... wenn man an den Tod denkt

09.02.2011
Nicht nur seine Dankreden bei Preisverleihungen verdienen Interesse. Der Provokateur Thomas Bernhard hat sich öffentlich auch in Leserbriefen, Interviews und Feuilletons geäußert. Ein Sammelband vereinigt schwer zugängliche Texte des Österreichers.
Ihn interessierten auch Straßenbahnen! Als die Gmundener Straßenbahn eingestellt werden sollte, schrieb Thomas Bernhard am 12. Januar 1989 an eine von ihm sehr "geschätzte Zeitung" einen empörten Leserbrief. Mit diesem Brief, bei dem es sich um das letzte zu Bernhards Lebzeiten publizierte Dokument handelt, endet der vom Suhrkamp Verlag herausgegebene Band "Der Wahrheit auf der Spur. Reden, Leserbriefe, Interviews, Feuilletons". Einen Monat später, am 12.2.1989, starb der am 9.2.1931 im holländischen Heerlen geborene Autor.

Thomas Bernhard war nicht nur der Wahrheit, sondern auch dem Tod auf der Spur. So jedenfalls hat er die Rede überschrieben, die er auf dem Festakt zur Verleihung des Anton-Wildgans-Preises im Mai 1968 halten wollte: "Der Wahrheit und dem Tod auf der Spur." Doch dazu kam es nicht, denn Bernhard erhielt nach der Einladung umgehend eine Ausladung. Zwei Monate zuvor, im März 1968, endete nämlich die Verleihung des Österreichischen Staatspreises mit einem Skandal. Deshalb wurde der Preisträger zum Festakt für den Wildgans-Preis kurzerhand ausgeladen und die Preisurkunde schickte man Bernhard mit der Post. Bei der Verleihung des Österreichischen Staatspreises hatte der anwesende Minister Anstoß an Bernhards "Dankrede" genommen. Darin heißt es, dass alles lächerlich sei, wenn "man an den Tod denkt." Bernhard hatte keine konventionelle Dankrede gehalten, aber wer die Bücher des Autors kannte, der war angesichts solcher Töne nicht verwundert. Da der Minister aber keines von Bernhards Büchern gelesen hatte, verließ er wütend den Saal. Dies war der Grund, den Festakt für die nächste Preisverleihung, den für den Anton-Wildgans-Preis, einfach ausfallen zu lassen.

Nicht nur von dieser, sondern auch von anderen Preisverleihungen erzählt Bernhard in seinem postum erschienenen Buch "Meine Preise" (2009). Während darin auch wichtige Reden abgedruckt sind, fehlt die, die er zur Verleihung des Anton-Wildgans-Preises halten wollte. Sie ist neben einigen bisher nur schwer zugänglichen Texten in dem Band zu finden, der den öffentlichen Bernhard vorstellt. Der Tod, so heißt es in der Wildgans-Rede, ist "mein Thema, weil das Leben mein Thema ist." Bernhard hat im Tod seinen Begleiter gesehen. Bereits in seiner Jugend waren sich beide sehr nahe gekommen, wie man aus dem autobiografischen Buch "Der Atem" erfährt.

Es war an der Zeit, den öffentlichen Provokateur Thomas Bernhard vorzustellen. Der chronologisch angeordnete Band macht deutlich, der erste Essay zu Jean-Arthur Rimbaud datiert aus dem Jahr 1954, wie Bernhard in seinen Ansichten immer kompromissloser und radikaler geworden ist. Als er erfährt, dass der ehemalige deutsche Bundespräsident, Walter Scheel, in die Akademie für Sprache und Dichtung gewählt wurde, tritt er aus der Akademie aus. Bernhard, auch das vermag dieser Band unter Beweis zu stellen, ist konsequent seinen Weg gegangen. Gründe, sich zu empören, gab es genug. Besonders empörten Bernhard schlechte Bücher. Dazu hätte er angesichts der hier vorgelegten Ausgabe keinen Grund gehabt.

Besprochen von Michael Opitz

Thomas Bernhard: Der Wahrheit auf der Spur. Reden, Leserbriefe, Interviews, Feuilletons
Hg. von Wolfram Bayer, Raimund Fellinger und Martin Huber
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
346 Seiten, 19,90 Euro
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