Wertlos und fragil

Von Monika Müller · 13.09.2006
"Porträts zum Reinbeißen", oder auch "Mein Leben in Knete" nennt Henrik Jacob seine Kunstwerke aus Knetmasse. Er ist davon überzeugt, dass Kunstwerke nicht länger als Waschmaschinen halten müssen. Seine Knetkunst hat der 34-Jährige schon in Deutschland, Österreich und Spanien ausgestellt.
"Wie Graffiti, nur lösbar. Hinterlässt aber Fettflecken.
Einmal drauf gesetzt und dann kommt was anderes raus. Wird auch nicht fest, ist ja auch keine Plasteline, oder so."
Knete fasziniert Henrik Jacob, weil sie wertlos und fragil ist.

"Und man hat natürlich bei diesen Knetsachen den Vorteil, dass man es von vorne wie von hinten betrachten kann. Die eine Seite ist das Wunder, was hinterher rauskommt, weil die sieht man ja nicht während man arbeitet."

Andreas Baader, Rudi Völler und Erich Honecker hängen an seiner Atelierwand. Porträts aus Knete, nicht größer als Postkarten. Sorgfältig in Plastikfolien gehüllt.

"Weiß man jetzt, ob das Joseph Beuys oder Günther Wallraff ist. Ist egal, kommt einem irgendwie bekannt vor. Was natürlich daran liegt, dass ich mit grau arbeite, mit schwarz-weiß und das natürlich schon an dieses klassische Zeitungsbild erinnert, oder es auch ist."

Henrik Jacob sieht noch etwas verschlafen aus. Er sitzt an seinem Arbeitstisch, zwischen seinen Knetsachen und dreht sich eine Zigarette. Er ist ein zierlicher Typ mit dunklen Haaren, der oft schmunzelt. Während seines Studiums an der Hochschule der Künste in Bremen hält er sich von der Malerei fern. Er knetet und zeichnet lieber und fängt an, aus gesammelten Spiegel-Magazinen…

"… die Gesichter rauszukratzen, von den Bildern. Da hab’ ich ein Transparentpapier drüber gelegt, weil ich nicht wollte, dass die Zeitung ganz durchgerubbelt wird und dann hab’ ich gemerkt, dass es auf dem Transparentpapier kleben bleibt. Ich hab’ die Striche raus genommen, beziehungsweise ich hab’ die Farbe raus genommen."

Politiker, Stars, Idole - Phänomene der Vergangenheit beschäftigen den jungen Künstler. Er bringt sie mit seinen ungewöhnlichen Techniken und Materialien in die Gegenwart. Er erfindet sie neu. In seinem Atelier taucht immer wieder das Image von Dean Reed auf. Der amerikanische Sänger lebte in der DDR und wurde 1986 tot aus dem Zeuthener See bei Berlin gefischt.

"Ich komm’ ja aus Dresden und Dean Reed war ja, jedenfalls für die Ostler, der Amerikaner mit dem Zahnpastalächeln, gut aussehend und man hat sich immer gefragt, warum so ein, naja ein toller Sänger war er nicht, aber so ein gut aussehender Amerikaner freiwillig in der DDR gewohnt hat.

Ich bin ja dann 1989 in den Westen gegangen und da hab’ ich gemerkt, dass ihn niemand kennt, gar niemand. Ich dachte eigentlich, der wäre weltberühmt, zumindest hat man uns das erzählt. Und das hat mich dann noch mal fasziniert."

Zwei Jahre recherchiert Henrik Jacob das Leben und den mysteriösen Tod des Sozialisten aus Colorado. "Die Wahrheit über Dean Reed" ist sein bisher größtes Kunstprojekt mit Knetarbeiten, Zeichnungen, Interviews und auch einem Dean Reed Double Wettbewerb.

Den Amerikaner Dean Reed verschlug es in den Osten. Henrik Jacob zieht mit seinen Eltern und drei jüngeren Geschwistern zwei Tage nach dem Mauerfall von Dresden nach Nürnberg. Eigentlich wollte er Schauspieler werden, entschließt sich dann aber doch Kunst zu studieren. 2001 verlässt der Meisterschüler die Hochschule der Künste in Bremen, zieht nach Berlin und schafft es regelmäßig auszustellen. Mittlerweile verkauft er seine Knetarbeiten und Zeichnungen ganz gut. Trotzdem arbeitet der 34-Jährige in einem Autoteillager. Es gefällt ihm, finanziell unabhängig von seiner Kunst zu sein.

"Einmal alle zwei Wochen kommt ein polnischer Lkw mit nachgebauten Auspuffen für alle Automodelle und dann heißt es 1700 Auspuffe schnell mal abladen. Das dauert acht Stunden, danach ist man sehr dreckig, aber das Lager sieht wunderbar aus. Es glitzert an allen Ecken. Sieht eigentlich aus wie eine Kunstinstallation."

Kunst findet er überall. Egal ob es Auspuffe sind, Knetmasse, oder ein fast vergessener Dean Reed.

"Eigentlich hat gar nicht mit gar nichts zu tun und dadurch wieder alles mit allem. Es geht eigentlich, geht’s ums Machen. Ob’s jetzt ein Strich ist, oder eine Handbewegung, oder Auspuffe verpacken."

Für September hat sich Henrik Jacob gemeinsam mit Künstlerfreund Andreas Kotulla einen "Geschlossenen Tanzworkshop" überlegt. "Elements of Passion" nennen sie ihr Projekt. Ihr künstlerischer Anspruch: Für ein paar Minuten, oder auch nur Sekunden synchron zu tanzen.

"Es ist viel interessanter etwas nicht zu können, aber es zu tun."