Wem gehört Deutschland?

Land der Patente

Aktenregale im Patentinformationszentrum an der Uni Dortmund
Für ein Patent muss die Entwicklung neu, originär und wirtschaftlich verwertbar sein. © Deutschlandradio - Julian Kuper
Von Sören Brinkmann · 30.04.2014
Mit zwölf Prozent aller Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt sind die Deutschen Spitzenreiter in Europa. Einige Köpfe solcher patentreifen Ideen stellen wir vor.
Ein unscheinbares mehrgeschossiges Bürogebäude auf dem Campus der Technischen Universität in Dortmund. Hier ist die Idee entstanden, mit einer 3D-Kamera das Innere des Auges zu fotografieren. Die Entwicklung könnte einmal in der Medizintechnik eingesetzt werden, um die Größe von Tumoren genau zu erkennen. Entwickelt hat die Technik der Physiker Holger Sommer. Er ist Doktorand, auf seine Idee kam er während der Diplomarbeit:
"Die Problemstellung ist, dass es Tumore in Augen gibt und dass es sehr wichtig ist, die dreidimensionale Form von diesen Tumoren zu kennen. Und erst währenddessen oder am Ende meiner Diplomarbeit habe ich gesehen: Halt, das ist ziemlich neu, was ich da gemacht habe. Das sollte man vielleicht patentieren."
Als Erfinder sieht sich Holger Sommer selbst nicht. Inzwischen hat er aber zusammen mit der Uni das Patent angemeldet.
"Ich glaube, dass es viel mehr Patentideen gibt, die nicht geschöpft werden. Es gibt mit Sicherheit auch den Fall, dass Forscher genau wissen: Das könnte ich jetzt patentieren, das wäre eine große Sache. Aber stattdessen einfach eine Veröffentlichung machen und der Welt die Idee schenken, sozusagen."
Wer überlegt, eine eigene Idee als Patent anzumelden, der kann Unterstützung bei den bundesweit mehr als 20 Patentinformationszentren bekommen.
Auch an der Dortmunder Uni gibt es solch ein Infozentrum – im Untergeschoss der Bibliothek. Vor dem Eingang stehen zig Regalmeter an Patentsammlungen. Ideen, die in den zurückliegenden Jahrzehnten geschützt wurden. Durch eine Glastür geht man in die Rechercheräume. Hier arbeitet Sara Kreyerhoff. Sie ist häufig erste Ansprechpartnerin für die potenziellen Patentbesitzer:
"Zum Beispiel ein Arbeitnehmer, der mit einem Werkzeug arbeitet, und dem auffällt, dass wenn man das Werkzeug vielleicht in einem anderen Winkel biegt, die Arbeit mit diesem Werkzeug sehr viel einfacher wird. Oder es gibt den Hausbesitzer, der ein denkmalgeschütztes Haus hat, und da eine besondere Möglichkeit gefunden hat, die Fenster einzubauen, ohne dabei das Haus zu beschädigen. Das sind alles technische Neuerungen, die dann letztendlich womöglich auch zum Patent führen können."
Bayern und Baden-Württemberg sind Spitzenreiter
Eingetragen werden diese beim Deutschen Patent- und Markenamt, wenn die Idee oder die Entwicklung neu, originär und grundsätzlich auch wirtschaftlich verwertbar ist. Die Patentgebühren liegen in den ersten Jahren bei knapp 100 Euro, sie steigen im Laufe der Jahre allerdings deutlich. Im 20. Patentjahr zahlt der Erfinder schon knapp 2000 Euro. Doch insbesondere für Unternehmen können sich die Gebühren lohnen. Und das gilt nicht nur für Großkonzerne. Viele Mittelständler in Deutschland sind in wirtschaftlichen Nischen erfolgreich – und dabei auf technologischen Vorsprung und den Schutz durch Patente angewiesen. Auffällig ist, dass gerade in den wirtschaftlich starken Regionen wie Bayern und Baden-Württemberg besonders viele Patente angemeldet werden.
Mechanischer Erntehelfer
Das erste Patent der Firma Grimme - ein einachsiges Erntegespann
Das erste Patent der Firma Grimme - ein einachsiges Erntegespann© Deutschlandradio - Julian Kuper
Damme, Nördlich von Osnabrück in Niedersachsen. Das Land wirbt mit dem Slogan: Immer eine gute Idee. Viel Backstein prägt das Bild, Einfamilienhäuser. Düngergeruch liegt in der Luft. Direkt im Ort liegt das Firmengelände des Landmaschinenbauers Grimme. Das Unternehmen ist seit mehr als 150 Jahren in Familienbesitz.
"Das ist das erste Patent der Grimme Landmaschinenfabrik aus 1937."
Unternehmenssprecher Jürgen Feld steht vor einem schlichten einachsigen Erntegespann mit dem Kartoffeln aus dem Boden getrieben wurden. Die Neuerung war damals ein Metallkorb, um die Kartoffeln aufzufangen. Wenige Schritte entfernt stehen die LKW-großen Erntemaschinen der heutigen Zeit. Noch immer sind der Besitz von neuen Ideen und der Schutz durch Patente elementar für das Unternehmen. Denn die Neuentwicklungen großer Maschinen sind teuer.
"Natürlich schauen wir auch links und rechts und machen mal Versuche, um letztendlich nachzudenken: Was könnte in fünf oder zehn Jahren ein Szenario sein. So ein bisschen vergleichbar mit der Formel1, da werden auch viele Dinge ausprobiert. Später hat man schon erkannt, dass Dinge, die dort entwickelt wurden auch für den normalen Automobilbau eingesetzt worden sind."

Der Grimme-Produktmanager Johannes Sonnen.
Der Grimme-Produktmanager Johannes Sonnen.© Deutschlandradio - Julian Kuper
Ideen, Wissen und Entwicklungen sind auch für Grimme ein wichtiger Rohstoff – mit einem großen Wert. Um diesen Rohstoff zu sichern, gilt im Unternehmen ein klares Prinzip, so Johannes Sonnen der Leiter des Produktionsmanagements:
"Es gibt da ganz viele Ingenieursdienstleistungsbüros, die immer wieder hier anrufen und sagen: Können wir denn nicht einen Ingenieur bei ihnen platzieren? Der kann temporär bei Ihnen arbeiten. Wir lehnen das eigentlich immer ab, weil wir sagen, die Ingenieure und die Leute bei uns sollen das Wissen im Hause behalten."
Zu den neuesten Entwicklungen des Hauses gehört ein Gerät, mit dem Kartoffeln bei der Ernte von Steinen getrennt werden können – mit Hilfe von Druckluft. Die Entwicklung war typisch für viele Neuerungen: Bereits existierende Geräte wurden ein Stück weit verändert. Vorbild für den Entwickler war eine Maschine, die Steine ansaugt, erklärt Johannes Sonnen.
"Und da hat er sich überlegt: wir saugen nicht, sondern wir pusten einfach mal. So kam die Grundidee und dabei haben wir festgestellt, dass wenn wir pusten, wir eigentlich sehr viel weniger Energie brauchen, als wenn wir von oben saugen."
Eine scheinbar simple Idee – und die gehört in den kommenden Jahren Grimme. Auf das Schutzrecht kann sich das Unternehmen für bis zu 20 Jahre verlassen.
Sechs Reporter sind in dieser Woche fürs Deutschlandradio unterwegs und fragen: Wem gehört Deutschland? - Ihre Berichte können Sie vom 28. April bis zum 3. Mai jeweils um 8:40 Uhr in der "Ortszeit" hören. Weitere Informationen zur Reportagereise finden Sie im Blog Wem gehört Deutschland?