Wettbewerbsverfahren

Zeitschriftenverleger fühlen sich von Google benachteiligt

Schriftzug von Google
Es gibt rund 400 Firmen, die im Besitz von Google sind oder an denen der Konzern beteiligt ist. © Martin Gerten/dpa
Moderation: Nana Brink · 10.09.2014
Der Verband der Zeitschriftenverleger wirft Google vor, Suchergebnisse zu manipulieren. Er beteiligt sich deshalb an einer Kartellbeschwerde bei der EU-Kommission. Verbandschef Scherzer kritisiert, dass Google seine eigenen Angebote in der Darstellung bevorzugt.
Nana Brink: Mal Hand aufs Herz: Wie oft und wie lange surfen Sie im Internet, wenn Sie sich eine neue Waschmaschine kaufen wollen? Es soll ja vor allem Männer geben, die ganze Wochenenden mit der Recherche verbringen. Aber ernsthaft – jeder von uns hat schon mal gegoogelt, das Wort ist sogar schon in die deutsche Sprache eingegangen, und es zeigt letztlich die Übermacht der Suchmaschine Google.
Dagegen setzen sich jetzt immer mehr Unternehmen, zum Beispiel die Telekom oder der Verband der Zeitschriftenverleger zur Wehr. Sie unterstellen nämlich Google, die Ergebnisse der Suche zu manipulieren. Dazu gab es auch schon eine Kartellbeschwerde in Brüssel, und heute nun will man sich in Brüssel mit dem Thema neutrale Suchmaschinen beschäftigen.
Das wollen wir auch, und zwar mit Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Deutschen Zeitschriftenverleger. Er ist zu mir ins Studio gekommen, der Verband der Deutschen Zeitungsverleger ist ja auch an der Beschwerde beteiligt. Guten Morgen, Herr Scherzer!
Stephan Scherzer: Guten Morgen! Herzlichen Dank für die Einladung!
Brink: Gerne. Warum diese Beschwerde?
Scherzer: Warum diese Beschwerde? Sie haben es ja gerade schon gesagt: Google – jeder, der im Internet unterwegs ist, kennt Google, nutzt Google. Und Google ist auch ein – bietet einen hervorragenden Service. Sehr nützlich und nutzwertig, und das schon sehr lange. Die Beschwerde hat sich daraus entwickelt, dass Google mittlerweile eine monopolartige, marktbeherrschende Stellung hat.
Das ist an sich noch nicht schlimm, das haben wir in vielen anderen Märkten auch, aber es ist nachgewiesen, dass Google diese Position nutzt, um in der Suche – und jeder weiß, was auf der ersten Google-Seite nicht erscheint, ist schon nicht mehr so relevant. Die zweite Seite schlägt man noch auf, und auf der dritten Suchseite schaut man schon nicht mehr nach. Und Google hat auch eigene Produkte, also zum Beispiel "Maps" oder "Google Shopping", und wenn die Suchergebnisse jetzt aufgezeigt werden, bevorzugt Google seine eigenen Angebote in der Darstellung.
Das heißt, der Google-Algorithmus, dem wir uns alle unterwerfen müssen, den keiner außer Google kennt, gilt für uns alle, aber nicht für Google-eigene Produkte, die in der Suchseite an exponierter Position im Ranking und auch in der bildlichen Darstellung bevorzugt dargestellt werden.
Anbieter werden vom Markt verdrängt
Brink: Was bedeutet das denn zum Beispiel für Sie, also für den Verband der Deutschen Zeitschriftenverleger?
Scherzer: Das bedeutet den Verband der Zeitschriftenverleger beziehungsweise für seine Mitglieder, aber auch für die User, dass Angebote, die wir selber erstellen, nicht in jedem Fall an der entsprechenden Position dargestellt werden, sondern unter Umständen auf einer zweiten oder dritten Seite erst erscheinen. Und als Verbraucher erwarte ich ja – es gibt ja diesen Begriff der fairen Suche, "fair search", – dass alle gleich behandelt werden. Das sagt Google ja auch. Und das ist nachgewiesen jetzt mittlerweile.
Vielleicht gibt es dazu einen kleinen Zusatz noch: Diese Kartellbeschwerde wurde 2009 schon angestrengt. Das heißt, das Thema ist schon seit 2009 in Deutschland bekannt. 2010 hat die EU-Kommission dieses Thema aufgenommen, und jetzt erst ist es so weit, dass wir langsam in einen Bereich kommen, wo das auch die breite Öffentlichkeit erkennt.
Stephan Scherzer ist Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger.
Stephan Scherzer ist Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger.© VDZ
Brink: Na, immerhin erst fünf Jahre – also für europäische Verhältnisse wahrscheinlich eine relativ zügige Reaktion. Sie haben es ja selbst gesagt: Google ist ja ein Privatunternehmen. Die können ja eigentlich machen, was sie wollen. Es kommt ja immer auf den Verbraucher an, der das akzeptiert oder auch nicht. Warum haben wir das so lange akzeptiert?
Scherzer: Ja, das ist eine gute Frage. Natürlich ist es so, Sie haben es richtig gesagt, Google ist ein Unternehmen. Das heißt, börsennotiert, amerikanisch, macht im Jahr ungefähr zehn Milliarden Dollar Profit und tut natürlich, wie jedes Unternehmen, natürlich erst mal alles dafür, seine eigene Position zu verbessern. Da ist erst mal auch grundsätzlich auch gar nichts gegen zu sagen. Der Verbraucher geht deshalb zu Google, weil Google mit Abstand mittlerweile – früher war das anders – die beste Suchmaschine ist. Der Service, den Google anbietet, die Ergebnisse, die Google auswertet, sind einfach sehr gut. Das heißt, der Verbraucher durchschaut ja im ersten Moment nicht – da haben ja viele eine ganze Weile dafür gebraucht –, was erscheint wo, und welche Angebote sind vielleicht auch nicht mehr da.
Globalisierung reduziert die Vielfalt
Nehmen Sie einfach mal die Shopping-Portale. Jeder kennt Shopping-Angebote von Ciao oder ähnliche, die mal eine sehr starke Marktposition hatten. Wenn Sie da mal eine Recherche machen, werden Sie feststellen, dass viele von denen gar keine Rolle mehr spielen, Google aber ein eigenes Shopping-Angebot mittlerweile präferiert auf der ersten Seite deutlich positioniert und damit viele Shopping- und Vergleichsportale aus dem Markt drängt. Das fällt einem im ersten Moment auch als Verbraucher nicht sofort auf. Wenn man über die Zeit dieses Thema beobachtet, merkt man, dass manche Angebote verschwinden, und diese Vielfalt, die das Internet ja eigentlich uns geben soll – dort entsteht durch Netzwerkeffekte und internationale Skalierung eine Einfalt.
Wir sehen das, ich gebe Ihnen ein paar Beispiele: Google ist nicht nur die größte Suchmaschine. Google hat mit Android im Mobilmarkt auch das größte Betriebssystem. YouTube ist die zweitgrößte Suchmaschine weltweit. Wir sehen, dass Facebook im Prinzip das einzige relevante Social Network ist. Also auch die Globalisierung und Digitalisierung trägt dazu bei, dass große Player entstehen und die Vielfalt im Prinzip vom Markt genommen wird.
Andere Suchmaschinen können nicht konkurrieren
Brink: Nun gut, es gibt auch große Autokonzerne. Die sind auch aus demselben Prinzip heraus entstanden. Warum gibt es keine europäische Suchmaschine, warum gibt es keine Konkurrenz?
Scherzer: Nehmen wir mal ein Beispiel: Einem Unternehmen gehören 95 Prozent aller Tankstellen. An den restlichen fünf Prozent, die anderen gehören, wird das Auto nicht in fünf Minuten betankt, sondern in 20 Minuten, weil die Technik dort nicht so gut ist. Sie sind teurer und schwerer erreichbar. So muss man sich das aktuell vorstellen: Die Suchmaschinen, die mit Google gerade in Konkurrenz stehen, sind einfach nicht gut genug.
Brink: Was wollen Sie dann unternehmen – also was erhoffen Sie jetzt von Brüssel?
Scherzer: Es gibt zwei Themen, die ganz wichtig sind. Die EU-Kommission hat erst gestern festgestellt, dass der Vergleich, den Google angeboten hat – also Google hat anerkannt, dass sie die eigenen Produkte bevorzugen auf der ersten Seite. Google hat jetzt Vergleichsvorschläge gemacht und die EU-Kommission hat diese erst mal abgelehnt, hat gesagt, mit diesen Vorschlägen helfen wir eher noch, den Missbrauch der Marktposition auszubauen, das wollen wir nicht.
Der nächste Schritt wäre, dass das Kartellamt in Brüssel, die EU-Kommission, das Recht so anwendet wie in vielen anderen Fällen auch, zum Beispiel bei Microsoft. Microsoft wurde irgendwann einmal gezwungen, den Browser vom Betriebssystem abzukoppeln, und dann hatten wir auf einmal nicht einen Browser im Web, sondern zehn verschiedene. Da wurde eine Vielfalt geschaffen. Das ist das eine, was nach Brüssel geht. Brüssel muss, wie in anderen Fällen auch, das Kartellrecht zum Einsatz bringen und einfach klarstellen, dass Google nicht seine Marktposition nutzt, um eigene Produkte zu bevorzugen und Wettbewerb zu benachteiligen. Übrigens werden auf dem Weg auch viele Startups aus dem Markt gekegelt.
Brink: Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Deutschen Zeitschriftenverleger, und es geht um die Kartellbeschwerde gegen Google in Brüssel. Herzlichen Dank für den Besuch in Studio 9!
Scherzer: Vielen Dank für die Einladung!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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