Wie faire Mode funktionieren kann

Her mit dem kompostierbaren Reißverschluss!

Eine Schere liegt vor einer Nähmaschine.
Eine Schere liegt vor einer Nähmaschine. © picture alliance / dpa / Inga Kje
Von Elisabeth Nehring · 24.04.2015
Heute ist Fashion Revolution Day: Die Welt soll sich fragen, wie Mode unter fairen Produktionsbedingungen hergestellt werden kann. Elisabeth Nehring hat drei Designer getroffen, die sich darüber Gedanken machen - und beispielhaft produzieren.
Daniel Kroh: "Muss man sich das so vorstellen: Früher sprühten da die Funken drauf. Das sind ursprünglich Schweißerhosen gewesen; hier sieht man auch kleine Brandlöcher. Das ist jetzt 'ne Zimmermannshose, sieht man hier an diesen Reißverschlüssen. Das sind Schweißer. Dann haben wir das Dunkelblau, das sind Elektriker, dann haben wir Heizungsmonteure. Grün – das sind meistens Landschaftsgärtner. Dieses Grau das sind dann gern auch mal Tischler, Fliesenleger gibt’s auch usw."
Daniel Kroh steht in seinem Atelier in der Berliner Sybelstrasse – vor ihm mächtige Ballen alter Arbeitskleidung, aus denen der Designer elegante und außergewöhnliche Herrenanzüge schneidert.
Daniel Kroh: "Ich bin nach wie vor in das Material verliebt, da kann ich von Liebe auf den ersten Blick oder das erste Tasten sprechen. Es hört nicht auf mir Geschichten zu erzählen und es hört auch nicht auf, dass ich über dieses Material Geschichten weitertransportieren möchte. Das Produkt ist eben sehr authentisch und die Gebrauchsspuren und die Geschichte sind sehr authentisch. Die Spuren sind nicht künstlich eingearbeitet, wie man das heute in der Jeans-Industrie vorfindet. Authentizität spricht die Kunden sehr an. Es ist wichtig, dass ich da Eleganz reinbringe. Viele Menschen fühlen sich darin auch geschützt, dadurch dass es so ein dickes Material ist; das ist immer ein bisschen was von Rüstung."
Doch nicht jedes Loch und jeder Fleck eignet sich als Zeuge der bewegten Vergangenheit des Stoffes.
Daniel Kroh: "Es gibt eben schöne Gebrauchsspuren und nicht so schöne Gebrauchsspuren."
Hochwertige Kleidung aus gebrauchten Textilien
Upcycling oder auch Re-Clothing nennt die Modewelt das, was Daniel Kroh mit seiner Designkunst betreibt: aus alten, gebrauchten Textilien neue, hochwertige Kleidung machen.
Daniel Kroh: "Ich definier' mich stark übers Handwerk und ich glaube, dass ein guter Designer auch ein guter Handwerker sein muss. Ich denke, dass die Zeiten der großen Modezaren langsam zu Ende sind und dass da im Designbereich eine Demokratisierung derzeit stattfindet. Dass man als Designer chichi, und nicht die Glamourwelt bedient, sondern dass man auch als Designer anpackt und dass das ein ganz normales Berufsfeld ist. Die Welt wird immer enger und die Ressourcen immer weniger und das was hier bei mir passiert, ist nur kleiner Beitrag und ich denke, da müssen wir auch anfangen, neu zu denken, umzudenken, dass man mit unseren Ressourcen bedacht umgeht."
Nachhaltiges Modeschöpfen ist ein großes Thema – auch für Magdalena Schaffrin. Die Designerin veranstaltet im Rahmen der alljährlichen Fashion Week den Green Showroom, in dem nur fair und 'grün' produzierte Mode gezeigt wird. Mit Ökomode von gestern hat das allerdings nichts mehr zu tun.
Magdalena Schaffrin: "Die Ökomode ist in den Siebzigern und Achtzigern entstanden und war damals Teil einer politischen Haltung. Und die Leute wollten auch öko aussehen, man wollte sich absetzen durch die Kleidung. Und heute haben wir es mit Modedesignern zu tun, die die Mode in den Vordergrund stellen. Politischen Aktivismus muss man nicht mehr über Kleidung darstellen.
Nicht mehr der Stil, nur der Preis macht heute noch einen Unterschied – denn fair und ökologisch produzierte Mode ist nicht billig zu haben."
Magdalena Schaffrin: "Der Wandel fängt im Kopf an. Das ist eine Einstellungssache. Wenn ich anfange, etwas bewusster zu konsumieren und sage, ok, dieses Teil ist jetzt teuer und es tut mir vielleicht auch ein bisschen weh, es zu kaufen, aber dafür ist es genau das, was ich haben will, dann werde ich das nicht ungetragen in den Schrank hängen. Wenn ich aber die Möglichkeit habe, Kleidung konsumieren zu können, wie ich Erdbeeren esse, dann habe ich zu viel und dann landet’s auch im Schrank und dann bleibt’s da auch.
Die Philosophie von meinem Label, hat ganz viel mit meiner persönlichen Philosophie zu tun, dass ich zum einen denke, sehr gute Qualität kann man nicht billig bekommen und dass gute Qualität definitiv ein Schlüssel zur Nachhaltigkeit ist. Es ist Kleidung, die nicht besonders modisch ausgerichtet ist. Also ich habe nicht jede Saison eine neue Kollektion gemacht, sondern eine Kollektion mit Basicteilen. Auch mit dem Gedanken, dass man diesem schnellen Rhythmus entgegen geht. Man muss nicht jede Saison anders aussehen, das ist völlig unnötig."
Eingeschränkte Auswahl bei kompostierbarer Mode
Der 'Eco-Luxus' Magdalena Schaffrins, der auf Nachhaltigkeit und Entschleunigung setzt, wird nur noch von dem Cradle-to-Cradle-Produktionsprinzip übertroffen.
Mona Ohlendorf: "'Cradle to Cradle' heißt übersetzt 'Von der Wiege bis zur Wiege' und das ist das Gegenteil zu dem, was wir gegenwärtig machen, also einem linearen Stoffstrom. Dass ich Rohstoffe der Natur entnehme, daraus Produkte fertige, die dann hinterher wieder auf dem Müll landen und dadurch Rohstoffe vernichte. Und da wir alle wissen, dass wir ein Rohstoff-Problem haben, ist der Cradle-to-Cradle-Gedanke angelehnt an das System in der Natur, dass nichts Unverwertbares entsteht und auch nichts verloren geht, weil die Natur in geschlossenen Kreisläufen funktioniert."
Designerin Mona Ohlendorf zeigt ein schlichtes, aber gut geschnittenes weißes T-Shirt aus ihrer Kollektion.
Mona Ohlendorf: "Jetzt könnte man dieses T-Shirt theoretisch, wenn man es nicht mehr haben möchte, kompostieren. Und in dem Moment, egal wo und wie man es kompostiert, ob wir das industriell machen oder der Verbraucher das irgendwann in seinem Garten auf den Kompost schmeißt, es wird sich überall zersetzen und Nährstoffe an den Boden abgeben nix und niemandem was zuleide tun."
Ein schönes T-Shirt gewiss - aber viel mehr als ein paar Grundfarben wie Schwarz, Weiß und Rot sieht man in den nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip hergestellten Kollektionen noch nicht – warum?
Mona Ohlendorf: "Man ist in der Farbpalette eingeschränkt, wir haben keine Reißverschlüsse, nur Knöpfe, die wir benutzen können. Es gibt nur drei Stoffqualitäten, mit denen wir zur Zeit arbeiten können. Das schränkt einen wahnsinnig ein, nichtsdestotrotz glaube ich aber, muss man mit irgendwas anfangen und wenn mehr Unternehmen daran arbeiten, vergrößert sich das Angebot irgendwann. Da wird irgendwann alles möglich sein. Wenn wir zum Mond fliegen können, werden wir wohl auch einen kompostierbaren Reißverschluss herstellen können, das kann nicht so schwer sein. Aber es muss jemand machen und wir müssen damit jetzt halt anfangen."
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