Weltbürger mit schwerem Gepäck

Von Anne-Dore Krohn · 28.06.2006
Sich gemütlich zurücklehnen und mit dem Erreichten zufrieden geben - bei Ivan Nagel undenkbar. Die Konstante seines Lebens ist der stete Wechsel. Er hat als Dramaturg gearbeitet, als Philosoph, er war Theaterkritiker, Intendant, Professor, Schriftsteller – auf keinem seiner Posten hat er sich lange ausgeruht, er zog weiter und wechselte immer wieder die Perspektive.
Ein Weltbürger, unterwegs ohne Scheu vor dem Fremden. Vielleicht gerade deshalb, weil er selbst schweres Gepäck mit sich herumträgt. Zwei Mal erfuhr er die Intoleranz von Diktaturen am eigenen Leib: 1944, beim Einmarsch der Deutschen in Ungarn, musste sich der damals 13-jährige Sohn einer jüdischen Familie verstecken. Vier Jahre später, 1948, kam die nächste Bedrohung, das kommunistische Regime. Dieses Mal verließ Nagel sein Land und emigrierte in die Schweiz.

Den Schulabschluss machte er in Zürich und studierte in Paris und bei Adorno in Frankfurt. Gearbeitet hat er unter anderem in München, Hamburg, Stuttgart, New York. Er half Schauspielhäusern wieder auf die Beine, holte Regisseure wie Peter Zadek, Luc Bondy und Peter Stein. Und er gründete das "Theater der Welt", ein Festival, das verschiedene Kulturen zusammenbringt.

Seine eigenen Erfahrungen haben ihn gewarnt vor Intoleranz und Fremdenhass. Ivan Nagel ist jemand, der sich für öffentliche Belange einsetzt. Die Theater- und Kulturlandschaft der letzten Jahrzehnte wäre ohne ihn ärmer.