Weltmusikmesse in Marseille

Babel Med antwortet der Politik musikalisch

Von Martina Zimmermann · 30.03.2015
Offenheit für Künstler aus aller Welt und Begeisterung für die eigene Kultur: Bei der Weltmusikmesse Babel Med im französischen Marsaille gehört beides zusammen. "Hier passiert, was Extremisten am meisten hassen", sagt der musikalische Direktor Sami Sadeck.
Tagsüber treffen sich hunderte Musikprofis an den Messeständen und an den Konferenztischen: Produzenten, Festivalveranstalter, Künstler, Labels und Journalisten. Am Abend dann spielen die Musiker auf. Auf anderen Messen dieser Art stellen sich Künstler in Minishows dem professionellen Publikum, oft werden diese Showcases von der Plattenfirma oder vom Management finanziert. In Marseille dagegen finden an den Abenden richtige Konzerte statt. Diese Shows geben der Babelmed die Stimmung eines Festivals.

12.000 Besucher sahen bei der nun bereits elften Auflage der Baelmed für nur 15 Euro Eintritt auf mehreren Bühnen bis zu zwölf Konzerte mit Musik in allen Varianten und Stilen aus über 30 Ländern oder Regionen: Kolumbien und Katalonien, Korea und den Kapverden, aus Polen und Portugal, Angola, Senegal, Uganda... Und natürlich Musik aus Marseille wie die fünf A Capella-Sänger von Radio Babel Marseille, die mit ihren Kompositionen auf spanisch, arabisch, okzitanisch, swaheli, bambara oder französisch das Publikum begeisterten.
"Hier passiert, was Extremisten am meisten hassen"
Babelmed – da darf man an den Turm zu Babel denken, in dem alle Sprachen zu hören sind. Auf Arabisch bedeutet Bab El Med "das Tor zum Mittelmeer". Passt doch bestens zur Hafenstadt Marseille. Die Heavymetalklänge der Band Jambinai aus Südkorea, die auf traditionellen Saiteninstrumenten gespielt werden, sind dabei nur ein Beispiel für die Vielfalt der Töne dieser Welt. Oder Omar Pene, die senegalesische Legende der Mbalax-Musik seiner Heimat.
"Hier passiert, was Extremisten am meisten hassen", sagt Sami Sadeck der musikalische Direktor von Babelmed. Musik und Musiker kennen keine Grenzen. Babelmed Music ist von Anfang an eine politisch engagierte Veranstaltung. Angesichts der Intoleranz auf der Welt sei es Zeit aufzuwachen, erklärt Veranstalterin Florence Chastagnier. Babelmed kämpfe für Freiheit, Frieden und Toleranz.
Und so waren die früheren Docks von Marseille am Wochenende eine Insel des Widerstands. Denn auch in Marseille feierte der rechtsextreme Front National bei den Départementswahlen Erfolge. "Menschen jeder Herkunft, die gemeinsam Musik machen, tanzen und feiern zeigen: Wir wollen zusammenleben! Künstler verändern die Welt", glaubt Sänger, Komponist und Maler Mario Lucio von den Kapverden: "Jede Kreation schaffe etwas Neues im Universum und bewirke so eine Veränderung des Bestehenden."

Mario Lucio war die letzten vier Jahre Kulturminister seines Landes und trat in Marseille zum ersten Mal wieder als Sänger vor Publikum auf. "Wenn du nur eine Stunde lang auf der Bühne deine Kultur in einem positiven Licht zeigst, dann haben die Leute hoffentlich ein positiveres Bild", hofft die Iranerin Azam Ali, die mit Klängen aus dem Iran, der Türkei und Indien Elektro-Trance-Musik der Band Niyaz präsentiert.
Früher mehr Leidenschaft, heute mehr Wut
Bereits in den vergangenen Jahren waren auf dem Festival Karikaturen von Fatih Bourayou ausgestellt. Der Zeichner hat in Marseille vor vier Jahren ein Karikaturfestival ins Leben gerufen. Beim Attentat auf die Satirezeitschrift Charlie-Hébdo wurden unter anderen die Zeichner Tignous und Wolinski ermordet, die im September zu Fatih Bourayou nach Marseille kommen wollten. Vorher habe er mit Leidenschaft gezeichnet, so Bourayou, heute zeichne er mit Wut. Er will diesen kriminellen Terroristen zeigen, dass die Karikatur über die menschliche Dummheit siegen wird, über Fremdenfeindlichkeit, islamischen Fundamentalismus und alles was die Menschen am Glück hindert!
Medienpartner von Babelmed Music ist RFI, ein multikulturelles Musikradio von Radio France, ebenso France ô, ein öffentlicher Fernsehsender mit Fokus auf die Überseegebiete. Vladimir Cagnolari dessen erfolgreiche Sendung über afrikanische Musik auf dem meistgehörten öffentlichen Radio France Inter läuft, bedauert dass in den letzten Jahren die Massenprogramme zu weniger Weltmusik und mehr bekannten französischen Chansons tendieren: "Die öffentlichen Radios sollten mehr Risiken eingehen, meint Wladimir Cagnolari. Schließlich seien diese weniger abhängig von Einschaltquoten, Kommerz und Werbung."
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