Wie man mit Gedanken eine Maschine steuert

Von Philip Banse · 16.06.2009
Maschinen steuern wir heute mit Schaltern, Mäusen, Fingern oder unserer Sprache. Langsam rückt aber ein weiteres Medium der Mensch-Maschine-Interaktion in Reichweite: unsere Gedanken. Rollstühle, Lichtschalter, Computerspiele - alles lässt sich heute schon steuern allein mit der Kraft unserer Gedanken.
"Hier wird der Flipper mit Gedanken gesteuert. Das ist also das Extrembeispiel, wie schnell man eigentlich steuern kann."

Dr. Michael Tangermann sitzt vor einem Flipper. Sein Kopf ist bedeckt von einer Art Badekappe, aus der 64 Kabel wachsen. Unter der Haube messen 64 Sensoren die Gehirnströme. So kann er den Flipper allein mit seinen Gedanken steuern.

"Ich stelle mir vor, dass ich meine rechte oder linke Hand bewege oder dass ich meine rechte Hand bewege. Diese Signale werden vom Computer erkannt und umgewandelt in Schläge des linken oder rechten Flipperschlägers."

Michael Tangermann erwischt mit der Kraft seiner Gedanken nicht jeden Ball, aber die Trefferquote ist schon auffällig.

Elektroenzephalografie, also das Messen elektrischer Spannungsveränderungen im Gehirn, ist nicht neu. Seit fast 100 Jahren ist bekannt, dass sich der Stromfluss und damit die Spannung im Gehirn ändert, wenn es arbeitet: Riecht ein Mensch Essen, denkt er an den Heimweg oder will er seine Hand bewegen – stets entstehen an der Oberfläche des Gehirns bestimmte Muster, die sich messen lassen, erklärt Prof. Klaus-Robert Müller vom Fachgebiet Maschinelles Lernen an der Technische Universität Berlin. Leider macht das Gehirn all diese Sachen auf einmal.

"Wir sprechen immer von einer zerebralen Cocktailparty, weil man ganz viele Hirnsignale hat, die gleichzeitig aktiv sind und die man auch nur gleichzeitig messen kann. Und die Herausforderung ist, mit schlauer Signalanalytik die Handbewegung links beziehungsweise rechts raus zu holen, während man alles andere ignoriert."

Diese Isolation der gewünschten Signale hätte der Verbund aus drei Berliner Forschungseinrichtungen vorangetrieben, sagt Müller. Als die Berliner Arbeiten am Dialog zwischen Hirn und Computer begannen, hätten Menschen 300 Stunden üben müssen, um mit ihren Gedanken etwas zu steuern. So lange brauchte der Computer, um zu erfassen, wie genau das Spannungsbild aussieht, wenn ein bestimmter Mensch an seine rechte Hand denkt. Heute sei dieses Training nach 20 Minuten abgeschlossen – was die Anwendungsmöglichkeiten der Technik stark erweitert. Außerdem beweise der Flipper einen weiteren Fortschritt: die zeitliche Genauigkeit: Zwischen Gedanken an die rechte Hand und Schlag des Flipperarms vergeht nur noch sehr wenig Zeit.

"Wir wollen die Reaktionszeit, die ich hier brauche, um den Flipper zu steuern, auf wenige Hundert Millisekunden drücken. Zum anderen ist eine große Herausforderung, das System robust unter allen Bedingungen hinzubekommen. Wir müssen das System so robust hinbekommen, dass auch schwer gelähmte Patienten - und alle davon – so ein System steuern können."

Denn bei 20 bis 30 Prozent der Menschen kann der Computer bis heute keine Muster in den Gehirnsignalen erkennen. Diese Menschen sind heute nicht in der Lage, mit ihren Gedanken eine Maschine zu steuern. Warum der Computer ihre Hirnströme nicht entziffern kann? Daran forschen Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Denn nur wenn möglichst viele Menschen Maschinen mit ihren Gedanken lenken können, kann diese Technik ihr Potenzial ausschöpfen. Zielgruppe sind erster Linie behinderte Menschen. "Licht an", "Licht aus" sind Befehle, die das Gehirn geben kann. Schon bald sollen Gedanken auch einen Rollstuhl steuern oder Prothesen bewegen. Das Brain-Computer-Interface ist aber in vielen Lebensbereichen einsetzbar sagt, Projektleiter Müller:

"Mit der Automobilindustrie versuchen wir zum Beispiel zu verstehen: Was passiert, wenn ein Fahrer langsam müde wird beim Autofahren? Wir messen da konkret auf der Autobahn und versuchen rauszufinden, wann eine kognitive Müdigkeit eintritt."

Ein ganzer großer Markt für die Steuerung per Gehirn sind Computerspiele.

"Das ist hier ein Prototyp …"

Marton Danoczy und Yakob Badower haben aus der TU Berlin heraus eine Firma gegründet und eine neuartige Kappe entwickelt, um Gehirnströme für Computerspiele zu nutzen. An einem Stirnband sitzt nur noch ein Sensor. Und dessen Oberfläche muss auch nicht mehr - wie sonst üblich – der besseren Leitfähigkeit wegen mit Gel eingeschmiert werden. Ergebnis ist ein günstiges und leicht zu handhabendes Messgerät für Gehirnströme einer bestimmten Frequenz. Diese Alpha-Wellen zeigen an, ob jemand gestresst oder entspannt ist. Das macht sich ein simples Spiel zunutze.

"Der Spieler wird belohnt, indem er seine Gehirnaktivität in den richtigen Bereich bringt. Also wir spielen und wenn die Gehirnsignale im richtigen Bereich sind, funktioniert das Spiel.
Also in diesem Spiel können sie sehen, dass eine Flamme anfängt zu wachsen und plötzlich funken sprüht."

Dann weiß der Spieler, er ist entspannt. Autogenes Training leicht gemacht.

"Wir kooperieren mit Spielfirmen in den USA und wir planen halt Frühjahr nächsten Jahres auf Nintendo DS und anderen Spielekonsolen die ersten Spiele auszuliefern."