Wenn die Maschinerie zu knirschen beginnt

20.07.2012
In seinem sarkastischen Thriller "Crime Machine" sucht Howard Linskey nach dem ökonomischen Kalkül des Organisierten Verbrechens. Der Roman erfreut zudem mit allen seinen Elementen: mit wunderbaren, trockenen Dialogen, mit präzisen Beschreibungen von Land und Leuten und einer beinahe schon mustergültigen Spannungsdramaturgie.
Organisiertes Verbrechen hat gegenüber unorganisiertem viele Vorteile. Klare Verhältnisse, keine Kollateralschäden bei Auseinandersetzungen, eindeutig definierter Geldfluss, Preisstabilität, transparentes Preis-/Leistungsverhältnis und andere ordnungspolitische Maßnahmen gegen die Anarchie ungeordneter Verhältnisse mehr.

So sehen das im nordenglischen Newcastle nicht nur die örtlichen Gangster, sondern auch die Polizei, die gegen eine erhebliche Aufbesserung der schmalen staatlichen Bezüge gerne an der Aufrechterhaltung des status quo beteiligt ist. Sehr zufrieden ist auch die hohe Politik in London, die gerne gegen entsprechende Finanzierung mit Gesetzesvorhaben und anderen nützlichen Initiativen dem Organisierten Verbrechen hilft, wo sie kann.

So ist alles bestens geordnet, am Anfang von Howard Linskeys Debütroman "Crime Machine". Die Maschinerie beginnt zu knirschen, als eine große Schmiergeldzahlung an einen Lobbyisten, der als Bindeglied zwischen Gangstern und Politik fungiert, ausbleibt. Verantwortlich für den Transfer ist die Hauptfigur unseres Romans, David Baker, der Berater des Big Boss von Newcastle. Baker ist eher ein Intellektueller als ein Verbrecher mit Stallgeruch und aus seiner Perspektive ist der Roman mit oft heiterem Sarkasmus erzählt.

Richtig bösartig wird die Angelegenheit im weiteren Verlauf des Geschichte, als der smarte consigliere - Anspielungen und Zitate aus Mario Puzos/Coppolas "Der Pate" geben dem Roman noch eine ironische Komponente mehr - plötzlich zu sehr robustem Handeln gezwungen wird. Das tut er dann auch - und wir stecken mitten einem klassischen, brutalen britischen Gangsterroman in der Tradition eines Ted Lewis (der 1970 mit "Get Carter" eine ganze Tradition des BritNoir initiiert hatte).

"Crime Machine" überzeugt nicht nur wegen der politischen Klarsicht der Handlung - eine dreiseitige Lektion über die Kooperation von Politik und Verbrechen gehört zum Prägnantesten, was zum Thema je gesagt wurde -, der Roman erfreut zudem mit allen seinen Elementen: Mit wunderbaren, trockenen Dialogen, mit präzisen Beschreibungen von Land und Leuten, mit trefflich charakterisierten Figuren und einer beinahe schon mustergültigen Spannungsdramaturgie, die erst langsam, dann aber stetig und rasant beschleunigt, ohne an Lakonie und Coolness zu verlieren.

Die roman-noir-hafte Romantik des scheiternden Gangsters ist Howard Kinskeys Sache nicht. Auch eine Diskussion, ob das Organisierte Verbrechen sich am Ende durchsetzen wird oder nicht, findet nicht mehr statt. Die Romantik des Outlaw ist einem vernünftigen ökonomischen Kalkül gewichen, das auch die jeweilige Eskalationsstufe der eingesetzten Gewalt regelt - was nicht heißt, dass es in dem Roman nett zugeht. Aber dieses vernünftige Kalkül gegen die üblichen Posen und Stilisierungen des Noir ist nicht etwa ein Verlust an düsterer Poesie, sondern radikalisiert den Roman eher noch, weil sich dadurch jede märchenhafte, also jede versöhnliche Lesart verbietet. Und das macht "Crime Machine" zu einem großartigen, wenn auch durchaus unbehaglichen Buch.

Besprochen von Thomas Wörtche

Howard Linskey: Crime Machine
Deutsch von Conny Lösch.
Knaur, München 2012
378 Seiten, 9,99 Euro
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