Wiener Burgtheater

Beinahe ein Heimatstück

Das Wiener Burgtheater
Das Uraufführungspublikum im Wiener Burgtheater war von "Die Unverheiratete" sehr angetan. © picture-alliance / dpa / Georg Hochmuth
Von Bernhard Doppler · 14.12.2014
In "Die Unverheiratete" inszeniert Robert Borgmann die Geschichte einer inzwischen gealterten Frau, die 1945 einen Deserteur denunzierte. Auf der Bühne sind ausschließlich Frauen, souverän setzen sie die eigenwillige Syntax des Dramatikers Ewald Palmetshofers um.
Mehr als eine historische Randnotiz ist der Vorfall, der Ewald Palmetshofers Drama "Die Unverheiratete" zugrunde liegt, nicht: Im April 1945, kurz vor Kriegende, hatte in einem oberösterreichischen Dorf eine Frau einen Wehrmachtsoldaten denunziert, als dieser angedeutet hatte, er wolle desertieren, und ihn mit dieser Denunziation wissentlich der Todesjustiz der Nazis ausgeliefert. Nach dem Krieg wurde jener Frau der Prozess gemacht. Sie wurde zu einer längeren Gefängnisstrafe verurteilt.
Wie erinnert man diese Tat? Die Frau, "Die Alte", inzwischen 90 Jahre, hat einen Schwächeanfall. Tochter und Enkelin haben sie ins Krankenhaus gebracht und besuchen sie dort. Palmetshofers "Unverheiratete" - und das macht auch die Stringenz des Stückes aus - ist ausschließlich ein Frauenstück. Männerkommen nur indirekt vor: als Opfer der Denunziation, als vermisster Bruder, der der Tochter, bei der Auseinandersetzung mit der "Alten" hätte helfen können, als Lustobjekt der Enkelin, die "Männerkörperteile" sammelt und auf ihrem iPhone festhält.
Auch der vierköpfige Chor, der das Geschehen kommentiert, besteht aus vier Frauen. Palmetshofer, der seine Stücke schon mehrfach vor der Folie klassischer Dramen konstruiert ("Hamlet", "Faust", "Die Räuber"), bezieht sich nun bei der "Unverheirateten" in losen Assoziationen auf die "Orestie" des Aischylos: Die "Unverheiratete" kann man auch als Übersetzung des altgriechischen "Elektra" lesen, ihre Mutter könnte man mit Klytemnestra, die den heimkehren wollenden Soldaten, einen Agamemmnon also, tötet, assoziieren, den Frauenchor mit den Eumeniden, die so wie bei Aischylos die Gerichtsszene und den Übergang von altem zu neuem Recht kommentieren.
Die Figuren sprechen meist in Jamben
Auch wenn es sich beinahe um ein Heimatstück mit Stadt- Land-Gegensätzen handelt, Palmetshofer hat für seine "Unverheiratete" seine immer schon eigenwillige Dramensprache mit ihrer eigenwilligen Syntax (verdrehte Wortstellung, Auslassungen von Hilfszeitwörtern, Negation in der Regel am Ende des Satzes) noch weiter geschraubt und die Figuren meist in Jamben sprechen lassen. Von einem leicht durchschaubarem, etwas fad werdenden Manierismus wäre das nicht allzu weit entfernt, wenn das Frauenseptett des Burgtheaters nicht so souverän mit Palmetshofers Textvorlage umginge und sie leidenschaftlich theatralisch für große Monologe nutzte: Elisabeht Orth als eigensinnige Großmutter, Christiane von Pölnitz als um Auseinandersetzung bemühte Tochter, Stefanie Reinsberger als Enkelin in betrunkener Raserei.
Das Uraufführungspublikum war davon sehr angetan. In Robert Borgmanns Inszenierung und Bühnenraum, - drei Gräber mit schwarzem Erdreich - hatte aber Palmetshofer Stück vor allem eine solide effektvolle, eindrucksvolle Basis, die in der Antike und Gegenwartsthematik klug miteinander verschränkt erschienen. Wechselnde Kostüme des Frauenchors vom Rokoko-Kleid bis zur strengen Uniform (Janina Brinkmam), Lichteffekte (Sebastian Bandl) und ein immer wieder hochgezogener roter Vorhang im Bühnenhintergrund dynamisierten geschickt den Verhandlungsgegenstand des Dramas. Mit seiner Verschränkung der Zeiten, von Gegenwart und Vergangenheit, Gefängnis und Krankenhaus, ist "Die Unverheiratete" ein braver, gut gebauter postdramatischer Text geworden. Man könnte sich gut vorstellen, wie er im Literaturunterricht analysiert wird, wenn wieder einmal das Thema Vergangenheitsbewältigung ansteht.
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