Weltverband der Astronomen

Ein Riesenteleskop für Hawaii

Das geplante Thirty-Meter-Teleskop (TMT) auf dem Vulkan Mauna Kea/Hawaii; Illustration des geplanten Teleskops
So soll das geplante Riesenteleskop auf dem hawaiianischen Vulkan Mauna Kea aussehen. Den Forschern eröffnet es ganz neue Möglichkeiten. © picture alliance/dpa/TMT Observatory Corporation
Günther Hasinger im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 03.08.2015
Die Inselgruppe Hawaii gilt wegen ihrer guten Sichtverhältnisse als Mekka der Sterngucker. Dort soll ein Riesenteleskop auf einen Vulkan gebaut werden. Damit könne man Planeten hundertmal besser sichten als mit früheren Geräten, sagt der Astrophysiker Günther Hasinger.
Korbinian Frenzel: Wenn es die Welttagung der Versicherungsvertreter wäre oder der Immobilienmakler, dann müsste man nicht lange darüber nachdenken, warum die sich ausgerechnet auf Hawaii treffen. Wenn ich Ihnen aber sage, dass sich dort ab heute der Weltverband der Astronomen trifft, also die Sternengucker, dann hat das definitiv mehr als touristische Gründe: Hawaii ist, so viel habe ich von meiner Redaktion schon vorab gelernt, eine Art Mekka für Astronomen. Und das erklärt wahrscheinlich auch, warum der Mann, den wir jetzt sprechen, dort ist, wo er ist, als Direktor des Instituts für Astronomie der Universität Hawaii: der deutsche Astrophysiker Günther Hasinger. Guten Morgen – oder vielmehr, bei Ihnen ist ja noch Sonntag, guten Abend nach Hawaii!
Günther Hasinger: Ja, guten Morgen, Herr Frenzel, und vielen Dank, dass ich bei Ihnen sein kann.
Frenzel: Sie können bei uns gerne sein, weil wir nämlich eine Frage haben, eine erste zentrale Frage: Warum ist Hawaii so perfekt fürs Sternengucken?
Hasinger: Ja, also wenn man nicht in den Weltraum geht, was man ja auch machen kann, aber sehr teuer ist, dann muss man die Teleskope am Boden auf sehr hohe Berge stellen, wo man über den Wolken ist, wo man möglichst weit weg ist von aller Lichtverschmutzung und wo insbesondere die Atmosphäre auch so ruhig ist, dass die Sterne nicht so wackeln. Und die hawaiianischen Berge haben sich eben herausgestellt als die idealen Strukturen, mit denen man die besten Bedingungen für diese Astronomie hat. Das kann man sich so vorstellen: Die Lava, die aus den hawaiianischen, aus diesem Hotspot herauskommt, die blubbert so leicht flüssig vor sich hin und macht die Berge sehr flach, also die Vulkane in Hawaii sind nicht so, wie wir das von Mount St. Helens oder vom Ätna kennen, sondern die sind sogenannte Schildvulkane, die eben ganz flach sind, und der Wind weht über diese Vulkane in einer laminaren Strömung drüber, und das bedeutet, dass die Luftunruhe ganz, ganz ruhig ist und dass die Sterne sozusagen nicht flackern dort oben.
Heißes Thema: Extrasolare Planeten
Frenzel: Sie haben mal gesagt, dass beinahe alle astronomischen Entdeckungen der letzten 50 Jahre auf Hawaii gemacht wurden, was war denn das zum Beispiel, haben Sie da einige Beispiele?
Hasinger: Also so weit würde ich jetzt mich nicht versteigen, aber ich würde sagen, es gibt fast keine Entdeckungen, wo die Teleskope in Hawaii nicht eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Entdeckungen sind zum Beispiel die Dunkle Energie, die Tatsache, dass das Universum sich nicht mehr ausdehnt, sondern dass diese Ausdehnung sich beschleunigt, dass der Urknall sozusagen heute noch stattfindet. Aber ein ganz heißes Thema sind eben auch die extrasolaren Planeten, wo sie richtig jetzt (...) haben, wo über 2000 Planeten gefunden wurden. Und der heilige Gral ist, eben einen Planeten zu finden, auf dem man möglicherweise mal leben könnte.
Frenzel: Kann man das denn von unten sehen, ob man da leben könnte?
Hasinger: Ja, also zunächst mal geht es darum, die Größe des Planeten festzustellen, ob er einen Steinfußboden hat oder ob er so wie Neptun und Uranus ein Gasboden, und dann eben auch, ob er so nahe oder so weit weg von seiner Sonne steht, dass das Wasser dort möglicherweise flüssig ist. Und da haben wir jetzt die ersten Anzeichen dafür gefunden, aber noch nicht wirklich eine Erde zwei sozusagen, wo man auch hinfliegen könnte.
Frenzel: Ein zentraler Vulkanberg für Sie ist der Mauna Kea da gibt es schon, wie ich verstanden habe, relativ viele Teleskope. Sie möchten jetzt noch ein weiteres bauen, nämlich das weltweit größte, das Thirty Meter Telescope, TMT kurz genannt. Es gibt aber auch Proteste dagegen, weil dieser Berg ein heiliger Berg ist für die indigene Bevölkerung Hawaiis. Ist das der Preis der Forschung für Sie, Herr Hasinger, dass man eben auch in solche, ja, besonderen heiligen Stätten hineingehen muss?
Hasinger: Also der Mauna Kea ist, wie gesagt, eben der vermutlich beste Berg, vielleicht nicht ganz der Welt, aber zumindest auf der Nordhalbkugel, und es ist einfach so, dass die Astronomen mehr oder weniger dieselben Bedingungen benötigen, wie sie auch zum Beispiel indigene Völker für ihre traditionellen religiösen Bedürfnisse haben. Das heißt, die meisten hohen Berge in den indigenen Völkern sind heilig, und wenn man da oben was draufbaut, dann verletzt man die Erde und zerstört sozusagen diese Heiligkeit. Und das hat leider stattgefunden über die letzten 40 Jahre, also es ist ein immer größerer Anteil von Teleskopen gebaut worden, aber eigentlich immer in, sagen wir mal, friedlicher Zusammenarbeit mit den Hawaiianern. Die haben auch immer ihre kulturellen Aspekte dort oben sozusagen befriedigen können. Aber vielleicht kann ich da noch dazusagen, jetzt ist es eben so, dass eine neue Generation herangewachsen ist, die dieses Teleskop auch als eine Art Leuchtturm benutzt oder als einen Blitzableiter für politische Ziele, die einfach viel weiter gesteckt sind, also die Unabhängigkeitsbewegung.
Die Chancen des Riesenteleskops
Frenzel: Was erhoffen Sie sich denn von diesem Eingriff in die Heiligkeit, von diesem Riesenteleskop, was wird man damit sehen können, was man bisher nicht sieht?
Hasinger: Es ist ein 30-Meter-Teleskop, es ist nicht das größte der Welt, das größte wird vermutlich in Chile von der Europäischen Südsternwarte aufgebaut, aber dadurch, dass es auf dem besten Berg steht, ist es durchaus sehr konkurrenzfähig, und es kann ungefähr zehnmal mehr Licht sammeln als das heutige größte Teleskop, und damit kann man schwächere Objekte sehen. Aber je größer ein Teleskop ist, desto schärfere Bilder liefert es auch, und so ist dieses Teleskop vermutlich ungefähr hundertmal empfindlicher zum Beispiel zur Entdeckung von nahen erdähnlichen Planeten als alle, die wir bisher haben. Wir versuchen einfach, die Grenzen der Forschung weiter hinauszuschieben und neue Türen aufzustoßen sozusagen zu noch Unbekanntem.
Frenzel: Heute beginnt in Honolulu das Welttreffen der Astronomen. Im Gespräch war das der Direktor des Instituts für Astronomie an der Universität Hawaii, Günther Hasinger. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Hasinger: Vielen Dank, Herr Frenzel, und noch einen schönen Morgen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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