Wie smart ist das Smart Home?

Von Dirk Asendorpf · 26.07.2007
Ein Haus, das die Heizungsanlage schon ein paar Stunden vor der Rückkehr aus dem Urlaub hochfährt, das Dachfenster an heißen Tagen selbstständig öffnet und rechtzeitig vor dem Gewitterguss wieder schließt, das jedem Bewohner schon an der Tür seine Email vorliest, das von vollautomatischen Staubsaugern gereinigt wird und in der Küche einen Kühlschrank hat, der Milch und Butter nachbestellt, wenn die letzte Packung geöffnet wird – seit Jahren werden derartige Techniken entwickelt und in Versuchshäusern getestet.
Seit die Debatte um den Treibhauseffekt zum zentralen politischen Thema geworden ist, hat sich der Schwerpunkt von größerer Bequemlichkeit auf geringeren Energieverbrauch verlagert. Die Bundesregierung hat das intelligente Haus zu einem Schwerpunkt der Energieforschung erklärt.

Matthias Brucke sieht mal eben vom Büro aus nach, ob er am Morgen das Fenster im Schlafzimmer offen gelassen hat. Ein paar Klicks auf dem Handy zaubern einen Grundriss seines Hauses auf den Minibildschirm. Online kann er nun Raum für Raum kontrollieren: Heizungseinstellungen, Beleuchtung, Fenster, Verbrauchswerte. Und das nicht nur für den aktuellen Zeitpunkt, sondern auch für die Vergangenheit.

"Dann sieht man eben auf den ersten Blick, und zwar sehr zeitnah: Oh, ich habe heute Morgen geduscht, das hat 30 Liter Wasser verbraucht. Oder wir haben gestern Abend mit den Kindern gebadet, das hat 200 Liter Wasser verbraucht. Das heißt, ich habe eine sehr, sehr kurze Rückkopplung meines Verhaltens und der daraus resultierenden Effekte. Und die habe ich ja in einem normalen Haus nicht, da kriege ich am Ende des Jahres ne Rechnung präsentiert."

Der Software- und Energieexperte am Oldenburger Institut für Informatik wollte die modernen Möglichkeiten elektronischer Haussteuerung nicht immer nur theoretisch erforschen. Vor zweieinhalb Jahren hat er für seine Familie selber ein sogenanntes Smart Home gebaut.

Von außen fällt an dem Eigenheim mit 220 Quadratmetern Wohnfläche nur die Warmwasser-Solaranlage auf dem Dach auf. Die künstliche Intelligenz ist nicht zu sehen. Sie besteht aus Dutzenden winziger Sensoren und Bewegungsmelder, die über ein kilometerlanges Datenkabel mit dem zentralen Server im Keller verbunden sind. Der wiederum schaltet in leeren Räumen das Licht aus, steuert über kleine Elektromotoren die Einstellung der Heizungsventile und Rollläden und stoppt die Umwälzpumpe schon bevor das letzte Familienmitglied das Haus verlässt.

"Wir treiben das soweit, dass das Haus weiß: Hat meine Frau heute eine Vorlesung zu halten, ist sie zu Hause oder nicht, haben die Kinder nachmittags Termine und wir sind alle aus dem Haus? Ich hab mir da ne kleine Software gebaut, die in meinem Kalender guckt: Dann veranlasst das eben zum Beispiel, dass das Haus auf Stand-By heruntergefahren wird für drei, vier Stunden. Und ne Stunde bevor ich nach Hause komme, geht die Raumtemperatur wieder hoch."

Mit seiner Begeisterung für die Technik hat Matthias Brucke den Rest der Familie angesteckt. Seine Frau ist als Professorin für Controlling auch beruflich immer an Sparmaßnahmen interessiert und die Kinder nehmen Papas Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten sportlich.

"Die kommen teilweise mit eigenen Ideen, wo man noch mal was machen könnte. Wir haben schon eine Grundwasserpumpe, aber die haben überlegt, ob man nicht mit Feuchtigkeitssensor und solchen Sachen da rangehen kann."

Die einzelnen Technologien für ein energetisch optimiertes Smart Home sind längst entwickelt und auf dem Markt verfügbar. Das Problem liegt vor allem in der sogenannten Systemintegration. Denn nur wenn all die Sensoren und Steuerungselemente sinnvoll zusammenspielen, wird das theoretische Sparpotenzial auch praktisch ausgeschöpft. Als gelernter Informatiker hat Matthias Brucke sein Haus selber programmiert. Auch deshalb, weil sich weder der Elektriker noch der Heizungsbauer dazu in der Lage sahen.

"Das Haus als Gesamtsystem sich anzuschauen und genau zu gucken, wo sich welche Maßnahme rechnet, also wo man zuerst anfangen soll, das kann ein Handwerker nicht leisten. Nicht, weil er zu blöd ist, sondern weil er ne andere Ausbildung hat."

Der Sozialwissenschaftler Niko Paech hat in einem Forschungsprojekt untersucht, warum sich all die guten Ideen für energieeffiziente Gebäude nur so langsam durchsetzen.

"Jedes Haus ist ein Gesamtkunstwerk, das heißt, es hat seine Eigenarten. Sie müssen die bauphysikalische Seite kennen und sie müssen auch wissen, welche Leute darin leben, wie viel und welchen Wohnraum die in Anspruch nehmen, welche Funktionalitäten in Anspruch genommen werden. Und nur auf dieser Basis ist es möglich, so etwas wie eine Energiebilanz für ein Haus zu stellen und darauf aufbauend die richtige Empfehlung zu geben. Das kann wirklich nur der Energieberater."

Noch sind gute Energieberater äußerst rar. Und selbst die besten von ihnen können ein zentrales Dilemma nicht verhindern, nämlich die Tatsache, dass all die Elektronik im Haus nicht nur Energie spart, sondern auch selber welche verbraucht.

Matthias Brucke ist zwar sicher, dass die Bilanz in seinem Smart Home deutlich positiv ausfällt, der gesellschaftliche Trend weist allerdings in eine andere Richtung. Schon hat die Computertechnik beim weltweiten Energieverbrauch den Flugverkehr überholt. Siegfried Behrendt vom Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung:

"Wenn man sich die Zahlen zunächst mal anschaut, auch die Prognosen, dann muss man sagen, dass der ganze Bereich Informationstechnik auch und gerade im Bereich der informationstechnischen Haushaltsgerätestrukturen sehr im Steigflug begriffen ist. Die Prognosen gehen von 2001 bis 2010 von einer 90-prozentigen Steigerung allein in diesem Bereich aus. Wenn man jetzt den Bereich Internet, Netzzugang, also sprich die gesamte Netzinfrastruktur außerhalb der Gebäude hinzunimmt, dann sind dort Zuwachsraten in der Größenordnung von 150 Prozent prognostiziert. Von daher, in der Summe muss man sicherlich sagen: So smart ist das Smart Home de facto nicht."