz anderen Auftrag, denke ich, weil sie gefragt wird, was sagt die Kirche dazu. Andererseits gibt es in der evangelischen Kirche keinen Maulkorberlass. Jeder Pfarrer, jede Pfarrerin darf über aktuelle Themen sprechen in ihren Predigten, und ich kann mir nicht vorstellen zu predigen und zu sagen, das ist jetzt ein abgeschlossener, unpolitischer Raum. Das war für mich immer die Frage, wie man sich das vorstellen kann, beispielsweise wenn in der Bibel steht, der Fremdling, der unter euch wohnt, den sollt ihr schützen, dann kann ich nicht sagen, es hat aber überhaupt nichts zu tun mit unserer Zeit und der Asylgesetzgebung heute. Oder Gerechtigkeit und Frieden sollen sich küssen, da kann ich nichts sagen, das hat überhaupt nichts mit den Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit zu tun. Und das ist nun gerade Luther, der das Evangelium immer in den eigenen Kontext übersetzt. Und ich denke nicht, dass irgendjemand von mir erwartet, dass ich das nicht tue als Reformationsbotschafterin.

Weber: Wir sind gespannt auf Ihre Predigten. Vielen Dank, Margot Käßmann, Reformationsbotschafterin der evangelischen Kirche. Am kommenden Freitag findet der Einführungsgottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche statt. Das Buch "Schlag nach bei Luther – Texte für den Alltag" ist erschienen bei der Edition Chrismon, hat 176 Seiten und kostet 14,90 Euro.

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Margot Käßmann; Pastorin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers
Margot Käßmann© Deutschlandradio - Bettina Straub