Weltkrieg und Mauerfall

Die Hektik des Gedenkens und das Gedächtnis der Bücher

Vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin am 10.11.1989 mit Willy Brandt (lks.), Walter Momper (Mitte) und Helmut Kohl (rechts)
Vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin am 10. November 1989 © imago/Dieter Bauer
Moderation: Winfried Sträter · 26.12.2014
Eine Flut von Büchern ist im Jahr 2014 im Gedenken an den Mauerfall vor 25 und an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erschienen. Was bleibt haften? Ein Gespräch mit den Schriftstellerinnen Annett Gröschner und Susanne Schädlich und dem Historiker Christoph Kleßmann.
Jahrestage bestimmen heute den Rhythmus unseres geschichtlichen Erinnerns. 2014 war das stärker denn je. Die Bücherflut zum Ersten Weltkrieg hat alles gesprengt, was bisher üblich war. Was folgt der Bücherflut? Die nächsten Jahrestage und Bücher, die die Erinnerung an das vorige Ereignis verdrängen?
"Wenn da irgendwo ein Datum ist, dann weiß man in jedem Institut, jetzt müssen wir was machen, und die nächsten sagen, dann müssen wir auch was machen. Das ist in gewisser Hinsicht eine Katastrophe, man muss sich danach richten und das, was man machen müsste, wird unterbrochen“, sagt der Historiker und ehemalige Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung, Christoph Kleßmann.
Wer Bücher schreibt, will über den Tag hinaus Wirkung erzielen. Wie die Schriftstellerin Susanne Schädlich, die in diesem Herbst einen Roman veröffentlicht hat, der anhand zweier realer Fälle vor Augen führt, was Menschen passieren konnte, die in der frühen Nachkriegszeit im sowjetischen Machtbereich lebten ("Herr Hübner und die sibirische Nachtigall“).
Oder Annett Gröschner, die Romane schreibt und auf eine eigene Weise literarisch-dokumentarisch deutsch-deutschen Alltag porträtiert. Selbst was die Mauer bedeutete, würde sonst in Vergessenheit geraten, ist ihre Erfahrung: "Wenn ich mit meinen Kindern an der Mauer lang gegangen bin, haben die gesagt, naja, da hättet ihr doch Räuberleiter machen können, dann wärt ihr doch rübergekommen…“
"Das Gedächtnis der Bücher“ – es sollte nicht so kurzlebig sein, wie die Hektik des Jahrestagsgedenkens: Das ist die Hoffnung der Schriftstellerinnen Annett Gröschner und Susanne Schädlich und des Historikers Christoph Kleßmann.

Annett Gröscher / Barbara Felsmann / Grischa Meyer (Hg.):
Backfisch im Bombenkrieg - Notizen in Steno
Matthes & Seitz, Berlin 2013
399 Seiten, 29,90 Euro

Susanne Schädlich: Herr Hübner und die sibirische Nachtigall
Droemer HC, München 2014
240 Seiten, 19,99 Euro

Christoph Klessmann: Allgemeinbildung - Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute. Deutsche Geschichte ab 1945
Arena-Verlag, Würzburg 2009
256 Seiten, 16,95 Euro