Wenn Truthahngeier tote Menschen suchen

Von Christina Selzer · 12.05.2011
Sie heißen Columbo, Miss Marple oder Sherlock - und sie sollen der Polizei beim Aufspüren von menschlichen Leichen behilflich sein: Die Truthahngeier im Vogelpark Walsrode. Ob das irgendwann wirklich funktioniert, ist bislang unklar.
Gerade hat German Alonso, der Vogeltrainer, vor einem großen Publikum eine beeindruckende Flugshow präsentiert – mit Papageien und Greifvögeln. Inzwischen sind die Vögel wieder eingefangen und Alonso steht vor den Käfigen hinter den Kulissen. Hier wohnen die Vögel, wenn sie nicht gerade in einer Show auftreten. Auch die drei Truthahngeier.

"Hier haben wir unsere drei Geier, hier ist Columbo, das ist mit Abstand der schlechteste von den dreien, Miss Marple ist unser Hoffnungsträger, und hier ist der alte Hase Sherlock."

Sherlock sitzt in seinem großen Verschlag und lugt vorsichtig über die Bretterwand. Okay, eine Schönheit ist er nicht mit seinem kahlen, roten Kopf, dem etwas schlabberigen Hals und dem dunklem Gefieder. Alonso macht die Tür des Käfigs auf.

"Soll ich versuchen, ihn rauszuholen, Hallo Sherlock. Hallo wir haben Besuch."

Alonso nimmt den Vogel auf seinen Unterarm. Ein Lederriemen um seine Krallen verhindert, dass er wegfliegen kann. Sherlock flattert aufgeregt mit seinen Flügeln, Alonso beruhigt ihn.

"Ja, ist ja gut."

Truthahngeier stammen aus Südamerika. Sie haben einen ausgeprägten Geruchssinn und können Aas kilometerweit riechen. Die Idee ist: Ihn für die Leichensuche einzusetzen. Den Job machen normalerweise Spürhunde.

"Natürlich ist das erstmal eine verrückte Idee, machbar, man braucht zahme Vögel, muss man sie ja wiederkriegen, sonst macht man das nur einmal, dann ist er nämlich weg."

Alonso hat, bevor er Sherlock holt, den Köder in einem Rasenloch versteckt. Es ist eine Stoffratte, an ihr ist ein gelber Becher befestigt. Darin steckt der Stofflappen mit dem menschlichen Leichengeruch. Alonso hält die Luft an.

"Mit dem Gestank trainieren wir die Burschen. Den bekommen wir regelmäßig von der Polizei."

Sherlock löst seine Aufgabe schnell. Er landet über auf dem Rasen und stapft suchend im Gras herum. Schon nach kurzer Zeit hat er das Loch mit der versteckten Beute entdeckt. Seine Belohnung: Ein Stück Fleisch. Doch Alonso macht sich keine Illusionen. Es ist schwer, einen Truthahngeier zu trainieren. Bisher hat der Geier noch nicht gelernt, die Witterung aus der Luft aufzunehmen. Dazu braucht er normalerweise seine Artgenossen. Truthahngeier sind keine Einzelgänger. Deshalb hat Sherlock ja auch Gesellschaft bekommen: Miss Marple und Columbo sollen mit ihm gemeinsam später Leichen aufspüren.

"Mittlerweile habe ich meine Zweifel, ob das funktioniert, weil man sehen muss, das sind alles Handaufzuchten, sie müssen an den Menschen gebunden sein. Untereinander gibt es dann aber Stunk in der Gruppe, der beißt den anderen weg, weil der Trainer die Bezugsperson ist. Alleine sind die Vögel aber Schisshasen, weil die nur einen kleinen Radius abfliegen, aber sie kloppen sich wie die Kesselflicker."

Das ist ein echtes Problem, sagt German Alonso. Noch ist außerdem nicht klar, ob die Vögel im Einsatz später tote Menschen aufspüren oder vom Geruch verendeter Tiere abgelenkt werden. Im Training ist es jedenfalls schon vorgekommen, erzählt Alonso, dass Sherlock ausbüchste und erst Stunden später im Gebüsch gefunden wurde, wie er eine halb verweste Amsel verspeiste.

Weil Sherlock aber schon eine Berühmtheit ist, kommen sogar aus dem Ausland schon Anfragen. Kriminologen wollen sich die fliegende Spürnase für die Leichensuche ausleihen. Doch bis es soweit ist, kann es noch Jahre dauern. Ob es überhaupt klappt und nicht bloß eine verrückte Idee ist – das muss Sherlock noch beweisen.