Wein mit Schimmelschutz

Von Udo Pollmer · 27.12.2009
Rechtzeitig zu den Feiertagen hat die Landesuntersuchungsanstalt in Koblenz importierte Weine beschlagnahmt und aus den Regalen des Handels zurückrufen lassen. Die Weine wurden wegen eines unzulässigen Gehaltes an Natamycin beanstandet. Die Aufregung war groß.
Weinskandale erreichen uns bald jährlich, zur Weihnachtszeit wird gern geprüft und prompt hat das Koblenzer Landesuntersuchungsamt in argentinischen und südafrikanischen Weinen Rückstände von Natamycin entdeckt. Natamycin hat sich gegen Pilze bewährt, - der Arzt verschreibt es bei Candida, aber auch die Lebensmittelhersteller wissen das zu schätzen. Rund um den Globus findet sich der Schimmelschutz in Salatsoßen, in Fruchtsäften, vor allem Orangensaft und Tomatensaft, in Sojasoße, Joghurt, Marmelade, Geflügelfleisch, Fisch, Gebäck, ja sogar im Bier. In der EU ist allerdings nur eine Behandlung von Wurst und Käse zulässig – aber nicht beim Wein.

Wie brisant ist also der Befund aus Koblenz? Nun, um Wein haltbar zu machen, bräuchte man etwa fünf bis zehn Milligramm Natamycin pro Liter. In den fraglichen Weinen war aber weniger als ein Hundertstel davon drin. Damit wäre das Anfassen eines behandelten Käses aus Holland riskanter - sofern man sich nicht die Finger wäscht - als das Trinken einer Flasche argentinischen Weines. Vermutlich wurde der Zusatzstoff über Umwege eingeschleppt – beispielsweise über Farbwein oder über Holzchips, die sorgen in den Stahltanks für den Barrique-Geschmack. Egal wo die Spuren herkommen: Die Meldung der Koblenzer Behörde wirkt auf mich so, als diene sie weniger dem Verbraucherschutz, sondern vor allem der Absatzförderung hiesiger Weine.

Der Zeitpunkt war gut gewählt, schließlich brummt das Geschäft im Dezember: Los geht’s mit Glühwein - und mit Sekt endet die Saison an Neujahr. Dabei gäbe es für die Behörden weitaus spannendere Fragen: Was sind das bloß für Flüssigkeiten, die auf den Weihnachtsmärkten zu Glühwein verkocht werden? Gewöhnlich nimmt man doch dafür eher das, was im Verdacht steht, Kopfschmerz zu fördern; die Gewürze korrigieren dann etwaige Geschmacksprobleme.

Nach allgemeiner Lesart sorgt der heiße Alkohol dann bei nasskaltem Wetter schon für die nötige Wärme und für gute Laune. Doch hier stimmt etwas nicht: Beim Glühwein achtet niemand darauf, dass der Alkohol auch im Topf bleibt. Er verdampft ungeniert aus dem offenem Kessel. Also muss der Wirkstoff des Glühweins ein anderer sein.

Gehen wir es mal der Reihe nach durch: Das typische Merkmal sind ja die exotischen Gewürze. Und die enthalten eine besondere Gruppe von Aromastoffen: die Allyl- und die Propenylbenzole. Die reagieren mit biogenen Aminen; also exakt jenen Stoffen, die gerade in schlechteren Weinen reichlich enthalten sind. Daraus entstehen sogenannte Amphetamine. Das ist eine Gruppe von psychotropen Medikamenten, für die sich auch schon mal die Drogenfahnder interessieren. Der Alkohol dient bei der Reaktion offenbar als Lösungsmittel. Er sorgt dafür, dass die Aromastoffe aus den Gewürzen herausgelöst werden und mit den Aminen reagieren können. Deshalb macht Glühwein Laune. Und deshalb wird der Glühwein auch nicht besser, wenn man dafür besonders edle Weine nimmt.

Und was sorgt beim Sekt für die typische Sektlaune? Hier liefert die zweite Gärung eine Extraportion an Stimmungsbeeinflussenden Stoffen: Sie verdoppelt beispielsweise den Gehalt an ß-Carbolinen. Natürlich dürfen wir dabei die Kohlensäure nicht vergessen. Die Gasbläschen beschleunigen die Alkoholaufnahme, was dazu führt, dass man schneller beschwipst ist. Und sie haben noch einen Effekt: Die Kohlensäure konserviert den Sekt auf ganz natürliche Weise. Ein Zusatz von Natamycin erübrigt sich. Prosit Neujahr!


Literatur
Stiefel K (Landesuntersuchungsamt): Verbraucherschutz: Weitere Nachweise von Antibiotika in Wein aus Argentinien. Koblenz 3.12.2009
Pollmer U et al: Psychotrope Stoffe im Essen. EU.L.E.n-Spiegel 2009; H.1: 3-46
Herraiz T et al: 1,2,3,4-Tetrahydro-ß-carboxylic acid and 1-methyl-1,2,3,4-tetrahydro-ß-carboxylic acid in wines. Journal of Agricultural and Food Chemistry 1993; 41: 455-459
Coghlan A: Fizz, bang, wallop. New Scientist 22.12.2001; S.7