Werbung für Deutschland

Von Thomas Wheeler, Deutschlandradio Kultur · 10.07.2010
An dieser Nationalelf können wir uns alle ein Beispiel nehmen. Die 23 Spieler und der Trainerstab um Joachim Löw haben in Südafrika Werbung für ein offenes und modernes Deutschland gemacht.
Die DFB-Elf hat nicht nur den schönsten Fußball gespielt, wie die ausländischen Medien nach der Viertelfinal-Gala gegen Argentinien schwärmten, sondern auch durch ihr Auftreten die Wahrnehmung Deutschlands im Ausland weiter zum Positiven hin verändert. Selbst die britische Presse, die sich früher immer an Kriegs- und NS-Rhetorik ergötzte, bewunderte die Deutschen. Die Erfolgsgeschichte, die 2006 bei der WM im eigenen Land begann, wurde jetzt, vier Jahre später fortgeschrieben.

Das haben auch Bundeskanzlerin Merkel und ihr Kabinett ausgekostet. Vier Wochen lang konnte sich die schwarz-gelbe Koalition von den eigenen und zum Teil hausgemachten Problemen ablenken. Die Regierungsmannschaft kann von der deutschen Fußball-Nationalmannschaft einiges lernen. Vor allem, dass man nur als Einheit ein positives Gesamtbild abgibt und nur so seine Ziele erreichen kann. Also durch Teamgeist.

Aber auch in punkto Disziplin ist die DFB-Elf ein Vorbild für das Bündnis von Christdemokraten und Liberalen. Frei nach dem Motto: nicht jeden Streit in die Öffentlichkeit tragen und geschlossen auftreten. Das heißt auch kritikfähig sein, eine Eigenschaft die Bundestrainer Joachim Löw für unverzichtbar hält. Drei weitere Attribute: Kreativität, Offen für Neues sein und Leichtigkeit zeichneten das deutsche Spiel bei dieser WM aus.

Dies alles würde auch der Regierungskoalition gut zu Gesicht stehen. Dann würden womöglich auch unbequeme Entscheidungen von der Bevölkerung akzeptiert und mitgetragen. Wie wichtig es ist Ziele zu formulieren und der Mannschaft den Weg zu weisen, hat Löw der Kanzlerin vorgemacht. Aber auch, dass man einen langen Atem braucht.

So steht die deutsche Nationalmannschaft für eine gelungene Integration von Kindern mit Migrationshintergrund. Die Eltern von elf Spielern des WM-Teams haben ausländische Wurzeln. Der Deutsche Fußball-Bund ist damit Vorreiter. Aber es hat auch elf Jahre gedauert. Erinnert sei nur an Mustafa Dogan, ein Deutscher türkischer Herkunft, der 1999 noch schief angeschaut wurde, als er ein paar Kurzeinsätze im Nationaltrikot hatte.

Erst um die Jahrtausendwende reifte die Erkenntnis, dass man die deutsche Rumpel-Elf mit "Ausländerkindern", so der damalige DFB-Terminus, verstärken müsste. Zugute kam dem Verband, das im Jahr 2000 reformierte Staatsbürgerrecht. Es gibt allen in diesem Land geborenen Kindern das Recht auf den deutschen Pass, wenn ihre Eltern seit acht Jahren hier leben.

Grundlegend geändert hat sich die Talentsichtung von Kindern aus Einwandererfamilien aber erst unter Löw. Von der erfolgreichen Förderung im Fußball können sich auch deutsche Schulen und Universitäten etwas abschauen. Nach dem neuesten Integrationsbericht der Bundesregierung kommt die Bildung von Migranten kaum voran. Fast 60 Prozent ihrer Kinder verlassen die Schule mit einem Hauptschul- oder sogar ohne Abschluss. Ein Mesut Özil oder ein Sami Khedira als Lehrer oder Arzt sind bislang leider die Ausnahme. Das aber muss unser Ziel sein. Damit Deutschland nicht nur im Fußball multikulturelle Erfolgsgeschichten schreibt.

Zu große Erwartungen sollten wir mit dem deutschen Wintermärchen in Südafrika jedoch nicht verknüpfen. Die WM-Euphorie wird sich nicht dauerhaft positiv auf unseren Alltag auswirken. Und schon gar nicht auf die Politik. Angesichts eigener Probleme wie Arbeits- und Perspektivlosigkeit, und die Verunsicherung durch die Wirtschaftskrise wird das Wir-Gefühl ganz schnell wieder verschwinden. Und auch die Identifikation mit dem eigenen Land wird eher wieder abnehmen.

Dabei würde es uns gut tun, ein bisschen von der spielerischen Lockerheit und Freude, die die deutsche Mannschaft ausgestrahlt hat, zu übernehmen. Für uns typisch ist der skeptische Blick und das ungesunde Schwanken zwischen Extremen. So hat doch vor der WM kaum jemand dem DFB-Team zugetraut, dass es wie 2006 unter die besten Vier kommt.

Als es dann die grandiosen Siege gegen Australien, England und Argentinien gab, konnte auf einmal nur noch Deutschland Weltmeister werden. Viele unserer Landleute, die ausländische Wurzeln haben, sind da wesentlich gelassener. Dass unterschiedliche Mentalitäten eine Bereicherung sind, sehen wir an unserer Nationalmannschaft.