Westbank Wiesn

Besuch beim Oktoberfest in Palästina

Der Gründer der Taybeh-Brauerei, der Palästinenser Nadim Khoury (l.), lässt sich beim Oktoberfest in Ramallah zusammen mit dem Blasmusiker Christian Helinger sein Bier schmecken; Aufnahme vom Oktober 2013
Der Gründer der Taybeh-Brauerei, der Palästinenser Nadim Khoury (l.), lässt sich beim Oktoberfest in Ramallah zusammen mit dem Blasmusiker Christian Helinger sein Bier schmecken; Aufnahme vom Oktober 2013 © picture alliance / dpa
Von Noemi Schneider · 06.10.2015
Das Bier wird in Plastikbechern ausgeschenkt, die Gäste kommen aus allen Teilen Palästinas. Im christlichen Dorf Taybeh im Westjordanland findet seit zehn Jahren eine Miniaturausgabe des Münchner Oktoberfestes statt. Den Gerstensaft liefert ein palästinensische Brauerei, die sich dem deutschen Reinheitsgebot verschrieben hat.
Das christlich-palästinensische Dorf Taybeh liegt auf einem Hügel, die Kirchenglocken läuten, ein großes, weiß-blaues Banner über der Hauptstraße weißt den Weg: Willkommen beim Oktoberfest!
Zum ersten Mal findet die "Westbank Wiesn" auf dem Brauerei-Gelände statt. Seit 2005 veranstaltet der Taybeh-Brauerei alljährlich ein Oktoberfest, bis 2012 fand es in der Ortsmitte statt, vor zwei Jahren in einem Hotel in Ramallah, im letzten Jahr wurde es wegen des Gaza-Krieges abgesagt.
Der Eintritt zum Oktoberfest kostet 20 Schekel umgerechnet etwa fünf Euro. Sicherheitskräfte checken die Taschen. Über dem weitläufigen Innenhof sind weiße Sonnensegel gespannt unter denen robuste Holz-Garnituren stehen. Das Publikum ist international: Touristen, Einheimische, arabische Israelis und sogar ein paar jüdische Besucher haben sich hier her gewagt. An der Zapfanlage wird Bier in Plastikbechern ausgeschenkt, etwa drei Euro kostet ein Becher der einen Viertel Liter fasst. Maßkrüge sucht man hier vergebens. Aber eines hat Taybeh mit München gemein.
Madees Khoury: "Wir brauen nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516. Hopfen, Malz, Gerste, Wasser. Unser Hopfen kommt aus Bayern."
Die Juniorchefin hat viel zu tun
Madees Khoury, die 29-jährige Juniorchefin der Brauerei hat alle Hände voll zu tun, auf ihrem schwarzen T-Shirt steht in silbernen Lettern "Oktoberfest Starlet", sie führt interessierte Besucher durch die Brauanlagen und moderiert gleichzeitig das musikalische Programm auf der Bühne, verschwitzt und lachend wirbelt sie umher.
"Es ist einfach wunderbar und es geht nicht nur darum Beer zu trinken und Musik zu hören. Unsere Veranstaltung ist sehr gemütlich und hat palästinensisches Flair durch die Musik und die Besucher aus allen Teilen Palästinas. Und es geht auch darum, der Welt eine andere Seite von Palästina zu zeigen. Denn was man tagtäglich in den Nachrichten sieht ist vollkommen anders als das was hier passiert, im wahren Leben. Die Menschen kommen hierher und sagen: 'Oh mein Gott, ihr trinkt Bier?' - 'Ja.'"
Das Brauhandwerk hat Madees von ihrem Vater gelernt, der bereits während des Studiums in den Vereinigten Staaten mit dem Bierbrauen im Studentenwohnheim begann. Nach dem Osloer Abkommen kehrte Nadim Khoury 1994 mit seiner Familie aus den USA in sein Heimatdorf Taybeh zurück und gründete die erste palästinensische Bierbrauerei im Nahen Osten. 1995 wurde das erste Bier ausgeschenkt: The Finest in the Middle East – lautet der Slogan der Taybeh Mikrobrauerei. Mittlerweile exportiert sie nach Israel, Europa und in die USA.
Im nächsten Jahr will Madees Khoury endlich nach Bayern
Madees hat einen Brauereikurs in China absolviert, dort hat sie auch einmal das 'Chinesische Oktoberfest' besucht. In München war sie noch nie, allerdings will sie das im nächsten Jahr endlich nachholen und auch einige bayerische Brauereien besuchen, um Inspirationen für neue Taybeh-Bier-Kreationen zu sammeln.
"Ich mag jede Art von Bier. Ich bin eine Bietrinkerin. (Lacht.)Aber momentan ist mein Lieblingsbier das Dunkle-Taybeh. Es schmeckt ein bisschen nach Schokolade und Kaffee, es ist nicht bitter und hat sechs Prozent Alkohol. Ich glaube, alle Taybeh-Biere sind nicht fürs "schnelle runtertrinken und das war’s" geeignet. Nein, man trinkst, bestellt noch ein Glas, genießt die Gesellschaft, ein Gespräch, das Wetter und das Bier."
Die Sonne ist untergegangen und eines steht fest: Hier findet etwas statt, was in München seit Jahren restlos ausverkauft ist: Der vielbeschworene "Wiesn-Geist" macht sich bei den Anwohnern des größten Volksfestes der Welt nämlich überwiegend in Form von Kotzhügeln, sexuellen Belästigungen, Schlägereien, gesperrten Straßen, Verkehrsunfällen, Notarzteinsätzen, Bierleichen, ungebetenen Gästen, die in Hauseingängen und Innenhöfen ihre Notdurft verrichten, überfüllten U-Bahnen, billigen Dirndln und schlechter Musik bemerkbar und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass viele "Münchner" Ende September aus der Isarmetropole fliehen.
Die "Westbank-Wiesn" dagegen ist ein Ort der Begegnung, an dem eine ausgelassene Heiterkeit herrscht, die sich zum Glück, nicht in Maßkrügen messen lassen muss und selbst der Nahostkonflikt legt hier eine kurze Verschnaufpause ein.
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