Wiener Kongress

Mächtige Frauen im Hintergrund

Der österreichische Staatsmann versuchte durch Kongreßdiplomatie, die vorrevolutionäre politische und soziale Ordnung in Europa wiederherzustellen. Er bekämpfte alle liberalen und revolutionären Bewegungen. Klemens Wenzel Fürst von Metternich wurde am 15. Mai 1773 in Koblenz geboren und ist am 11. Juni 1859 in Wien gestorben. Die zeitgenössische Darstellung zeigt stehend (l-r): Wellington, Lobo da Silveira, Saldanha da Gama, Löwenhjelm, Noailles, Metternich, La Tour du Pin, Nesselrode, Dalberg, Rasumofsky, Stewart, Clancarty, Wacken, Gentz, Humbold, Cathcart sowie sitzend (l-r): Hardenberg, Palmella, Castlereagh, Wessenberg, Labrador, Talleyrand und Stackelberg.
Der Wiener Kongress fand vom 18. September 1814 bis 9. Juni 1815 statt. © picture alliance / dpa / Votava
Rezensent: Stefan May · 29.08.2014
Prunkvolle Empfänge, exklusive Soiréen, informelle Gespräche. Die Kulturwissenschaftlerin Hazel Rosenstrauch stellt spannend und detailliert dar, wie gebildete und kluge Frauen vor 200 Jahren den Wiener Kongress beeinflussten.
Im November vor 200 Jahren begann der Wiener Kongress, auf dem sich die mächtigen Männer Europas trafen, um nach der Niederlage und Verbannung Napoleons Europa neu zu ordnen. Aber nicht nur mächtige Männer spielten dort eine wichtige Rolle, sondern auch nicht weniger mächtige Frauen – wie Hazel Rosenstrauch in ihrem lesenswerten Buch nun offenbart: Sie luden zu prunkvollen Empfängen, berieten die Mächtigen und vermittelten Gespräche.
Bälle, Salons und Soiréen
Die Autorin stellt überraschend selbstständige, gebildete und kluge Frauen vor, die den Kongress in ähnlichem Ausmaß beeinflussten wie die Männer. Zwischen allem Treiben hielten Damen der ersten und zweiten Gesellschaft ihre Salons, wo die "Entscheider" gerne gesehene Gäste waren. Spötter unterschieden die Frauen, die beim Kongress mitmischten, in "Elegänse und Intelligänse". Die Gräfin Fuchs wurde als die "Königin" des Kongresses beschrieben, zu den Soiréen von Molly Zichy-Ferrari fand nur besonders auserwähltes Publikum Einlass.
Weniger steif als in der Hocharistokratie soll es bei den Empfängen der "zweiten Gesellschaft" zugegangen sein, bei Gastgeberinnen also, die dem Geldadel angehörten, oder den für ihre Leistungen geadelten Juden in der Habsburger-Monarchie - etwa bei Fanny von Arnstein. Rahel Levin kam mit ihrem am Kongress teilnehmenden Mann von Berlin nach Wien, nannte sich hier Friederike Varnhagen von Ense und wurde von Heinrich Heine als "geistreichste Frau des Universums" bezeichnet. Der Einfluss der Frauen war, weil sie nicht am Verhandlungstisch saßen, informeller Natur, weshalb Rosenstrauch keine konkreten Kongress-Ergebnisse bestimmten Frauen zuordnet. Deren Einfluss lässt sich wohl eher mit dem der Lobbys in der EU von heute vergleichen.
Die Staatspolizei hörte mit
Hazel Rosenstrauch berichtet bisher kaum bekannte Details, erzählt aber immer spannend, indem sie den handelnden Personen Leben, Farbe und Persönlichkeit verleiht. Offenbar wurde die Autorin auch deshalb so fündig, weil die Staatspolizei bei all den gesellschaftlichen Ereignissen mithörte, Aufzeichnungen führte und das Spitzelwesen blühte.
Nach nicht einmal der Hälfte des Buches weitet die Autorin ihr Thema aus: Dann erzählt sie über die Geschichte des politischen Ereignisses, doch auch schreibt sie kein trockenes Geschichtsbuch, sondern zieht erstaunliche aktuelle Parallelen: etwa zwischen dem Kongress und der Unentschlossenheit der heutigen EU. Auch wenn Rosenstrauch beim Wiener Kongress einen Masterplan vermisst, so mutet der Kongress doch erstaunlich modern an: Nicht nur, dass erstmals Frauen so viel Einfluss auf das Geschehen hatten wie nie zuvor, sondern auch als erste gesamteuropäische Veranstaltung mit zähen Verhandlungen und Ergebnissen, mit denen niemand richtig zufrieden ist. Genauso wie heute.

Hazel Rosenstrauch: Congress mit Damen – 1814/15: Europa zu Gast in Wien
Czernin Verlag, Wien 2014
144 Seiten, 18,90 Euro

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