Wenn die Emotionen die Oberhand gewinnen

15.02.2008
Martha Gellhorn war vier Jahre lang die Ehefrau Ernest Hemingways und in Punkto Verwegenheit nahm sie es locker mit ihrem Mann auf. Als Kriegsreporterin berichtete das "desaster girl" vom spanischen Bürgerkrieg und vom II. Weltkrieg. In ihren "munteren Geschichten für müde Menschen" beschreibt sie Menschen, die sich und ihre Emotionen im Griff zu haben glauben und dann grandios an ihren Gefühlen scheitern.
Ihre Kollegen nannten sie bewundernd "die blonde Gefahr" und "desaster girl". F.Scott Fitzgerald kommentierte ihre Hochzeit mit seinem geschätzten Kollegen erfreut:

"Jetzt hat Hemingway endlich einmal eine wirklich schöne Frau erwischt und versucht es nicht wieder mit der Pygmalion-Nummer."

Martha Gellhorn war eine berühmte Kriegsreporterin, und sie war - vier Jahre lang - die Frau von Ernest Hemingway. Mit ihm lebte sie auf Kuba, ihm folgte sie in den spanischen Bürgerkrieg; sie verpasste überhaupt seit 1937 "keinen der großen bewaffneten Konflikte".

Martha Gellhorn entwickelte für ihre Reportagen einen eigenen, erfolgreichen Stil, neben genauer Beobachtung und akribischer Recherche stand die persönliche Haltung, denn journalistische Objektivität hielt sie für "shit". Sie schrieb für große amerikanische Magazine, sie verdiente viel Geld. Sie führte - mit dem Furor einer Journalistin, die berichtet, weil sie Ungerechtigkeiten anprangern will - ein gefährliches Leben:

"Ich will nicht gut sein, das ist etwas für picklige Menschen... Ich möchte wie die Hölle rasen oder tot sein... Nur ein Narr würde lieber gefährlich-schmerzhaft unglücklich sein als gelangweilt. So ein Narr bin ich."

Diese Haltung verband sie zwar mit Hemingway, aber es reichte trotzdem nicht für ein dauerndes gemeinsames Leben, er machte sie ziemlich unglücklich, nach der Scheidung wollte sie nie wieder mit und von ihm reden. Ihre literarischen Ambitionen, die neben Hemingway auf der gemeinsamen kubanischen Finca begonnen hatten, waren ihr trotz des rasenden Kriegsreporterinnen-Lebens nie abhanden gekommen.

Aber was heißt Ambitionen, die 1908 geborene Martha Gellhorn hat acht Romane, viele Erzählungen geschrieben. Sie ist ohne jeden Zweifel eine Schriftstellerin, und davon zeugen auch die drei Novellen, die jetzt im Zürcher Dörlemann Verlag zum ersten Mal in deutscher Übersetzung erschienen sind. Der Titel der Sammlung weist schon den richtigen, den Weg der heiteren Ironie, denn zumindest die ersten beiden Geschichten sind eigentlich ganz und gar nicht munter.

Da scheitert eine vielversprechende Karriere, weil der in Liebesdingen souveräne Junggeselle in mittleren Jahren plötzlich eben diese Souveränität verliert. Aus einer Affäre wird Ernst, und aus dem Mann mit den besten Perspektiven ein verzweifelter Säufer. Dass eine bestimmte Sorte Männer glaubt, die Zügel des Lebens und der Gefühle straff halten zu können, davon erzählt auch die zweite Novelle, in der ein kühl seinen Vorteil bedenkender, angepasster Aufsteiger erst durch seine dritte Frau an den Rand des emotionalen Ruins geführt wird. Allerdings wird er durch diese Erfahrung sympathischer.

Wie verläuft das Leben, welche Irrtümer und Lügen sind Bausteine einer Existenz: Davon erzählen ebenso heiter wie menschenklug diese Novellen. In der dritten Geschichte steht eine Frau in mittleren Jahren im Mittelpunkt, die sich - was den männlichen Protagonisten nicht gelingt - tatsächlich neu erfindet. Und das ist nicht nur eine muntere Geschichte, sondern ein höchst überraschende, die jede Müdigkeit vertreibt.

Rezensiert von Manuela Reichart

Martha Gellhorn: Muntere Geschichten für müde Menschen
Drei Novellen; aus dem Amerikanischen von Miriam Mandelkow
Dörlemann Verlag, Zürich 2008
260 S.