Werften in Mecklenburg-Vorpommern

Schiffe, Yachten, Windanlagen

In der ehemaligen Halle der Neptun-Werft in Rostock ist ein Einkaufszentrum eingezogen.
In der ehemaligen Halle der Neptun-Werft in Rostock ist ein Einkaufszentrum eingezogen. © Foto: Silke Hasselmann
Von Silke Hasselmann · 14.08.2015
Die wirtschaftliche Lage der Ostsee-Werften ist schwierig. Einige der traditionellen Standorte an Mecklenburg-Vorpommerns Küste haben sich umorientiert. Statt mit klassischer Schiffbauarbeit suchen die Unternehmen dort nun den Erfolg in lukrativen Nischen.
Rostock, Innenstadt. Neben dem 56 Meter hohen Hellingkran: Das Schlickeisen-Einkaufszentrum samt Parkhaus.
"Ich gehör zum Edeka. Ich bin jetzt seit fast zwei Jahren hier."
Erzählt die Zeitungsverkäuferin. Eigentlich nichts Besonders, aber "hier" - das ist:
"Eine Werft-Halle. Das war die Neptun-Werft gewesen von Rostock."
An der hohen Decke hängen noch etliche Werft-Gerätschäften und wirken, als könnten sie jederzeit wieder Schiffsbauteile von einem Hallenende ans andere bringen, so wie zwischen 1850 und 1990, als die Neptuner hier über 1500 Schiffe aller Art bauten. Doch sie bilden nur noch den musealen Rahmen für eine völlig andere Nutzung. Symbolhaft für Mecklenburg-Vorpommerns Werftenszene?
Shoppen auf alten Werftgeländen
Auch in Stralsund sollen Teile des ehemaligen Volkwerftgeländes zu Konsumorten werden. Doch vor allem will der seit vorigem Jahr zuständige russische Nordic-Yards-Eigner an bewährte Traditionen knüpfen. Stralsund hatte einst 600 Fischtrawler für die Sowjetunion gebaut. Nun hofft man auf Aufträge für die überalterte russische Fangflotte. Ähnliches gilt für die anderen Nordic-Yards-Standorte Rostock und Wismar. Wenn da nur nicht die EU-Sanktionen wären, die auch viele Schiffsbauteile auf die Schwarze Liste brachten! Umso wichtiger sind für Nordic Yards die Aufträge, Stromwandler-Plattformen für Windparks zu bauen.
Drei Nordsee-Plattformen für Siemens hat Nordic Yards fertig gebaut und installiert, sagt Unternehmenssprecher Stefan Sprunk. Nun stehen wir in Warnemünde vor dem bislang riesigsten Beton- und Stahlquader. Circa 100 Meter hoch, 80 Meter lang und breit: Die "DolWin Gamma" für den französischen Energiekonzern Alstom.
"Vorletzte Woche hatten wir schon das Einbringen der ersten beiden Transformatoren, jetzt geht es an die Ausrüstung. Wir sind auch intensiv in der Ausschreibung für weitere AC-Plattformen in der Ostsee. Wir wünschen uns da auch einen breiteren Rückenwind aus der deutschen Politik, um die Investitionen, die wir im Offshore-Bereich getätigt haben, zu refinanzieren und auch, um Zulieferer weiter tätig sein zu lassen."
Pleite trotz Subventionen
Doch wenn es um finanzielle Unterstützung geht, auch um Überbrückungsbürgschaften durch das Land, ist die SPD-CDU-Regierung in Schwerin vorsichtig. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss befasst sich gerade mit den rund 300 Millionen Euro Landessubventionen für den P+S-Werftenverbund mit den Standorten Stralsund und Wolgast, der dann doch unlängst Pleite gegangen war.
Zurück zur Neptun-Werft, der größten in der DDR. Die gibt es nach mehreren Pleiten wieder - nur deutlich kleiner und nicht mehr in Rostocks Innenstadt, sondern in Warnemünde. Der neue Mutterkonzern Meyer hat entschieden, dort Flusskreuzfahrtschiffe zu bauen; mit großem Erfolg in aller Welt.
In Rostock-Warnemünde werden Konverter-Plattformen für einen Nordsee-Windpark des Energiekonzerns Alstom gebaut.
In Rostock-Warnemünde werden Konverter-Plattformen für einen Nordsee-Windpark des Energiekonzerns Alstom gebaut.© Foto: Silke Hasselmann
Durch mehrere Krisen ist auch der ehemalige militärische Neptun-Bereich in Gehlsdorf gegangen. Doch seit 2009 heißt die Werft "Tamsen Maritim" und schreibt schwarze Zahlen - vor allem mit Reparatur und Wartung, erzählt Geschäftsführer Christian Schmoll:
"Das ist ein Blick in unser Hafenbecken: Wir haben jetzt ein Polizeiboot hier, die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger mit einem 23-Meter-Kreuzer, und einer der Minenjäger der Deutschen Marine liegt auch hier im Becken. (Atmo: Treppe rauf). Und werden uns gleich anschauen können die größte Fräs-Halle der Welt."
Spezialisten und Weltmarktführer
Zwei riesige Maschinen hängen von der Decke. Hier entstehen die Urformen für Rennauto-Sitzschalen, für große Kunststoffyachten, für Windkraft-Rotorblätter. Längstes Blatt übrigens: 73 Meter. Gefertigt im Stück. Das können bislang nur sie:
"Tja, die Tamsen Maritim hat die tolle Möglichkeit, ihre Kunden mit der größten 5-Achs-Fräse der Welt bedienen zu dürfen, Wir stehen hier in einem Raum mit über 70 Metern Länge. Die Bearbeitungsbreite der Werkzeuge ist 13 Meter und die Höhe 7 Meter. Wir können also in diesem Riesenvolumen von mehreren Zehntausend Kubikmetern jedes Bauteil, das wir zuvor am Computer entworfen haben, bearbeiten und erstellen. Und das mit einer Genauigkeit von einem halben Millimeter."
In Mecklenburg-Vorpommern ist mittlerweile jedem klar: Nie wieder werden so viele Menschen klassische Schiffbauarbeit auf den hiesigen Werften finden wie vor 1990. Doch es gibt sie: Spezialisten und Weltmarktführer in lukrativen Nischen.
Mehr zum Thema