Wiener Video Archiv

Futter für die Forschung

Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin wird 1977 ein neuer Videorekorder vorgestellt, der über zwei Stunden aufnehmen kann
Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin wird 1977 ein neuer Videorekorder vorgestellt, der über zwei Stunden aufnehmen kann © picture alliance / dpa / DB Giehr
Gabriele Fröschl im Gespräch mit Max Oppel · 07.03.2017
Es sind Schätze: Alte Videofilme aus den 80er- und 90er-Jahre. Das Archiv Wiener Video Recorder hat tausende Filmstunden - Material österreichischer Familien - digitalisiert. Darunter befindet sich auch Material für die Forschung, so Projekt-Mitarbeiterin Gabriele Fröschl.
"Hallo, Mausi, guck doch mal in die Kamera!" Diese Aufforderung an "Mausi" kam meistens vom Papa, der mit Schmalfilm- oder Videokamera bewaffnet, das Familienleben für die Ewigkeit festhalten wollte.
Und seit Videokameras in den 1980er-Jahren relativ billig zu haben waren, wurde das private Filmen zu einem Massenphänomen. Gefilmt wurden nicht nur Urlaubsreisen und Familienfeiern, sondern auch die Gartenarbeit, das Heranwachsen der Kinder sowieso, die Haustiere. Abertausende von Videocassetten lagern vermutlich noch auf den Dachböden und Kellern von Hobbyfilmern und setzen Stauban, weil VHS-Recorder längst aus den Wohnzimmern verbannt worden sind.

Schätze auf dem Dachboden

Aufregend sind diese Filme nicht – und von Wert höchstens für die unmittelbar Beteiligten. Könnte man meinen. Gabriele Fröschl vom Projekt "Wiener Video Recorder" der Österreichischen  Mediathek ist anderer Meinung. Rund 3.000 Stunden solcher privaten Videoaufnahmen vor allem aus den 80er und 90er Jahren hat sie mit Kollegen für das Archiv zusammengetragen. Nach einem Aufruf der Österreichischen Mediathek hatten sich viele Privatleute gemeldet und den Archivaren Zugang zu ihren Schätzen gewährt. Die Filme wurden digitalisiert und sind seit einer Woche – unter diversen Themen-Rubriken - online abrufbar. Für Fröschl sind die Videocassetten wichtige Zeitdokumente, die das Archiv vor dem Verfall bewahrt.
"Wichtig ist es auch für die Forschung. Das ist der Hauptpunkt bei diesem Projekt: dass wir uns gedacht haben: Es wäre doch auch spannend, wenn es mehr Material gäbe, zum Beispiel aus der Zeit um 1900."

Palmyra - noch intakt

Statt dessen sind es nur die 80er/90er Jahre. In ein paar Jahrzehnten, glaubt Gabriele Fröschl, werde auch diese Epoche ebenso interessant sein wie heute hundert Jahre alte Filmaufnahmen der Jahrhundertwende. Aber schon jetzt sind einige Schätze erkennbar: Etwa ein Urlaubsfilm aus dem syrischen Palmyra aus den 90er Jahren – friedlich, intakt und in voller antiker Schönheit. Oder eine Taxifahrt durch das nächtliche Manhattan 1985 – als New York City noch ein gefährliches Pflaster war.
Solche Dokumente und auch anderes, privates Material könnten tatsächlich einmal interessant für Forscher verschiedener Disziplinen werden.
"Es wurde auch tatsächlich schon geforscht mit diesem Material. Zum Beispiel zum Thema Hausbau oder zum Thema: Wie wird Familie inszeniert in Videos."
Letzteres dürfte spannend für Sozialwissenschaftler sein. Die kommentierten Videos würden eine Familiengeschichte erzählen, sagt Fröschl. "Und da ist es dann interessant: Wer erzählt denn eigentlich diese Geschichte aus der Familie?" Oft sei dies der Mann, der Vater.
In anderen Filmen wiederum vermische sich Privatheit mit Öffentlichkeit – etwa Szenen einer Demonstration.

Die Filme kann man sich auf der Website des Wiener Video Recorders anschauen: www.wienervideorekorder.at