Weltmeisterschaft

Macho-Kicker und Homophobie

Luis Suarez, Nationalspieler von Uruguay
Luis Suarez, Nationalspieler von Uruguay, ist bei der WM vor allem aufgefallen, weil er seinen Gegenspieler gebissen hat und er für neun Spiele gesperrt wurde. © picture alliance / dpa
Von Günter Herkel  · 06.07.2014
Was ist eigentlich aus der Meterosexualität im Fußball geworden? David Beckham hat sie einst verkörpert, jetzt aber prägen martialische Siegergesten und muskulöse Machos das Spiel. Und einige Ausfälle werden verharmlost.
"Die FIFA ist ein Haufen alter Hurensöhne", wetterte Uruguays Staatspräsident José Mujica kürzlich in einem TV-Interview. Seine Rüge galt aber nicht der Absolution, welche die FIFA-Disziplinarkommission dem mexikanischen Fußballverband erteilte. Bekanntlich hatten Fans der El Tri im ersten Spiel den Torwart Kameruns bei jedem Abstoß als "Puto" beschimpft. "Puto" bedeutet so was Ähnliches wie "Stricher" oder "Schwuchtel".
Die Empörung des Uruguayers Mujica entzündete sich indes nicht an dieser homophoben Attacke, sondern an der drakonischen Strafe, die sein Landsmann Luis Suarez wegen dessen Beißattacke gegen den Italiener Chiellini kassierte. Auch Mexicos Trainer Herrera zeigte Verständnis für die Fans: Man müsse daraus keine große Sache machen und sich lieber "wichtigeren Dingen" zuwenden. Dass auf dem Subkontinent der Machismo gerade im Sport immer noch fixer Bestandteil einer fragwürdigen gesellschaftlichen Kultur zu sein scheint – nicht schön. Bei der WM in Brasilien aber passen homophobe Ausraster offenbar vortrefflich zu einer wachsenden Wertschätzung körperbetonten, ultramaskulinen Spiels.
Starke Männer, schwache Männer
Kraftpakete wie der Brasilianer Hulk, der Italiener Balotelli, der Chilene Vidal oder der Deutsch-Ghanaer Prince Boateng erregen die Massen und zelebrieren ihren Status mit entsprechender Symbolik: Mit Ganzkörper-Tattoos, kriegerischem Haarschmuck und martialischen Siegergesten. Ganze Männer eben. Aber Vorsicht: Eh man sich's versieht, sitzt man schon bis zur Halskrause in der Falle sexueller Stereotypen. Zum Beweis die Gegenprobe: Schwuchtel, Warmduscher und Weichei – gemeint ist immer: ein schwacher Mann. Schwache Männer sind keine echten Männer. Also schwul.
Verlorene Zweikämpfe als Ergebnis mangelnder "cojones"
Die Älteren werden sich erinnern: Vor rund zehn Jahren tauchte plötzlich ein anderer Typ auf, der "metrosexuelle" Mann. Was David Bowie in der Pop-Musik, war im Fußball ein gewisser David Beckham. Der konnte nicht nur exzellente Flanken schlagen und Freistöße schießen. Er war zugleich modisch interessiert, hatte seine eigene Duftlinie, konnte im Zweifel sogar Schminktipps geben. Während des Sommermärchens 2006 postulierte das Wochenblatt "Die Zeit" begeistert, dass der Fußball unter Klinsmann "weiblicher" geworden sei. Heute wird jeder verlorene Zweikampf eines Mario Götze oder Mesut Özil als Ergebnis mangelnder "cojones" bespöttelt. Es wäre schade, wenn die Koexistenz verschiedener Charaktere auf dem Rasen wieder dem Imperativ eines tumben, kraftmeierischen Machismo geopfert würde. Ein Wort noch zum Rotsünder Suárez: Kratzen und Beißen galten früher bei uns auf dem Schulhof immer als Waffen der Mädchen. Aua!