Werbung für den Dienst

Die Bundeswehr und ihr Nachwuchsproblem

Eine deutsche Fahne an der Uniform eines Soldaten befestigt
Lebensbedrohliche Aspekte werden bei der Nachwuchswerbung ausgeblendet. © picture alliance / dpa - Karl-Josef Hildenbrand
Von Eva Hillebrand · 21.03.2016
Als 2011 die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt wurde, stand die Bundeswehr plötzlich vor der Herausforderung, ihr Personal auf dem Arbeitsmarkt zu rekrutieren, in Konkurrenz zur Wirtschaft. Seitdem wird offensiv um Freiwillige geworben.
"Mach dich bereit Deine Stärken zu finden"
Sommer 2011: Deutschland setzt die bis dahin geltende Wehrpflicht aus.
"Mach dich bereit, an Dein Limit zu gehen."
An die Stelle der Pflicht tritt der Freiwillige Wehrdienst.
"Mach dich bereit für echte Verantwortung"
Verspätet folgt Deutschland dem Beispiel diverser Nato-Staaten und beginnt mit dem Umbau der Bundeswehr zu einer kleineren, spezialisierten Armee, die effizient in Krisen-und Kriegsregionen einsetzbar ist. Herfried Münkler, Politikwissenschaftler der Humboldt Universität.

Das größte Umbauprojekt der Bundeswehr in puncto Arbeitsplatzqualität

"Für eine Armee im Einsatz ist die Wehrpflicht offenbar nicht der geeignete Mechanismus, wo der Krieg in die Dimension des Instrumentellen und zwar des willkürlich Instrumentellen getreten ist, und er keine existenzielle Herausforderung ist, in der man das Vaterland - in Anführungszeichen gegen einen unmittelbar eindringenden Feind verteidigt, sondern die Regierung entscheidet: OK, wir sollten vielleicht mal in Syrien, wir sollten vielleicht in Libyen, wir sollten in jedem Fall in Mali, oder wo auch immer tätig werden. Das lässt sich nicht mehr begründen indem man sagt: Du bist deutscher Staatsbürger, Du hast die Bereitschaft zu haben, dich dorthin zu bewegen, sondern eher, prüfe dich selber, ob das für dich eine interessante Tätigkeit ist, bei den Streitkräften."
"Mach was wirklich zählt"
Die Bundeswehr wird zwar auf 185.000 Soldaten geschrumpft. Dennoch: Nachwuchsgewinnung ist die wohl größte Herausforderung seit der Transformation von der Wehrpflicht zur modernen Freiwilligenarmee.
"Das heißt, die Streitkräfte treten auf einem Arbeitsmarkt an, auf dem sie Angebote machen müssen, um diejenigen zu finden, von denen sie glauben, dass sie für sie geeignet sind."
Neues Personal kann jetzt nicht mehr passgenau aus dem Pool der Wehrpflichtigen rekrutiert werden, es muss auf dem freien Arbeitsmarkt - in Konkurrenz zur Privatwirtschaft - umworben werden. Die Bundeswehr tritt dem Wettbewerb um "die besten Köpfe" bei und marschiert auf als Zitat:

"Aktiv"

"Hochmoderner, global agierender Konzern".
Im Juli 2014 wird die "Agenda Attraktivität" auf den Weg gebracht, das größte Umbauprojekt der Bundeswehr in puncto Arbeitsplatzqualität seit der Wiedervereinigung.
Flankiert von umfangreichen PR- Aktivitäten.
"Bundeswehr in Führung. Aktiv, attraktiv, anders."
"Bundeswehr in Führung."
"Das bezieht sich darauf, dass wir einer der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland werden wollen."
Oberst Boris Nannt, Pressesprecher im Bundesministerium für Verteidigung, spricht die Vision mutig aus.
"Also es geht hier darum, Attraktivität im Vergleich zu anderen Arbeitgebern und spiegelt auch 'ne moderne Führungskultur wider, beruht auf der inneren Führung. Ist ja ein Bereich, wie wir unsere Führungskompetenz weiterentwickeln, wie wir zum Beispiel Coaching einführen, wie wir dieses Thema gute Führung insgesamt noch stärker verankern wollen und da stellen wir uns jetzt noch weiter auf."
"Aktiv"
Die Bezeichnung für ein überstrapaziertes Phänomen, welches im Joghurt und in jedem Rentner stecken soll und uns den inneren Frieden raubt.
"Bundeswehr in Führung, aktiv, attraktiv, anders."

"Attraktiv"

"Am Anfang war natürlich immer so´n bisschen Skepsis da, erreichen wir jetzt wirklich diese Attraktivitätssteigerung, da war so Häme, da gings um Kitas oder um Flachbildschirme, die uns entgegenschlug, so im Prinzip: wollen wir jetzt ´ne Softarmee haben?"
"Aber ich möchte den Kritikern vielleicht mal die umgekehrte Frage stellen, nämlich wie wir es z. B: gerade mit dem Blick auf die Unterkünfte Soldaten und Soldatinnen erklären sollen, dass sie in Unterkünften hausen, nicht einmal den Standard einer Monteurs-Baracke haben. Und dann die große Frage, warum eigentlich das Instrument der Vereinbarung von Beruf und Familie, das inzwischen im Mittelstand das Instrument ist zur Fachkräftebindung nicht für die Bundeswehr gelten soll."
Verteidigt Ursula von der Leyen ihre Attraktivitätsoffensive.
"Wir werden deshalb die Zulagen, die zum Teil seit 1990 eingefroren sind erhöhen. Wir werden deshalb die Rentenversicherung der Soldaten auf Zeit modernisieren. Das ist die zweite Säule. Wir werden in den nächsten drei Jahren eine halbe Milliarde in die Unterkünfte investieren, um diese zu modernisieren."
Und schließlich gilt seit Januar dieses Jahres auch bei der Bundeswehr die EU- Arbeitszeitrichtlinie, die eine 41-Stundenwoche vorschreibt. Ausnahmen, etwa bei Auslandeinsätzen sind möglich. Doch für eine Organisation in der bislang pro Woche mehr als Zweihundertsiebzigtausend Überstunden anfallen, die vorzugsweise mit Freizeit ausgeglichen werden sollen, kann man hier einen enormen Paradigmenwechsel erkennen. Das Ausmaß der Veränderung zeigt sich auch daran, dass der ehemalige Verteidigungsminister de Maizière, die Umsetzung der bereits 2003 erlassenen EU-Richtlinie noch verweigerte. Thomas de Maiziére, Sohn eines Generals, war der Meinung:
"Ein Soldat ist immer im Dienst".
Solche Ansagen sind es, die im neuen Führungsstil der attraktiven Bundeswehr von jetzt ab keinen Platz mehr haben sollen.
"Bundeswehr in Führung. Aktiv, attraktiv, anders."

"Anders"

"Und das Andere ist, dass die Bundeswehr eben nicht so ist, wie jeder andere Arbeitgeber, so, wo man vielleicht eben auch sein Leben aufs das Spiel setzen kann."
Vielleicht etwas ungeschickt ausgedrückt.
"Aber es ist uns auch wichtig herauszustellen, was unser Alleinstellungsmerkmal ist das Besondere an diesem Soldatenberuf ist natürlich, dass wir Werte haben, für die wir eintreten, das ist die freiheitlich demokratische Grundordnung für die jeder Soldat, aber auch die zivilen Beschäftigten bereit sind, sich einzusetzen, dass wir für unsere Werte kämpfen."
"Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst."
Ein ziemlich cleverer Spruch - mit großem Anwendungspotential: Schulen, Arbeitsagenturen, Jobmessen sind die Einrichtungen wo Jugendoffiziere Vorträge halten und werben. Wo sie auftreten, ist mit Bundeswehrgegner immer zu rechnen. Auch sie beziehen Stellung mit ihren Slogans, wie zum Beispiel:
"Werben fürs Sterben"
Und fühlen sich eventuell zum Narren gehalten, wenn sie zur Kenntnis nehmen:
"Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst."
Der Slogan stammt aus der Kampagne zur Nachwuchsrekrutierung. Motto:
"Mach was wirklich zählt."
Umfang: zwölf Riesenposter, zehntausend Großflächenplakate, zwanzigtausend Citylights, zweiundzwanzigtausend Spindplakate, fünfeinhalb Millionen Postkarten, zehntausend T-Shirts und Flecktarntüten mit Gummibärchen.
Kosten: zirka 10,6 Millionen Euro
Zu der jugendaffinen Kampagne gehört auch eine Rekrutierungswebsite.

Mehr Frauen in die Bundeswehr

Diverse Videoclips, aufgepeppt mit Technopop präsentieren zivile und militärische Jobs der Bundeswehr, sowie die jeweiligen Bildungsvoraussetzungen und Gehälter. Inzwischen gilt der Internetauftritt auch "als Electronic Recruitingsite", nach dem Motto: Onlinebewerbung mit einem Klick. Und seit Anfang des Jahres existiert ein Callcenter für zivile Laufbahnen.
"Also die Bundeswehr braucht ein enorm breites Portfolio von Qualifikation."
Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter der Bundeswehr.
"Also von jungen Leuten, die im Heer in der Panzergrenadiertruppe als Schütze mitfahren, Panzergrenadiere, da wünscht man sich kräftige Leute, die auch Gerät aus dem Panzer rauswuchten können, und beweglich sind, sportlich sind, andererseits braucht man Leute, die Radaranlagen bedienen, man braucht Piloten, man braucht Luftumschlagspersonal, man braucht Psychologen und Ärzte, man braucht Rettungssanitäter, man braucht fast alles, was es im zivilen Leben auch gibt. Also insofern, es gibt kaum einen Arbeitgeber, der so breit aus der Gesellschaft heraus Personal einstellen kann."
Sowohl Ausbildung als auch Studium werden mit vollem Gehalt honoriert. Für Frauen in der Bundeswehr ist bereits Realität wofür der DGB seit Jahrzehnten kämpft: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das ist wörtlich zu verstehen: Frauen haben die gleichen Leistungen zu erbringen wie Männer: kilometerweite Märsche, körperliche und seelische Strapazen, Grenzerfahrungen, und zwar auch der anderen Art: viele Soldaten müssen noch lernen, Soldatinnen als Kameradinnen zu betrachten, und nicht als Objekte.
Der Frauenanteil in der Bundeswehr liegt bei 10%. Angestrebt sind 15%.

Showroom der Bundeswehr

Interessenten, die den persönlichen Kontakt zur Bundeswehr dem elektronischen vorziehen, stehen 110 Karriereberatungsbüros, sowie 16 Karrierecenter offen. Früher hießen sie Kreiswehrersatzämter, auch hier wurde verbal attraktiv aufgerüstet, zahlenmäßig geht es eher bergab. Dafür gibt es seit 2015 den Tag der Bundeswehr, an dem diese sich landesweit präsentiert. Kosten: knapp zweieinhalb Millionen Euro.
Und jetzt hereinmarschiert, pardon hereinspaziert in den Showroom der Bundeswehr, Highlight aller Karrierecenter, von der Presse auch gerne als Flagshipstore bezeichnet. Der Laden liegt im Zentrum Berlins, am Bahnhof Friedrichstraße zwischen einer Apotheke und einem Schuhgeschäft. Im gleichen Haus wurde auch eine Wohnung als Hauptstadtbüro des Berliner Karrierecenters angemietet. Monatliche Kosten: zwölftausend Euro.
Auf den ersten Blick mutet der Showroom an, wie ein Reisebüro für Ziele im Outer space. Drei schick - nein - attraktiv uniformierte Soldatenpuppen, stehen im Laden und warten darauf, dass man sich an ihre regungslose Präsenz gewöhnt. Zwei von ihnen sind weiblich - schließlich braucht die Bundeswehr mehr Frauen.
Der Laden soll Hemmschwellen senken. Raus aus den Kasernen hin zu den Einkaufsstraßen. Jürgen Klau ist Karriereberatungsoffizier im Showroom der Bundeswehr.
"Also, ich sag mal ganz ehrlich, von circa 70 bis 75 % der Interessenten die hier reinkommen, die sich wirklich schon mit dem Arbeitgeber Bundeswehr auseinandergesetzt haben, die auch wissen, was sie wollen, geh ich davon aus, von meinem persönlichen Gefühl her, dass ´ n sehr hoher Anteil sich im Anschluss dann auch bewirbt. Weil die einfach schon wissen, was sie wollen."

Motiviert durch Freunde und Familie

Nach einer knappen Stunde, die Soldatenpuppen verharren weiter im Modus "Stillgestanden", kommt Maria in den Laden. Sie war schon mal hier und möchte sich jetzt bewerben. Im zivilen Bereich.
"Ich bin ausgelernte Bürokauffrau und hab mich jetzt im Internet umgeschaut, und der Markt sieht halt nicht so berauschend aus, aber bei der Bundeswehr weiß man, ok, das ist halt 'n sicherer, die Zahlen halt auch gut, 'n vernünftiger Arbeitsplatz, und daher dachte ich, komm mal her und frag mal nach. Ich hab auch viele Freunde, die gehen halt zur Bundeswehr, und man hört halt auch viel Gutes über die Bundeswehr."
Maria wird beraten von Unteroffizier - Feldwebelanwärterin Annika Stanislawski die im Tarnanzug, jedoch höchst lebendig hinter dem Tresen steht. Sie hat sich für 15 Jahre als Zeitsoldatin bei der Bundeswehr verpflichtet.
"Also ich bin jetzt seit knapp zwei Jahren bei der Bundeswehr, für mich kam auch schon während der Schule überhaupt nichts anderes in Frage, außer die Bundeswehr: es bietet einem einfach viel Möglichkeiten, es ist wirklich ‘n Job, der Spaß macht, der Freude bereitet, der einem wirklich viel bietet. Mein Vater war auch bei der Bundeswehr, ich bin da wirklich von klein auf mit groß geworden. Mein Vater war oft im Einsatz, ich hab das alles oft erlebt, ich hab ihn oft schon in der Truppe besucht, ich war mit dabei, und dann hab ich gesagt, dass ich gerne zur Bundeswehr möchte. Ich mach ‘ne Ausbildung zum Notfallsanitäter und wenn ich mit alledem durch bin, dann bin ich erst ausgebildeter Soldat in meinem Bereich."
So wie Annika gibt es nicht wenige Rekruten, die, motiviert durch Familie oder Freunde zur Bundeswehr gehen, und insofern schon wissen, was auf sie zukommt, zum Beispiel bei Einsätzen in Kriegs- und Krisenregionen. Andere haben da mehr Informationsbedarf. Für Jürgen Klau, den Beratungsoffizier im Showroom spielen Fragen zu dem Thema eine zentrale Rolle.
"Wie man sich überhaupt so'n Auslandseinsatz vorstellen kann, welche Belastungen das mal hat, ob wirklich alle Soldaten, die im Ausland waren mit posttraumatischen Belastungsstörungen zurückkommen, da muss man den jungen Leuten, den Eltern, die diese Fragen stellen, weil sich die Kinder für die Bundeswehr entscheiden, das einfach klar auf'n Tisch legen, was'n Auslandseinsatz ist: immer ´ne Bedrohung. Auslandseinsatz ist auch immer eine Belastung, aber nicht alle unsere Soldaten sind nicht immer im Ausland in Kampfsituationen verwickelt worden. Sondern es ist einfach so, viele kämpfen damit von zu Hause getrennt zu sein, klimatische Verhältnisse, die man nicht gewohnt ist, über Monate vierzig Grad, keine Regenwolke am Himmel, ist für den einen oder anderen schon Belastung genug, keine Intimsphäre, keinen Freundeskreis, den man um sich rum hat, aber wie gesagt, diese Fragen kommen relativ oft. Ja."
Doch Jürgen Klau glaubt:
"Der Soldat hat wahrscheinlich weniger Probleme oft mit dem Einsatz, wie die Familie, die zurückgeblieben ist."

"Religiös erkaltete Gesellschaft"

Lang ist es her, dass Eltern ihre Söhne im frisch gebügelten Waffenrock halb stolz halb wehmütig in den Krieg verabschiedeten. Der deutsche Staatsbürger in Uniform hatte zu Zeiten des kalten Krieges außer dem ruppigen Ton in den Kasernen nicht viel zu befürchten. Mit den ersten toten Soldaten in Afghanistan ist das Risiko der Kampfeinsätze ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt. Und das vielleicht einzige Kind soll nicht freiwillig losziehen. Herfried Münkler von der Humboldt-Universität Berlin.
"Eine demografisch niedrige Reproduktionsrate heißt: in jedem der Kinder ist so viel emotionales Kapital der Eltern gebunden, dass die nicht so ohne weiteres ihre Kinder in den Krieg verabschieden - das ist das eine und das andere ist, wir sind eine religiös erkaltete Gesellschaft. Und religiös heiße Gesellschaften haben eine Vorstellung vom Opfer wohingegen Gesellschaften wie die unsere eigentlich funktionieren über die Idee von Tausch. Und beim Tausch spielt das Opfer im Sinne der Hingabe des Lebens eigentlich keine Rolle."
In anderen Kulturen, zumal männlich geprägten stößt diese Haltung auf Verachtung. Was nicht heißt, die heroische Lebenshaltung hätte nicht auch hier ihre Anhänger.
"Es gibt immer einen gewissen Anteil von Jüngeren, bei denen, wenn sie so wollen, ein eigenes Militär eine gute und hinreichende Einrichtung ist, um diejenigen, die die postheroische Gesellschaft in ihren inneren Mechanismen langweilig, abgeschmackt und spießbürgerlich empfinden, die für die ein Angebot darstellt und dann würd ich schon sagen, sind eigene Streitkräfte besser, als irgendwelche amerikanischen privat military companies, oder von mir aus auch die Angebote des islamischen Staates, oder, um in Europa zu bleiben, der Fremdenlegion."
Allerdings sollte der Militärberuf nicht aus Mangel an Alternativen oder bloßer Abenteuerlust attraktiv sein. Die Videoclips der Nachwuchswerbung berücksichtigen diesen Aspekt zu wenig. So könnten die falschen Soldaten Deutschland bei Auslandseinsätzen repräsentieren.

3.100 Bundeswehrsoldaten im Ausland

Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter der Bundeswehr
"Ich würde mir idealerweise wünschen, dass die Bundeswehr mit ‘nem Bild des soldatischen Dienstes wirbt, das auch dem entspricht, wie Soldaten, die heute in der Bundeswehr Dienst tun, sich selber sehn, oder wie sie denken, dass ihr Dienst sein sollte. Und da denke ich, kann man am besten junge Leute auch heute ansprechen, und so sehn sich die Soldaten auch heute auch, wenn man sagt: es gibt hier einen Beruf, wo es Schwierigkeiten zu überwinden gilt, also mit Schwierigkeiten muss man rechnen, deshalb braucht man Soldaten, weil Dinge schwierig sind: Traust du dir das zu?"
In Berlin Adlershof liegt eins von bundesweit acht Karriere-Assessment-Centern, hier werden die Bewerber auf ihre Tauglichkeit geprüft. Physische, psychische und kognitive Fähigkeiten werden getestet.
"Mein Name ist Cedric. Ich bin 18 Jahre alt und komme aus Mecklenburg-Vorpommern. Damals als kleines Kind wollte ich auch schon immer Soldat werden. Also ich bin jetzt als Panzergrenadier eingestellt, und eigentlich wollt ich zu den Feldwebeln, aber dafür hab ich noch zu wenig Verantwortung. Also für 8 Jahre bin ich jetzt verpflichtet."
Auch Oliver, 19 Jahre alt, hat die Prüfungen bestanden.
"Ja, also zunächst lag das Interesse schon seit meiner Kindheit da, sodass ich gesagt habe: ich möchte eigentlich generell immer was Gutes tun, mit anderen zusammenarbeiten, und dieses Gemeinschaftsgefühl, wenn man zusammen Erfolge hat, hab ich halt auch schon durch Sport erlebt, und da dachte ich mir, warum soll ich das nicht auch im Beruf haben, und da fiel mir einfach die Bundeswehr ein, und ja, es hat geklappt, und da bin auch sehr glücklich drüber. Ja, ich bin als Feldwebel des öffentlichen Dienstes eingetragen worden, für 13 Jahre und im Bereich der Antriebstechnik als Mechatroniker."
Rund 3.100 Bundeswehrsoldaten beteiligen sich derzeit an 17 Einsätzen im Ausland. Im Allgemeinen bleiben sie dort für vier Monate und sind danach, von Ausnahmen abgesehen, 20 Monate in Deutschland stationiert. Wissen die beiden, was da auf sie zukommt und sind sie bereit für den Einsatz in Kriegs-und Krisensituationen?

Soldaten können nicht einfach kündigen

"Die Frage ist natürlich wichtig, die wird auch im Einstellungstest gefragt. Deshalb bin ich mir auch bewusst, dass das mit Risiken verbunden ist. Aber ich sach mal so: man unterschreibt für diesen Job, und diesbezüglich weiß man auch, dass man ins Ausland einberufen wird und auch dort gewisse Risiken auf einen warten, dass man von zu Hause getrennt ist, das ist ganz klar, das gehört dazu, ganz einfach. Also, wenn man mir jetzt sagt, ich muss ins Ausland, dann wird das gemacht. Ich versuch das Bestmögliche dort zu liefern und auf mich aufzupassen und auf meine Kameraden auch. Natürlich hat man immer Angst erschossen zu werden, aber das muss man nur im Hinterkopf so vorhalten."
Haben sich die Soldaten für eine bestimmte Zeit verpflichtet, können sie nicht "einfach so" kündigen, wie im zivilen Leben. Das Dienstverhältnis ist insofern einseitig.
Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit, die beidseitig eine sofortige Kündigung zulässt.
In den ersten drei Monaten wird die Grundausbildung absolviert. Da geht es ziemlich zur Sache. In einer Reportage von Spiegel TV über die Grundausbildung bei der Bundeswehr ist "das ganze Leben eine Dienstvorschrift"
"Sauber nach rechts ausrichten, schaun sie auf die Fußspitzen Ihres rechten Nachbarn, kann doch nicht sein, dass mitten von der dritten Reihe immer angefangen wird, weiter nach vorne zu gehen"

Ein Drittel der Rekruten bricht nach sechs Monaten ab

Der Kulturschock ist groß.
"So, Kameraden, nach meiner Uhr sind Sie genau zwei Minuten zu spät. Wenn ich Ihnen Zeiteinsätze gebe, dann sind diese Zeiteinsätze einzuhalten. Kommen Sie zu spät, hat das Konsequenzen, machen Sie Fehler, hat das ebenfalls Konsequenzen. Verstanden?"
"Jawoll."
Schon nach 12 Monaten können die Rekruten, je nach Laufbahn, ins Ausland versetzt werden.
"G36 zerlegt, Funktionsprüfung durchgeführt, wieder zusammengesetzt, Patronenlager frei entspannt, gesichert und entladen."
"Nicht entladen, das lassen se weg."
"So, und jetzt das Ganze nochmal in einem Satz, und so laut, dass es jeder versteht."
"Ich entsichere, ich fixiere mein Ziel, entsichere mit dem linken, äh, rechten Daumen, entspanne die Waffe und sichere wieder mit dem rechten Zeigefinger."
"Und warum ham se das nicht gleich gesagt?"
"War verwirrt."
Ein knappes Drittel der Rekruten bricht den Dienst innerhalb der Probezeit von sechs Monaten wieder ab, wenigen wird gekündigt. Im Vergleich zu anderen Ausbildungen ist das eine hohe Quote. Vielleicht fühlen sich manche den Anforderungen nicht gewachsen, oder sie haben eine andere Vorstellung von einer attraktiven Bundeswehr. Von den derzeit 185.000 Planstellen sind rund 6000 nicht besetzt.
"Also, was ich feststelle, ist dass die Attraktivität des Dienstes in den Streitkräften auch etwas damit zu tun hat, ob man die Ausrüstung für Ausbildung, Übung und Einsatz überhaupt in ausreichender Anzahl da hat, ob man überhaupt den Job, für den man in die Bundeswehr gekommen ist, machen kann. Wenn das Gerät fehlt, wenn das Material abgegeben wird an andere Verbände, weil insgesamt nicht genug da ist. Und man selbst kann seinen Dienst nicht tun, dann ist der Job nicht attraktiv."

"Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt."

Der Wehrbeauftragte Hans Peter Bartels fungiert als Anwalt der Soldaten. Jedem Soldaten steht das Recht zu, sich ohne Einhaltung des Dienstweges an ihn zu wenden. Zugleich informiert Bartels Parlament und Öffentlichkeit über den inneren Zustand der Bundeswehr. Aus seiner Sicht ist der Umbau der Berufs- und Freiwilligenarmee noch am Anfang.
"Für die über Gebühr geschrumpfte Bundeswehr soll 2016 personell, materiell und finanziell das Wendejahr werden.",
sagte Bartels, als er Anfang des Jahres seinen Bericht vorlegte.
"Da gibt es die Möglichkeit bis zu 12500 Soldaten bei der Bundeswehr zu beschäftigen -das stimmt nicht ganz, weil nur für 5000 dieser sind feste Dienstposten vorhergesehen, für die andern nicht, sie werden sozusagen zusätzlich beschäftigt. Und wenn mans merkt, findet man das vielleicht auch nicht mehr so spannend. Und wenn man personelle Lücken dort stehen lässt, wo wir sie heute identifizieren, dass Soldaten die Arbeit für zwei machen müssen, und zwar nicht nur, wenn einer Urlaub hat, sondern dauernd, dann zweifelt man ein bisschen daran, ob man hier im richtigen Laden ist."
Inzwischen heißt es, bis 2030 sollen 130 Milliarden Euro in die militär-technische Ausstattung der Truppe investiert werden. Und vor einigen Tagen wurde öffentlich, die Verteidigungsministerin plane eine Personalverstärkung von bis zu 15.000 Stellen.
2015 gab es unter den Freiwillig Dienstleistenden: 43% Abiturienten, bei den eingestellten Soldaten auf Zeit waren es 29%, dennoch fehlen der Bundeswehr hochqualifizierte Mitarbeiter und Spezialisten.
"Also, es gibt Personalprobleme, die liegen z.T. in der Struktur, z.T. in den Qualifikationsanforderungen der Bundeswehr. Da kann man aus eigener Kraft ein bisschen nachsteuern, indem man Personal, das man gewinnt auch selbst qualifiziert für die Fähigkeiten, die gefordert sind. Zum Teil muss man anders bezahlen, also, IT-Personal wird überall gesucht, also diese strukturellen Probleme kann man selber lösen."
Fünf Jahre reichen nicht, um eine staatliche, organisatorisch ziemlich verkrustete Institution wie die Bundeswehr erfolgreich in den Wettbewerb um Arbeitskräfte mit der Privatwirtschaft zu schicken. Auch wenn in die Anwerbung kräftig investiert wird. 2013: 29,9 Millionen Euro, 2014: 30,3 Millionen Euro 2015: 35,3 Millionen Euro, die gleiche Summe ist auch für 2016 eingeplant
"Wie ziehst du eine Firewall um ein Feldlager?"
Am 14. März begann im Rahmen der CeBIT die zweite Phase der Rekrutierungsoffensive der Bundeswehr. Im Focus dieser Kampagne stehen die IT-Experten.
"Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt."
Cyberwar das ist DIE neue Herausforderung nicht nur für Streitkräfte. Attacken und Angriffe im Cyberraum nehmen epidemisch zu, sie finden zu jeder Zeit und an jedem Ort unserer vernetzten Welt statt.

Der Soldat als Spieler oder Jäger mit einer Kampfdrohne

"Wie verteidigst Du Dein Schiff gegen digitale Angriffswellen?"
Die Kriege der Zukunft erfordern extrem hochqualifiziertes Personal. Der Cyberspace ist der ideale Raum für die sogenannten hybriden Kriege. Der Gegner soll, so die Absicht, im Unsicheren bleiben, ob er nur technische Probleme hat oder gerade Ziel eines Angriffes ist.
"Hybride Kriege heißen Kriege, bei denen nicht klar ist, ob die Interventionen der Gegenseite eher ein Bestandteil von Kriegführung sind, also mit kinetischer Energie Krieg führen, oder aber ob man nur durch die Außerkraftsetzung von Steuerungs- und Kontrollsystemen des Gegners den paralysiert. Kurzum, man kann sagen, unsere alte Ordnung in den Zeiten der Symmetrie in denen man sagen konnte: es gab zwei Aggregatzustände, entweder es herrschte Frieden, oder es war Krieg, und dazwischen gab es nichts, es gab kein Drittes, ham sich aufgelöst. Hybrider Krieg heißt, es gibt ein Drittes."
Bits tragen keine Uniform, genauso wenig wie Hinweise darauf, ob sie von staatlicher Seite oder anderen Stellen stammen. Auf Drohnen trifft das gleichfalls zu. Auch zwischen Verteidigung und Angriff verschwinden die Unterschiede. Und das Berufsbild des Soldaten verändert sich.
"Wir sind postheroische Gesellschaften, d.h. wir haben zu wenig junge Leute um sie massenhaft für irgendwelche politischen Ziele, und mögen sie noch so ehrenwert sein, zu opfern, also nicht nach Menschen suchen, sondern mit technologischer Innovation das auszugleichen. Das heißt, man verschafft sich die besseren Systeme und der Endpunkt dessen ist sicherlich Gebrauch von Drohnen. Wo der Soldat also eigentlich nicht mehr als der Soldat antritt, sondern der sitzt eher als ein Spieler oder als ein Jäger irgendwo und hat eine Kampfdrohne, die mit entsprechenden Raketen ausgestattet ist mit entsprechenden optischen Systemen, die ihn informieren über die Lage auf einem potentiellen Gefechtsfeld, auf dem er selber nicht anwesend ist, sondern das er, ich nenne das: bewirtschaftet von oben."
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