Wiener Klassik

Schlachtenlärm im Surround-Sound

Von Matthias Sträßner · 08.12.2013
Es war einer der größten Triumphe, die Ludwig van Beethoven zu Lebzeiten feiern konnte: Am 8. Dezember 1813 wird "Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria" zusammen mit seiner 7. Sinfonie in Wien uraufgeführt. Der Abend wird umjubelt - und kostet Beethoven eine Freundschaft.
Wenn Waffen sprechen, schweigen die Musen, sollte man meinen. Aber das ist ein weitverbreiteter Irrtum. Nicht selten treten Kunst und Kriegskunst, Ars und Mars, gemeinsam auf. Und noch dazu ziemlich laut. So auch am 8. Dezember 1813, als Johann Nepomuk Mälzel und Ludwig van Beethoven
"zum Besten der bei der Schlacht bei Hanau invalide gewordenen österreichischen und bayerischen Krieger"
in Wien ein Wohltätigkeitskonzert gaben. Auf dem Programm: die Uraufführung der 7. Sinfonie und "Wellingtons Sieg oder Die Schlacht von Vittoria". Ein Werk, das sich freilich einer anderen Schlacht, eben jener nahe der baskischen Stadt Vittoria, widmet .
Johann Nepomuk Mälzel, der gerissene aber auch geniale Konstrukteur, der seine "Musik- Apparate" durch Empfehlung Beethovens erfolgreich an den Markt zu bringen wusste, hatte sich ein Höllenspektakel einfallen lassen. Der Schlachtenlärm sollte akustisch eingefangen und in "Sensurround" mit dem von ihm entwickelten Panharmonikon zu Ohren gebracht werden. Das Publikum sollte das Gefühl haben, live bei der Schlacht dabei zu sein.
Mälzels Vermutung, dass ein Werk, das den Triumph Wellingtons über Napoleon darstellte, beträchtliche Einnahmen im In- und Ausland abwerfen müsse, vorderhand für die Kriegsopfer, genau genommen aber vor allem für die Künstler, ging in Erfüllung: das Stück brachte immense Einkünfte, auch für Beethoven, der dann doch noch eine Orchesterfassung erstellte. "Wellington`s Sieg" wurde, was die Publikumsresonanz angeht, Beethovens erfolgreichstes Werk.
Ärger mit dem Kritiker
In diesem Zusammenhang ist weniger erstaunlich, dass der geschäftstüchtige Mälzel ein kompositorisches Konzept erstellte, in welchem dem Schlachtenheld Wellington und dem "Nationalgefühl" geschmeichelt werden sollte, als dass Beethoven hier wirklich auf die Vorschläge eines Dritten einging. Der Komponist Ignaz Moscheles:
"Ich war Zeuge von dem Ursprunge und dem Fortschreiten dieses Werkes und erinnere mich, dass Mälzel nicht allein mit Entschiedenheit Beethoven überredete, dasselbe zu schreiben, sondern ihm sogar den ganzen Plan desselben vorlegte; er selbst schrieb alle Trommelmärsche und Trompeten-Signale der französischen und englischen Armeen, gab dem Komponisten mancherlei Wink, wie er die englische Armee beim Erklingen des ‚Rule Britannia‘ ankündigen, wie er das ‚Malbrook‘ mit ungeheurer Kraft einführen, die Schrecken der Schlacht schildern und das ‚God save the King‘ mit Effecten versehen sollte, welche die hurrahs einer großen Menge darstellten. Sogar der unglückliche Einfall, die Melodie des ‚God save the King‘ zum Thema einer Fuge in schneller Bewegung zu machen, stammt von Mälzel."
Noch erstaunlicher ist, wer damals alles im Orchester saß, um bei diesem patriotischen Akt dabei zu sein. Die Liste der Künstler, die bereitwillig mitwirkten, liest sich heute wie ein Who`s who der Wiener Musik-Szene. Um nur einige zu nennen: Louis Spohr und Ignaz Schuppanzigh spielten bei den Violinen mit, Antonio Salieri gab den Takt der Trommeln und Kanonaden, Johann Nepomuk Hummel und Giacomo Meyerbeer waren für die Kanonenschläge zuständig.
Über dem Erfolg und über die Urheberfrage von "Wellingtons Sieg" zerbrach die Freundschaft zwischen Mälzel und Beethoven, und bald meldeten sich auch die ersten Kritiker. Gottfried Weber zum Beispiel:
"Jeder, je theurer ihm Beethoven und seine Kunst ist, muß wünschen, daß doch recht bald die Vergessenheit den versöhnenden Schleier werfen möge über solche Verirrung seiner Muse."
Das wollte Beethoven dann doch nicht auf sich sitzen lassen. Jetzt richtete er die Kanone auf den Kritiker und schrieb an den Rand der Rezension:
"Ach du erbärmlicher Schuft, was ich scheiße ist beßer, als was du je gedacht."