"Wie hätten wir es denn anders machen sollen?"

Von Marietta Schwarz · 06.05.2010
Zugegeben: Als vor vier Jahren der Siegerentwurf im Architektenwettbewerb für die Topographie des Terrors vorgestellt wurde, da hatte man schon ein ungutes Gefühl: Diese eingeschossige Stahlkiste mit Glasfassade und Metallgittern davor, die war in ihrer Schlichtheit zwar bestechend, aber warum sie ausgerechnet an einem der geschichtsträchtigsten Orte in Berlin stehen sollte und nicht zum Beispiel in einem Gewerbegebiet, das erschloss sich einem nicht.
Vier Jahre später steht es da, das Dokumentationszentrum. Und die Frage von damals, jene nach der Idee, sie bleibt auch jetzt unbeantwortet.

"Es ist gebaut, das ist mein Statement, was Sie hier sehen und beurteilen können","

sagt die Architektin Ursula Wilms sichtlich ungehalten. Mehr nicht. Und wenn sich ein Gebäude nicht von selbst erklärt, dann ist das zu wenig für einen Ort, der die grausame Geschichte des Nationalsozialismus erlebbar macht, einen "Ort der Täter", wie es die Stiftung Topographie des Terrors nennt. Deren Direktor Andreas Nachama ist in den vielen Jahren der Planung und Konzeption nicht müde geworden zu betonen, dass dieser Ort das eigentliche Exponat sei, dem sich alles unterzuordnen habe. Keine Inszenierung, keine Show, keine museale, ikonenhafte Architektur:

""Das Gelände ist früher mal bezeichnet worden als offene Wunde in der Stadt. Wir wollten, dass dieser Charakter des Schwierigen, Garstigen auch weiterhin von außen ablesbar ist."

Seit 1987, seit der 750-Jahr-Feier Berlins, ist dieses Gelände für die Öffentlichkeit begehbar. Eine provisorische Open-Air-Ausstellung mit Schautafeln musste herhalten um zu erklären, was nicht zu erklären ist: Die Gräueltaten des Nationalsozialismus, die hier in großem Stil geplant wurden. Nur noch Spuren sind davon sichtbar, ein paar Fundamente, aber eben auch die Spurenbeseitigung, das Verdrängen, das nachher einsetzte. Das Provisorium hatte eine ganz eigene Qualität, nämlich die des Authentischen, das sich in vielen historischen Schichten bis hin zu einem wild gewachsenen Robinienwäldchen - eine Akazienart - spiegelte.

So war der Ansatz der Architekten Ursula Wilms und Heinz W. Hallmann eigentlich richtig, das Gelände möglichst so zu belassen, wie es ist, und das Gebäude darauf möglichst klein zu halten. Und doch ist nichts mehr wie es war: Die Freiflächen sind mit Schlackesteinen gefüllt, wie man sie von Bahndämmen kennt. Ein asphaltierter Weg führt einmal tiefergelegt an den alten Fundamenten vorbei und dann außen am Gelände entlang. Der Übergang zwischen alt und neu ist teilweise überhaupt nicht mehr sichtbar. Die Masse an brutalem, ja totem Material irritiert, gleichzeitig berührt sie nicht, bleibt leere Geste. Und auch der Landschaftsarchitekt Heinz W. Hallmann liefert keine Erklärung dafür:

"Warum ist das ein Steinfeld? Warum ist das Grauwacke? Ich könnte zurückfragen: Wie hätten wir es denn anders machen sollen? Grün? Melange? Camouflage? Es geht nicht anders."

Die unentschlossene Demut vor der düsteren Geschichte setzt sich auch im Inneren fort. Grau in grau ist der eingeschossige Flachbau, dunkelgrau der Natursteinboden. Parkhausgrau die Rasterdecken aus Metall. mausgrau die glatten Sichtbetonflächen. Rundherum ist zwar der Blick nach außen gewährt, aber durch die vorgelagerten Metallgitter verschleiert. Alles ist fahles Einerlei. Eine neutrale Behausung für die Schautafeln, die auf der 800 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche zu sehen sind. Und auch da haben die Kuratoren auf Atmosphärisches verzichtet. Eine Leseausstellung nennt Kurator Andreas Sander das Konzept:

"Das ist ein Kontinuum im Projekt, auch die alte Ausstellung zeichnete sich aus durch ihre Nüchternheit, den dokumentarischen Charakter. Wir haben Inszenierungen vermieden. ... Es ist ein ganz bewusstes Prinzip, keine visuellen Reize in die Ausstellung zu bringen."

Immerhin: Die "Topographie des Terrors" funktioniert - als Forschungsstätte, als Informations- und Dokumentationszentrum. Doch die Idee, dass sich Architektur an einem historisch kontaminierten Ort neutral und sachlich verhalten kann, die ist zum Scheitern verurteilt.