Willehadi-Gemeinde

Kirche abgebrannt – und jetzt?

Gesangsbücher liegen in Garbsennach dem Brand in der Kirche der Willehadi-Gemeinde mit Löschschaum bedeckt im Kirchenraum, Juli 2013
Gesangsbücher liegen nach dem Brand mit Löschschaum bedeckt in der Kirche der Willehadi-Gemeinde. © picture alliance / dpa
Von Christian Röther  · 20.07.2014
Vor einem Jahr stand in Garbsen, einer Vorstadt von Hannover, eine Kirche in Flammen. Die Brandstifter sind noch immer nicht gefasst. Verletzt wurde damals niemand, aber das Feuer hat bleibende Spuren hinterlassen.
Die Stadtbahn hält eine halbe Fahrstunde von Hannovers Innenstadt entfernt. Garbsens Stadtteil Auf der Horst wurde in den 60er Jahren am Reißbrett geplant und auf freiem Feld errichtet. So auch die evangelische Willehadi-Kirche, die damals etwa dreimal so viele Mitglieder hatte wie heute.
Hartmann-Kohnen: "Der ganze Stadtteil ist sicherlich auch wegen der Gebäudestruktur, also der kleinen Wohnungen und der etwas älteren Bausubstanz, auch nicht mehr von sehr vielen deutschen Familien bewohnt, sondern von ja sehr viel auch muslimischen Menschen."
Gertraude Hartmann-Kohnen ist Mitglied im Kirchenvorstand von Willehadi. Im Stadtteil leben Menschen aus 160 Nationen, berichtet sie, und auch in der kirchlichen Kita sind christliche Kinder inzwischen in der Minderheit. Eine typische Vorstand mit einigen sozialen Spannungen – die allerdings seit einiger Zeit von Brandstiftungen erschüttert wird. Knapp 60 hat es laut der Polizei allein im Jahr 2014 in Garbsen bereits gegeben. Am 30. Juli 2013 traf eines der Feuer die Willehadi-Kirche und ihr Gemeindehaus.
"Ich hörte in der Nacht die Sirene, drehte mich um und dachte, hoffentlich ist es nicht die Kirche. Weil nämlich in den Tagen und Wochen vorher in der Umgebung immer gezündelt wurde. Und ne halbe Stunde später kam ein Anruf. Frau Muckelberg rief mich an und sagte, die Kirche brennt. Und dann bin ich hier her, sah die vielen Flammen, die Feuerwehrautos, sah die Kirche, wie sie brannte und mein erster Gedanke war, ja, jetzt ist alles vorbei."
Günter Seeber kann sich sehr gut an die Brandnacht erinnern. Als Mitglied im Kirchenvorstand der Willehadi-Gemeinde hat er die große Trauer genauso miterlebt wie den darauf folgenden neuen Mut, der schon am Morgen nach der schlaflosen Nacht entstand.
"Wir standen dann zusammen und sagten, das darf nicht sein. Wir dürfen uns hier nicht geschlagen geben. Willehadi muss wieder entstehen und wir werden wieder aufbauen."
Jetzt sind die Kirchenreste von einem Bauzaun umgeben, an dem vom Regen durchnässte bunte Bändchen und Sterne als Zeichen der Hoffnung baumeln. Der Kirchturm steht noch, ragt frisch gestrichen 30 Meter in den Himmel. Ein paar Mauern und der Altar haben das Feuer ebenfalls überstanden. Von Dach und Fenstern keine Spur mehr.
Röther: "Hier war aber eigentlich auch Mauer?"
Hartmann-Kohnen: "Ja, das war ganz verkohlt. Das heißt, Moment, ich muss mal gerade überlegen. Hier war der Eingang, dort war Mauer und dort war also der Beginn, also der Ausgangspunkt des Brandes."
Neues Gemeindehaus neben den Kirchenresten
Direkt neben den Kirchenresten ist das neue Gemeindehaus bereits im Bau, es war schon vor dem Feuer geplant. Ein paar Meter weiter steht ein grauer Container, wie man ihn oft auf Baustellen sieht. Nur halten sich hier keine Bauarbeiter auf – der Container dient der Gemeinde als Kirche und Gemeindehaus zugleich. Eine Notunterkunft, die man inzwischen ins Herz geschlossen hat, wie Gertraude Hartmann-Kohnen erzählt.
"Und jetzt ist es aber eigentlich auch sehr schön. Einerseits natürlich sehr eng und die Luft wird manchmal schlecht, aber es entsteht auch ein sehr schönes Gemeinschaftsgefühl, wenn man so eng beieinander sitzt und Gottesdienst feiert und von daher haben wir eigentlich ein bisschen Heimat gefunden auch in diesem Container."
An der grauen Wand hinter Stuhlstapeln, Keyboard und kleinem Altar hängt ein Foto. Es zeigt die verkohlte Christus-Plastik der Willehadi-Kirche. Günter Seeber hat sie fotografiert.
"Der Christus ist vielleicht das stärkste und ergreifendste Symbol des Brandgeschehens. Die Kirche ist ja völlig zusammengebrochen. Das Dach ist auf das Gestühl gefallen, alles hat gebrannt. Die Fenster waren zerbrochen. Und am Tage nach dem Brand konnte man durch die zerbrochenen Fenster den Christus sehen, und zwar einen Christus, auf dessen Schultern ein verbrannter Balken lag: Christus, der die Last trägt. Ein wirklich ergreifendes Bild."
Jetzt soll der Christus restauriert werden und in der neuen Kirche einen neuen Platz bekommen. Ein Mahnmal an die schwere Zeit und ein Mutmacher zugleich.
"Diese Stunden hier in der Brandumgebung, das war fassungsloses Entsetzen. Auch deshalb, weil sehr viele Leute herumstanden, die sich das anschauten, und einige zeigten eine heimliche Freude. Das war schwer zu ertragen."
Neben den respektlosen Reaktionen einiger Jugendlicher gab es aber auch große Solidarität im Stadtteil. Gottesdienste konnten ins Seniorenheim und in die Schulaula verlegt werden. Und auch von der benachbarten katholischen Gemeinde gibt es Unterstützung, erzählt Renate Muckelberg, die seit 24 Jahren Pastorin in Willehadi ist.
"Also jetzt während der geplanten Zeit, wo wir kein Gemeindehaus hatten, ist unser Büro bei den Katholiken, die gleich nebenan sind. Viele Veranstaltungen und auch Gottesdienste sind jetzt auch in der katholischen Kirche und das geht ganz ohne Probleme und das ist wunderbar. Also da haben wir auch sehr viel Zuspruch und großzügige Gastfreundschaft erlebt."
Die Ermittungen ruhen
Und nicht nur die christlichen Konfessionen helfen sich gegenseitig. Groß ist auch die Unterstützung der muslimischen Bevölkerung, sagt die Pastorin.
"Es hat hier am Sonntag nach dem Brand eine Mahnwache gegeben der islamischen Gemeinden, die haben hier auf dem Kirchplatz gesessen und haben uns mit Tee und Essen versorgt, obwohl sie selber im Ramadan waren. Das heißt, sie durften erst gar nichts essen. Also die Anteilnahme auch der muslimischen Bevölkerung war sehr groß, weil die auch auf dem Standpunkt stehen, ein Gotteshaus darf man nicht anzünden."
Wer für das Feuer verantwortlich ist, ist nach wie vor unklar. Die Ermittlung ruhen, sagt eine Polizeisprecherin. Nur eines steht fest: Das Feuer wurde vorsätzlich gelegt. Der Brand wurde schnell mit Jugendlichen in Verbindung gebracht, die sich öfters in der Nähe der Kirche aufgehalten hatten. Rechte Gruppen wollten das Feuer deshalb politisch nutzen, so Renate Muckelberg.
"Es hat relativ schnell nach dem Brand Versuche von politisch rechter Seite gegeben, den Brand irgendwie ausländerfeindlich zu missbrauchen und hier auch dann so kleine Demonstrationen zu machen. Aber das hat überhaupt nicht gefruchtet. Es waren immer sofort auch von allen politischen Parteien und von Kirchengemeinden sozusagen stille aber deutliche Gegendemonstrationen, dass wir uns hier nicht entsolidarisieren lassen."
Röther: "Wo hing die Orgel?"
Muckelberg: "Die Orgel war da, wo nichts mehr ist."
Inzwischen ist der Blick der Gemeinde mit ihren 3.000 Mitgliedern wieder nach vorn gerichtet. Das Gemeindehaus soll zu Weihnachten fertig sein, dann hat der Container ausgedient. Der Bau der Kirche wird noch zwei Jahre länger dauern. Moderner und flexibler soll sie werden. Auch Gertraude Hartmann-Kohnen und Günter Seeber schauen nach vorne.
Hartmann-Kohnen: "Die Trauerarbeit ist jetzt einfach erst mal vorbei und wir können uns auch schon anfangen ein bisschen, auf etwas neues zu freuen."
Seeber: "Was uns aber auch deutlich wird ist, dass in allem Unglück doch auch eine neue Chance liegt und ganz neue Möglichkeiten sich eröffnen. Und das ist eine Herausforderung und eine positive Sicht, die wir nutzen wollen."