Wenig Kunst, viel Kommerz

Von Kerstin Zilm · 26.07.2012
Das Museum of Contemporary Art in Los Angeles (MOCA) ist in Aufruhr. Chefkurator Paul Schimmel wurde geschasst. Alle Künstler des Museumsdirektoriums legten daraufhin ihre Mitgliedschaft nieder, um gegen den Kurs unter MOCA-Direktor Jeffrey Deitch zu protestieren.
Der Konzeptkünstler John Baldessari war der erste, der seine Mitgliedschaft im MOCA-Direktorium niederlegte. Die Ankündigung von Museumsdirektor Jeffrey Deitch, in einer Ausstellung den Einfluss von Disco-Kultur mit dem von Kubismus zu vergleichen, brachte das Fass zum Überlaufen. "Ich dachte erst, es ist ein Witz, aber nein, es ist ernst gemeint. Um weiter in den Spiegel schauen zu können, musste ich zurücktreten", erklärte er der Los Angeles Times. Wenige Tage später folgten Barbara Kruger, Catherine Opie und zuletzt Ed Ruscha.

In unterschiedlichen Formulierungen kritisieren die Künstler alle das Gleiche: den Kurs des Museums unter Deitch. Der Galerist mit Vorliebe für urbane Subkultur, die Verbindung von Kunst Kommerz und spektakulären Partys kam vor zwei Jahren nach Los Angeles. Seine Aufgabe: MOCA aus einer finanziellen und konzeptionellen Krise zu heben. Sein Kurs war kein Geheimnis:

"Kunst ist eine Plattform, die inzwischen alle Medien umfasst: Film, Mode, Literatur, Graffiti . Starkult ist wohl oder übel eine Kunstform geworden. Das Potential, ein Modell für das Museum des 21. Jahrhunderts zu schaffen ist ungeheuerlich. Und Los Angeles ist der beste Ort es zu tun."

Mit Museumsdirektor Deitch und MOCA Chefkurator Paul Schimmel prallten Kulturen aufeinander. Schimmel hatte die Institution über 22 Jahre mit von Kritikern und Kunstwissenschaftlern gelobten Ausstellungen geprägt. Optimisten hofften auf kreative Funken in der Zusammenarbeit. Doch im Juli wurde Schimmel vom Direktorium unter öffentlich unbekannten Umständen zum Rücktritt veranlasst - ein entscheidender Grund für die Rebellion gegen Deitch und seine Unterstützer in der MOCA-Führung, erklärt Kunstkritikerin Hunter Drohojowska-Philip:

"Ein Kritikpunkt ist weniger, dass das Museum sehr weit in Richtung populärer Kultur tendiert mit Musik, Film etc. - das ist alles Teil moderner Kunst. Es wird vielmehr befürchtet, dass all das nicht ausreichend mit einem Fundament aus der Kunstgeschichte verankert wird. Es muss eine Balance geben."

MOCA war in den 30 Jahren seit seines Bestehens immer stolz auf sein Direktorium aus Künstlern, Kunstliebhabern und Investoren, auf Weltklasseausstellungen und seine Sammlung von Meistern moderner Kunst. Finanzielles Missmanagement führte 2008 in eine tiefe Krise. Ein Mann kam zur Rettung: Eli Broad, Milliardär und Kunstsammler mit der Vision, Los Angeles als Kulturmetropole der Westküste zu etablieren.

Mit einer 30 Millionen Spende rettete er das Museum vor Bankrott, Fusion und Übernahme:

"Das ist kein Rettungsschirm für MOCA. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, die 'New York Times' könnte einen Artikel schreiben, dass dieses Museum gescheitert ist und andere Kulturprojekte in Gefahr sind. Dies ist eine weitere Investition in MOCAs großartige Zukunft."

Eli Broad bestreitet, Druck auf die Direktion auszuüben und Kurskorrekturen in seinem Sinne herbei zu führen. In einem Kommentar zur aktuellen Krise schreibt er aber von der "weisen Entscheidung", Jeffrey Deitch zu engagieren, Kurator Paul Schimmel für andere Aufgaben frei zu machen und das Museum von einer insularen zu einer populären Institution zu entwickeln. Mit der Millionenspende wuchs der Einfluss des Philanthropen auf Konzept und Personal des Museums, sagt Kunstkritikerin Drohojowska-Philip:

"Weil Eli so ein erfolgreicher Unternehmer ist schaut er sich die Bilanz von MOCA an und sagt: Wir können das Problem lösen, indem wir Leute entlassen. Wir haben zu hohe Kosten pro Besucher. Er behandelt es wie ein Unternehmen unter finanziellem Druck."

Museumsdirektor Deitch hat neue Besucher ins Museum gelockt mit Ausstellungen über Dennis Hopper, James Dean aus Sicht des Schauspielers James Franco, Graffiti und andere Straßenkunst. Doch der Verkauf von Eintrittskarten deckt keinen Museumshaushalt. Ob das Museum ohne weitere Finanzspritzen von Eli Broad überleben kann ist derzeit nicht zu erkennen.

MOCA finanziert seinen 15-Millionen-Haushalt nahezu vollständig aus Privatspenden. Ein Konfrontationskurs könnte dabei zum Problem werden. Hunter Drohojowska-Philip:

"Er verprellt viele Anhänger, die MOCA seit langer Zeit unterstützen, denen moderne Kunst sehr wichtig ist und die ein Museum als Ort ansehen, an dem diese Kultur in ihrem Zusammenhang gepflegt wird."

Ed Ruscha schrieb in seiner Rücktrittserklärung, das Museum sei auf einem anderen Kurs als er sich vorgestellt habe, aber auf einem, den er hoffentlich in der Zukunft unterstützen könne. Momentan ist nicht zu erkennen, wie diese Zukunft aussehen wird.

Mehr zum Thema bei dradio.de:
Exodus am MOCA - Künstler verlassen das Museum of Contemporary Art in Los Angeles, (DLF, Kultur heute vom 23.7.2012))
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