Weimar nimmt sich auf die Schippe

Von Blanka Weber · 04.05.2013
"Im weitesten Sinn ist Sinn ja auch Unsinn", sagt einer der Besucher der 2. Dadamenta in Weimar. Und dieser Unsinn, der Drang zur Ausgelassenheit, orientiert am Kunststil des Dadaismus, der ist über Weimar hereingebrochen: schrill, schön, fröhlich.
Zugegeben: Beim Start der 2.Weimarer Dadamenta an einem kleinen Stadtbahnhof wirkte alles noch etwas zaghaft: die Kapelle, ein paar bunt gekleidete Menschen und gelbe Dadamenta-Papierfahnen. Was war das? Passanten stiegen aus der Bahn, Radfahrer, Familien – Kopfschütteln, Lachen – doch meist waren es glückliche Gesichter, die dem Happening zusehen wollten, auch später an Station 2, dem Hauptbahnhof. Mittendrin gab es eine Performance des Jugendtheaters der Stadt. Reisende jonglierten ihre Koffer vorbei, andere blieben stehen, so wie eine ältere Dame, die extra dabei sein wollte:

"Dadamenta, ja – die Zweite nach 100 Jahren ungefähr wieder in Weimar. Ist was anderes als sonst."

Die Kunst nahm sich mit dem Dadaismus vor 100 Jahren selbst auf die Schippe – heute war es in Weimar auch so. Einer, dem das sichtlich Spaß macht, ist Michael von Hintzenstern, Musiker und Organisator des Spektakels:

"Dada macht Spaß und ja, wir möchten die Leute auch wieder zu etwas mehr Ausgelassenheit und Freude bringen."

Sagt es und verteilt die Textzettel an alle, die zugreifen. Mittlerweile hatte die Dadamenta nicht nur Zuschauer, sondern vor allem Akteure gewonnen. Auch wenn sich manche lieber hinter Kaffeebechern versteckten, wie zwei Künstlerinnen am Ende des bunten Zuges, der vom Bahnhof mitten durch die Stadt zog:

"Ich mag Kurt Schwitters und dachte, vielleicht erfahre ich heute ein bisschen Kurt Schwitters, wenn ich hierher komme."

"Also wir wollten uns erstmal überraschen lassen und waren von der Performance und Unplanmäßigkeit dieses Vorhabens erstmal angezogen, wir laufen einfach mal mit. Aber, klar – Dada ist natürlich ein Geist, dem man folgen kann oder nicht, aber es ist natürlich interessant, was in Weimar daraus entsteht. Ich glaub, es ist spaßig auf jeden Fall."

Die Frage nach dem Sinn hörte sich als Antwort zumindest so an:

"Im weitesten Sinne ist ja Unsinn auch Sinn."

"Das ist nur Sinn, höherer Sinn. Meta-Sinn."

"Ja, natürlich."

"Man fragt sich ja immer, was Dada ist, und das kann man hier glaub ich ganz gut sehen, dass es dafür gar keine Definition gibt."

Und so zog der Zug der Dadaisten heute quer durch die Stadt, schrill, schön und fröhlich – mit Menschen, die Teekessel zum Hut umfunktioniert hatten, Küchenutensilien um den Hals trugen, wie eine Rheinländerin, die ziemlich textsicher im Dada–Gesang war:

"Ich habs immer geliebt, auch beim Karneval aktiv zu sein, ich will das jetzt nicht damit vergleichen aber ich kann hier auf ne ähnliche Art und Weise aus mir rausgehen, ohne dass ich auffalle."

Der Text ist einfach aber schön und irgendwie beherrscht ihn jeder nach wenigen Minuten an diesem Abend, der Zug wird immer größer und immer bunter. Auch ein Student aus Jordanien greift zum Instrument, zum zweiten Mal ist er dabei.

"Wir haben das nicht in Jordanien, aber – es ist schön."

Er lacht und sagt, er sei ein echter Fan der deutschen Kultur. Zumindest die Klassik, alles Gediegene und Geordnete hatte heute keine Chance in Weimar: Sprechgesang, Protestkultur, bunte Fröhlichkeit zwischen Kochlöffeln und Pauken. Dadaismus im Jahr 2013 – zumindest für einen Tag heute in Weimar und nicht nur die Rheinländerin hatte ihren Spaß:

"Da freu ich mich drüber. Ganz toll. Oh, ich muss mal wieder mitmachen…"