"Wenn ich nicht spiele, geh’ ich ein"

Von Marén Balkow · 31.07.2008
Die Berlinerin Juliana Götze spielt im "Polizeiruf Rosis Baby", der am kommenden Sonntag in der ARD ausgestrahlt wird, die Hauptrolle. Für die Filmproduzenten ist dies ein glücklicher Handgriff, denn sie ist eine erfahrene Darstellerin. Die 22-jährige Juliana, die mit dem Down-Syndrom geboren wurde, begeisterte sich schon früh für Musik und Tanz, macht eine Jazztanz-Ausbildung und wurde Schauspielerin.
Theater-Szene aus "Alice":
"Auf Wiedersehen Alice!"
"Wieso Auf Wiedersehen? Ich bin doch gerade erst gekommen!"
"Good bye Alice!"
"Auf Wiedersehen, alles Gute!"

Ein Clown nach dem anderen verabschiedet sich. Alice bleibt zurück, steht ganz allein, vorn am Bühnenrand. Traurig lässt sie den Kopf hängen: die grün-glitzernd geschminkten Augenlider gesenkt, der lustige Pferdeschwanz fällt ihr vornüber ins Gesicht. Das Publikum ist ganz still. Zaubersekunden. Theaterglück. Die Zauber-Schauspielerin, der das gelingt, jene Alice mit den großen blauen Augen, heißt im wahren Leben Juliana Götze.

"Es ist Tanzen, Singen und auch die Körperhaltung!"

Juliana ist 1986 mit Trisomie 21, dem sogenannten Down-Syndrom, zur Welt gekommen. Ihre Eltern, Ostberliner, der Vater, Sportwissenschaftler, die Mutter, Bauzeichnerin. Nach der Geburt hatten beide Angst und düstere Gedanken, was wohl aus ihrer Tochter werden wird. Juliana ist ein waches, aufmerksames Kind. Zusammen mit ihrem vier Jahre jüngeren Bruder wächst sie glücklich in der Familie auf.

Die 22-Jährige ist heute einer der Stars des Berliner Theaters Ramba Zamba. Wenn Juliana spielen, tanzen und singen darf, dann lebt sie sich aus und dann stellt sich, als sei nichts, auch die widerspenstige Sprache ein.

Sie alle haben irgendeine Behinderung, die Schauspieler von Ramba Zamba. Sie sind anders als die andern. Und auch ihre Kunst ist anders: unmittelbar und direkt. Poetisch und spontan.
Juliana besuchte die Helene-Häusler-Schule, ein Förderzentrum in Berlin Mitte. Als sie neun ist, stößt sie zum Kinderzirkus von Ramba Zamba und findet sich bald als Darstellerin auf der Theaterbühne wieder – mit fünfzehn die erste Premiere. Seitdem spielt sie oft die Hauptrollen:

"Das das ist auch ganz schön anstrengend im Mittelpunkt zu stehen als Hauptperson."

Nach der Schule wechselt Juliana fest ans Theater. Ein Arbeitstag von neun bis vier: Körpertraining und Tanzen, Spielproben, Sprech- und Gesangsunterricht. Abends um sieben geht die Vorstellung los. Kann sie sich ein Leben ohne Schauspielerei überhaupt noch vorstellen?

"Nee! Kann ich mir nicht vorstellen! Also, wenn ich nicht spiele, geh’ ich ein! Wenn ich Theater sehe, dann geht’s mir besser, dann hab ich die ganzen Kollegen um mir und die ganzen Mitarbeiter da. Es macht mir auch Spass."

Pro Saison spielt Juliana bei Ramba Zamba in mindestens zwei Stücken. Mit der Theatergruppe gastiert sie im In- und Ausland, wird von der Presse gefeiert, heimst Preise ein. So hat sie sich einen Namen gemacht, von dem irgendwann auch Filmregisseur Andreas Kleinert hört.

Filmausschnitt: "Morgen, wir sind von der Polizei, ich bin die Frau Obermaier und das ist der Herr Tauber … Rosi Drechsler, Wörther Str. 4, 80333 München. Prima!"

Für den Polizeiruf "Rosis Baby" hatten Andreas Kleinert und seine Filmproduzentin bereits in ganz Europa nach einer jungen Schauspielerin mit Down-Syndrom gesucht. Dann erhielten sie den Tipp, doch mal bei Ramba Zamba vorbei zu schauen.

"Da kam irgend so eine Frau, sie will mir ein paar Fragen stellen. Die haben irgend so ein Mädchen gesucht, wer die Rolle spielt im Polizeiruf. Und dann hat sie mich gefragt, ob ich denn mitspielen könnte, im Polizeiruf. Da kam der Regisseur persönlich, Andreas Kleinert. Und dann kam ich mit nem Drehbuch nach Hause! Ah, das war mir erstmal, hm, das muss ich lernen jetze?! Das hab ich meinen Eltern gezeigt das Drehbuch erstmal. Das war neu gewesen dann. Puh …"

Der erste Film! Hat Juliana Angst gehabt?

"Angst nicht, aber - Das ist aufregend! Erstmal den Regisseur kennen zu lernen. Er hat mich gefragt der Regisseur: Ich bin schwanger. Da hab ich gesagt – ohne mich, ja! Ich kann nicht schwanger sein. Und Abtreibung noch alles, gell. Und erst dann sind wir los geflogen nach München."

Eine Schwangere wollte sie nicht spielen… Aber auch sonst hätte es an der Geschichte scheitern können, denn Juliana fällt es schwer traurige Dinge darzustellen. ‚Es ist so schwer zu trennen zwischen Realität und Spiel’, meint sie.

Filmszene. "Weg machen? Wie denn? … Wer ist denn der Vater von dem Kind?"

Juliana wird einiges abverlangt: eine Schwangere spielen, der das Kind genommen werden soll und dann auch noch eine Liebesszene mit ihrem Filmfreund.

"Also die Liebesszene war erstmal schwierig. Da hab ich geweint, weil ich so was nicht spielen kann. Aber dann hab ich an meinen Bruder gedacht und seine Freundin, wie die da rumkabbeln, rumkuscheln und so. Und dann ging’s. Da war ich bereit gewesen dafür. Die waren alle berührt hinter den Kameras, in diesem Fernseher da."

Ihre Eltern, mit denen Juliana in Prenzlauer Berg wohnt, hat Juliana schon oft durch ihre Ernsthaftigkeit und Disziplin, mit der sie bei der Sache ist, beeindruckt. Und auch ihr achtzehnjähriger Bruder Markus, dessen Schmusereien auf der heimischen Couch Juliana als Inspiration für die Liebesszene im Film dienten, ist stolz auf seine Schwester. Die ganze Familie hat Juliana Ende Juni zum Filmfest nach München begleitet. Ein Polizeiruf als Festivalbeitrag – allein das ist schon eine große Auszeichnung!

Der nächste Film? Kommt bestimmt! Juliana verzieht das Gesicht: Ein Krimi muss es aber nicht sein.

""Also Krimi nicht mehr! Irgend so n Musikfilm oder Tanzfilm oder Liebesfilm oder so."’"