Westerwelles Abgang

Von Peter Lange, Chefredakteur Deutschlandradio Kultur · 04.04.2011
Der vielstimmige Chor aus den Reihen der Freien Demokraten an diesem Wochenende lässt eigentlich nur einen Schluss zu: die FDP hat sich in einem heldenmütigen, langwierigen Ringen von einem Diktator vom Schlage Gaddafis befreit.
Vergessen, dass die Partei unter Führung von Guido Westerwelle 2009 das beste Ergebnis bei einer Bundestagswahl eingefahren hat. Vergessen auch, dass da ganz viele Protestwähler waren, die die FDP wegen ihres Populismus gewählt haben. Vergessen schließlich, dass zig Parteitage genau den Kurs abgenickt haben, den Westerwelle und seine Crew vertreten haben.

Der FDP-Vorsitzende und ein paar andere führende Köpfe werden als Sündenböcke gebraucht für eine Politik, die von der Mehrheit der Freien Demokraten genau so gewollt war. Es ist eine Notoperation, die das Schlimmste verhindern soll, und vielleicht genau das heraufbeschwört.

Denn ein klares Profil, dass hat die FDP durchaus; sie gilt als Partei des bürgerlichen Egoismus, die der sozialdemokratisch gefährdeten CDU bei der Umsetzung ihres neoliberalen Leipziger Programms Beine machen wollte. Da liegt der Kernfehler. Denn als sich 2009 die Chance zur gemeinsamen Regierung endlich bot, hatte sich die CDU davon programmatisch längst verabschiedet; und die Protagonisten dieses Kurses spielen politisch keine Rolle mehr. Guido Westerwelle war nur das Gesicht und die zuweilen schrille, rechthaberische und nervende Stimme, die an diesem Kurs festhielt.

Jetzt ist guter Rat teuer. Soll die Partei sozialer werden? Willkommen im Club! Soll sie, wie von Generalsekretär Lindner empfohlen, auch in Atomausstieg machen? Schön, dass Ihr auch so weit seid! Nein, das Problem der Freien Demokraten liegt tiefer. Immer weniger nehmen dieser Partei ab, dass das, was sie politisch vertritt, am Gemeinwohl orientiert ist.

Selbst wenn man den denkbaren Nachfolgern unterstellt, dass sie das wollen, dass sie sich auf die besseren Traditionen der Liberalen zurückbesinnen möchten - bis sich das in akzeptablen Wahlergebnissen niederschlägt, das dauert. Und ob die FDP in diesen unruhigen Zeiten die Nerven und den langen Atem dazu hat – das ist die große Frage.

Der Stil, in dem die Partei sich von ihrem Vorsitzenden nun trennt, ist sicher nicht astrein. Aber er ist auch nicht schlimmer als das, was man bei anderen Parteien in den letzten Jahren gesehen hat. Guido Westerwelle wird sich darüber als Allerletzter beklagen können. Denn als er vor zehn Jahren seinen Vorgänger Gerhardt vom Parteivorsitz verdrängte, war er auch alles andere als zimperlich.

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