Wenig Interesse in Washington an Intervention in Syrien

Verschärft den Ton gegenüber Syrien: US-Präsident Barack Obama
Verschärft den Ton gegenüber Syrien: US-Präsident Barack Obama © picture alliance / dpa / Jim Lo Scalzo
Josef Braml im Gespräch mit Gabi Wuttke · 22.08.2012
Beim Wahlkampf in den USA sei derzeit kein Blumentopf mit einem militärischen Engagement in Syrien zu gewinnen, sagt Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Der "militärische Fußabdruck" müsse schon auf Grund einer desolaten Haushaltslage verkleinert werden.
Gabi Wuttke: Giftgas als Drohkulisse. Barack Obama hat gestern darauf geantwortet, knapp drei Monate vor der Präsidentschaftswahl in den USA. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ist jetzt am Telefon, einen schönen guten Morgen!

Josef Braml: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Die Drohung gegenüber dem syrischen Regime – Wahlkampf ist das also nicht, denn gemeinhin punktet Außenpolitik bei den Amerikanern ja wenig?

Braml: Nein, ich denke, dass bei diesem Wahlkampf kein Blumentopf zu gewinnen ist mit einem, ja, militärischen Engagement in dieser Region. Ich denke, dass das wohl eine Drohung ist, um vielleicht eben hier der anderen Drohung entgegenzusetzen und hier auch abzuschrecken. Die amerikanische Seite sagt auch offen, dass der Appetit für eine Militärintervention derzeit sehr niedrig ist.

Wuttke: Wenn wir einen Blick auf Obamas Außenpolitik dieser ersten Amtszeit, der letzten Jahre also, werfen: Kann er als Erfolg letztlich einzig nur den Tod von Osama bin Laden verbuchen?

Braml: Ja, wenn man die außenpolitische Handlungsfähigkeit ansieht und das Bemühen, diese wieder herzustellen, dann hat Obama durchaus schon einiges geleistet. Amerika hat sich überdehnt, hat sich übernommen, zumal im Irak und auch in Afghanistan. Und diese Truppen werden wieder heim geholt. Obama hat zu Recht gesagt: Die größte sicherheitspolitische Bedrohung Amerikas sind nicht Terroristen und sind auch nicht Schurkenstaaten, sondern die eigene wirtschaftliche Schwäche, die auch künftige Handlungsfähigkeit einschränkt. Und hier muss Obama einiges tun, nicht zuletzt auch, um seine Wahlen zu gewinnen.

Wuttke: Also das heißt, auch die Weltwirtschaftskrise ist so gesehen schuld daran, dass seine Nahostpolitik keinen Frieden gebracht hat, dass er im Arabischen Frühling so zurückhaltend war?

Braml: Das würde ich nicht so zuspitzen. Ich denke, dass die Weltwirtschaftskrise eigentlich nur ein erstes Anzeichen der inneren amerikanischen Schwäche war. Sie wurde ja in Amerika ausgelöst. Hier wurden eben Defizite deutlich, die sich in den letzten Jahrzehnten zusammengebraut haben. Und eines dieser gravierenden Defizite ist nicht zuletzt die Ölabhängigkeit Amerikas von dieser Region. Amerika muss sich von diesen Ressourcen emanzipieren und auch von der Tatsache, dass der Ölpreis in Saudi-Arabien bestimmt werden kann. Amerika wird sich also weiterhin in dieser Region engagieren müssen, aber gleichzeitig perspektivisch dahin steuern müssen, sich von diesem Stoff, von diesem Rohstoff unabhängiger zu machen und damit auch seine außenpolitische Handlungsfähigkeit wiederherstellen.

Wuttke: Wie könnte das geschehen?

Braml: Durch weniger Energieverbrauch. Es gibt Technologien, diesen Energieverbrauch zu mindern. Es gibt auch alternative Möglichkeiten, Biokraftstoffe, derzeit werden die noch über Mais hergestellt, was dann wieder zu anderen Problemen führt. Aber die Forschung wird auch hier weiterführen und andere Möglichkeiten eröffnen. Ich denke, dass Amerika mehr in seine Smart Power, in die Intelligenz seiner Wissenschaftler setzen sollte und weniger auf Hard Power, um die Ressourcen der alten Zeit zu sichern.

Wuttke: Damals stellte man sich die Frage ganz offen: Wie konnte es sein, dass kurz nach Amtsantritt Barack Obama bereits den Friedensnobelpreis erhielt. Jetzt stellt man sich die Frage immer öfter: Wofür hat er ihn bekommen?

Braml: Ja, das war nicht das erste Mal, dass hier aus politischen Gründen ein derartiger Preis vergeben wurde. Wer genau hinsah, hat gesehen, dass Obama die Politik seines Vorgängers weiterführte, nur intelligenter weiterführte. Was vorher mit militärischen Mitteln gemacht wurde, wird jetzt verstärkt mit sicherheitsdienstlichen Mitteln gemacht. Der Einsatz von Drohnen wurde ja bereits von der Bush-Administration angebahnt. Hier tauschen sich die Rollen. Das Militär zieht sich zurück. Es wird eher durch sicherheitsdienstliche Maßnahmen gemacht. Das heißt, die geostrategisch wichtigen Regionen im Nahen, Mittleren Osten, aber auch in Afrika werden jetzt durch unbemannte Flugkörper, durch Drohnen gesichert. Der militärische Fußabdruck wird verkleinert. Nicht zuletzt auch mit Blick auf die innere Schwäche, die wirtschaftliche Schwäche und auch die mangelnde politische Unterstützung für derartige Militärinterventionen.

Wuttke: Sollte heute ein Friedensnobelpreisträger gekürt werden: Würden Sie Barack Obama als Kandidaten handeln?

Braml: Das ist wie beim europäischen Songcontest. Da muss man die innere Politik verstehen, oder auch bei der UEFA, wer der nächste Austragungsort bei den Fußballweltmeisterschaften wird – da bin ich nicht genug in diesem System, um das zu verstehen.

Wuttke: Halten Sie die Außenpolitik von Barack Obama für friedensnobelpreiswürdig?

Braml: Ich denke, dass man hier mit, ja, moralischen Kategorien alleine nicht weit kommt, um das Verhalten zu verstehen. Ich denke, dass Amerika hier auch geostrategische Kalküle hat und auch haben muss. Und wir sollten auch hierzulande nicht vergessen, die wir gerne billig fliegen und schnell mal ein Event in einer anderen Stadt mitnehmen wollen, dass auch unsere Mobilität von dieser Sicherheitspartnerschaft Amerikas abhängig ist. Wir müssen auch unser Verhalten ändern, dann schlafen wir auch moralisch wieder besser.

Wuttke: Die politisch-militärische Vorrangstellung der USA: Wird das Schnee von gestern bleiben?

Braml: Ich denke, dass Amerika nach wie vor militärisch unangefochten bleiben wird. Nur, wir haben seit dem Desaster im Irak gesehen, dass man mit Militär allein nicht seinen Willen durchsetzen kann. Künftig wird Amerika noch mehr auf seine inneren Fähigkeiten achten müssen, auf die wirtschaftlichen Grundlagen, die nicht zuletzt auch Voraussetzung für die militärischen Fähigkeiten sind. Wenn man sich die desolate Haushaltslage ansieht, dann muss man auch sehen, dass Amerika seine militärische Übermacht zurückschrauben muss. Und man wird auch sehen, dass andere Probleme Amerika bedrohen, dass ist nicht zuletzt die Herausforderung der Dollardominanz, die es Amerika erlaubt hat, in den letzten Jahrzehnten über seine Verhältnisse zu konsumieren.

Wuttke: Die amerikanische Außenpolitik. Also die Politik von Barack Obama, analysiert von Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Ich danke Ihnen sehr! Schönen Tag!

Braml: Ich danke Ihnen, Frau Wuttke!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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