Westernklänge

Der Geburtsort der Countrymusik

Der Steg und die Saiten einer "Martin SPD-16 Special Edition" glänzen im Sonnenlicht. Diese Westerngitarre ist ein von Johnny Cash lizenziertes Modell, von dem es weltweit nur zwei Exemplare gibt.
Der Siegeszug der amerikanischen Gitarrenmusik begann in Bristol, Tennessee. © picture alliance / Maximilian Schönherr
Von Michael Groth · 06.10.2014
Heute sind Jimmie Rodgers und die Carter Family Country-Legenden. Berühmt gemacht hat sie der New Yorker Ralph Peer, der einst 50 US-Dollar für eine Tonaufnahme kassierte. All diese Geschichten werden jetzt im Museum "The Birthplace of Country Music" erzählt.
Bristol, eine Kleinstadt am Fuße der Appalachen. 47.000 Einwohner, im Norden von Tennessee oder im Süden von Virginia – ganz wie man will. Denn die Stadt ist geteilt, die Staatsgrenze zwischen diesen US-Bundesstaaten läuft quer durch Bristol, über die Main Street.
Bekannt wird Bristol durch Ralph Peer. Der New Yorker Geschäftsmann und Ingenieur ahnt, dass nach der Ankunft des Radios und der ersten Plattenaufnahmen in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit Volksmusik viel Geld zu verdienen ist.
Von "Country Music" ist noch keine Rede – der Begriff entsteht erst in den 30er-Jahren. Peer reist zu den "Hillbillies", den Fiddlern und Banjospielern der Appalachen – er weiss, dass ihn hier eine Musiktradition erwartet, deren Verbreitung sich schnell auszahlen wird. Bristol ist damals ein Eisenbahnknoten – genau der richtige Ort für Peer.
"The Birthplace of Country Music", Geburtsort der Countrymusik, nennt sich ein neues Museum in Bristol. Jessica Turner ist die Direktorin:
"Es waren nicht die ersten Plattenaufnahmen. Aber hier wurde der Startschuss für ein neues Kapitel der Musikindustrie gegeben. Heute ist Jimmie Rodgers in der ganzen Welt bekannt, die Carter Family natürlich auch. Ihre Geschichte wird hier erzählt."
Tonbandaufnahme für 50 US-Dollar
Der Eisenbahnangestellte Rodgers und die Carters sind die heute Bekanntesten, die 1927 die Anzeige Peers in der Zeitung lesen: Kennen Sie neue Songs und wollen ein Plattenstar werden? Kommen Sie nach Bristol – zahle für jede Aufnahme 50 Dollar.
50 Dollar sind 1927 viel Geld. Zwischen dem 25.7. und 5.8. setzen sich 19 Musiker in Peers Hotelzimmer: sie nehmen 26 Songs auf. Peer lässt sich alle Rechte übertragen. Das Geschäft lohnt sich. Die Aufnahmen finden reißenden Absatz - im Verlauf des kommenden Jahrzehnts entwickelt sich aus der "mountainmusic" der Hinterwälder rund um Bristol die Countrymusic, wie wir sie heute kennen.
Die Hutfabrik, in der Ralph Peer mit der besten damals vorhandenen Technik die Songs aufnimmt, existiert nicht mehr. Aber mit dem Abriss entsteht eine Idee.
Geplant seit 40 Jahren
Jessica Turner: "Irgendwie planten wir das Museum schon seit 40 Jahren. In den 70er-Jahren hat die Stadt eine Gedenktafel aufgestellt, genau dort, wo Peers Aufnahmen statt fanden. Damit war die Idee geboren. Wir brauchen einen Ort, der an die historischen Aufnahmen von 1927 erinnert."
2011 ist genug Geld in der Stadtkasse, um mit dem Museumsbau zu beginnen. Das Gebäude steht auf der Virginia-Seite von Bristol, einen Steinwurf von Tennessee entfernt. Dass man hier über Bundesstaatsgrenzen hinweg eine gemeinsame Initiative entwickelt und finanziert, halten Viele für ein kleines Wunder.
Rund 12 Millionen Dollar kommen zusammen. In einem renovierten Backsteingebäude entstehen 2.300 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Natürlich sind die Original Bristolsessions zu hören, Videos von Zeitzeugen werden gezeigt, Gitarren, Notenblätter und Kostüme - und wer will kann sich in ein Studio stellen und zu historischen Aufnahmen sein eigenes Lied singen.
Das allerdings wollen wir den jungen Damen überlassen, die in der Eingangshalle einen der vielen Erfolge von Jimmie Rodgers vortragen - "Peach Pickin' Time in Georgia".
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